Treibhausgase: Trickserei mit Klima-Zertifikaten
Wenn Unternehmen in Industriestaaten der Klimaschutz zu teuer wird, können sie in ärmeren Ländern Projekte finanzieren - und so ihre Reduktionspflicht erfüllen.
Wie geht es weiter beim internationalen Klimaschutz? Darüber beraten vom 3. bis 14. Dezember rund 10.000 Regierungsvertreter und Experten aus 190 Ländern bei der UN-Klimakonferenz in Bali. Zehn Jahre nach der Verabschiedung des Kioto-Protokolls, das 2012 ausläuft, sollen in Bali die Weichen für eine neue Vereinbarung gestellt werden. Denn nur mit schnellen und verschärften Reduktionszielen kann der Klimawandel noch begrenzt werden. Die taz berichtet morgen auf zwei Seiten und ab Montag auf einer täglichen Seite über Ergebnisse und Akteure der Konferenz und über Hintergründe zum Klimawandel.
Bisher entlässt "Djebel Chekir", die zentrale Mülldeponie von Tunis, große Mengen Methan in die Atmosphäre - ein Gas, das bei Gärungsprozessen entsteht und fürs Klima 23-mal schädlicher ist als Kohlendioxid. Doch damit soll bald Schluss sein: Künftig soll das Methan aufgefangen und verheizt werden. Die gesparten Klimagase, die 3,7 Millionen Tonnen CO2 entsprechen, wird sich das Land von Unternehmen in den Industrieländern bezahlen lassen. Diese müssen dafür selbst weniger CO2 einsparen.
Eigentlich ist dieses Prinzip, das unter dem sperrigen Namen Clean Development Mechanism (CDM) im Kioto-Protokoll vereinbart wurde, eine sinnvolle Idee: Treibhausgase sollen auf diese Weise jeweils dort eingespart werden, wo es am kostengünstigsten möglich ist. Für die praktische Umsetzung gibt es aber harrsche Kritik.
So zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie, die das Öko-Institut im Auftrag des WWF gemacht hat, dass eine wichtige Bedingung häufig nicht erfüllt wird: Um anerkannt zu werden, müssen CDM-Projekte "zusätzlich" sein. Tatsächlich wären laut der Studie aber rund 40 Prozent der Projekte und 20 Prozent der CO2-Einsparungen auch ohne die CDM-Finanzierung passiert.
"Dies führt letztlich zu einer Steigerung der Emissionen, weil sich die Industriestaaten diese Maßnahmen als Kompensation anrechnen lassen und entsprechend mehr Treibhausgase emittieren", kritisiert WWF-Klimaexpertin Juliette de Grandpré. Darum fordert der WWF, die unabhängige Kontrolle der Projekte zu schärfen. Noch weiter geht die Fraktion Die Linke im Bundestag: Sie fordert ein Moratorium für alle CDM-Projekte, bis der Missbrauch ausgeschlossen ist, indem Kriterien und Kontrollen verschärft werden.
Auf Kritik stößt zudem, dass die Industrieländer ihre eigenen Emissionen sogar steigern können, wenn sie sich über CDM genügend Emissionszertifikate kaufen. Solche Zertifikate brauchen die Unternehmen seit 2005 für jede Tonne CO2, die sie an die Umwelt abgeben. Zwar ist die Menge der Zertifikate, die deutsche Unternehmen ab 2008 erhalten, auf Druck der EU-Kommission um etwa 10 Prozent gesenkt worden. Da jedes Unternehmen aber bis zu 22 Prozent zusätzliche Emissionszertifikate über CDM erwerben darf, kann der Gesamtausstoß in Deutschland steigen. Zudem sind die Preise für CDM-Emissionszertifikate mit 7 bis 15 Euro pro Tonne CO2 deutlich niedriger. Hierzulande wird eine Emissionberechtigung für 2008 derzeit für 23 Euro an der Börse gehandelt. Wirtschaftsunternehmen in Industrieländern können sich kostengünstig von eigenen Reduktionsverpflichtungen freikaufen - warnen Nichtregierungsorganisationen. Die Entwicklungsorganisation Germanwatch meint, CDM nicht dürfe nicht in vollem Umfang auf die Verpflichtungen der Industrieländer angerechnet werden, sondern nur im Verhältnis 2:1.
Insgesamt sei das Instrument CDM aber sinnvoll, betont Germanwatch, denn es ermöglicht den Tranfer von Technologie und erheblichen finanziellen Mitteln in Entwicklungs- und Schwellenländer. 2006 waren es rund 4,2 Milliarden Euro. Und ein Land wie Pakistan erhält inzwischen mehr Geld über CDM als über staatliche Entwicklungshilfe.
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