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Tricky Jürgen

Wie es der Chef der Statt Partei schaffte, die politische Kultur Hamburgs zu zerstören  ■ Von Peter Ahrens

Der Niedergang hat ein genaues Anfangsdatum. Alles ging am 8. November 1999 los. Da begann die politische Kultur dieser Stadt, in einem Morast aus Schmutz, Hass und Tücke zu versinken. An diesem 8. November stellte sich der Vorsitzende der Hamburger Statt Partei, Jürgen Hunke, hin und kündigte für die Bürgerschaftswahl 2001 „den gemeinsten und niederträchtigsten Wahlkampf in Hamburgs Geschichte“ an. Danach ging alles ganz schnell.

Die Statt Partei bot alles auf, was an schmutzigen Tricks im Angebot war. Erstes Opfer: Der Bürgermeister. Als sich Ortwin Runde in der Bürgerschaft nach einem seiner mitreißenden, selbstironischen Redebeiträge wieder hinsetzen wollte, hatte tricky Jürgen längst eine Heftzwecke auf dem Stuhl drapiert. Gemein. Als Sozialsenatorin Karin Roth in Blankenese den nächsten Druckraum eröffnete, war Jürgen „the bad guy“ Hunke schon zur Stelle – spritz, mit der Wasserpistole ins Gesicht der Senatorin. Niederträchtig.

Als Innensenator Hartmuth Wrocklage die neuen Schutzwesten der Polizei präsentierte, trieb „der Irre von Hamburg“, wie ihn die Boulevardpresse längst nannte, sein böses Spiel weiter: Wrocklage mit Weste musste sich hinter den nächsten Mauervorsprung werfen, weil er ein Schussgeräusch hörte. Dabei war es nur Hunke, der eine Papiertüte zum Platzen gebracht hatte. Das dreckige Lachen des Statt-Partei-Chefs hallte noch lange durch die Flure des Polizeihochhauses. Schwer gemein.

Nächster Streich: Hunke streute das Gerücht, der schwulenpolitische Sprecher der GAL, Farid Müller, sei hetero. Dessen Glaubwürdigkeit war von einem Tag auf den anderen zerstört. Kein Pardon auch mit der CDU. Als Ole von Beust den allerneuesten Internet-Auftritt seiner Partei vorstellte, war „JH the Hacker“ schon vorher da und hatte den Statt-Partei-Virus ins CDU-Netzwerk geschleust. Als christdemokratischer Spitzenkandidat tauchte auf der CDU-Homepage plötzlich ein gewisser Ronald Schill auf. Hunke warf noch rasch ein paar Erbsen in die Runde und brachte CDU-Frau Bettina Pawlowski auf hochhackigen Absätzen damit zum Stolpern. Dann verschwand er, wie er gekommen war. Gemeinheit und Niedertracht in einem.

Kurz vor der Wahl gab Hunke auf einer Pressekonferenz sein Ehrenwort: Alle Vorwürfe gegen ihn seien „erstunken und erlogen“. Und die allergrößte Niedertracht kam dann vom Wähler: Statt Partei 1,3 Prozent.

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