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Treffen in Brüssel75 Jahre Nato, doch niemand feiert

Im Jubiläumsjahr muss sich das Verteidigungsbündnis auf zwei Horrorszenarien vorbereiten: große Verluste in der Ukraine und Donald Trump.

Gruppenfoto zum Geburtstag: Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock spricht mit US-Außenminister Antony Blinken Foto: Johanna Geron/reuters

BRÜSSEL taz | Der Champagner war kaltgestellt, die Lobeshymnen lagen bereit. 75 Jahre Nato wollten die Außenminister der 32 Alliierten bei ihrem Frühjahrstreffen in Brüssel feiern. Schließlich sei das Militärbündnis „die mächtigste und erfolgreichste Allianz der Geschichte“, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Von einem „Sicherheitsanker“ zwischen Ost und West“ sprach Außenministerin Annalena Baerbock.

Doch nach Feiern war Baerbock und Stoltenberg am Mittwoch nicht zumute – im Gegenteil. Was sie zu Beginn ihres zweitägigen Treffens in Brüssel zu sagen hatten, klang eher wie die Einstimmung auf düstere Zeiten. Sogar ein Hauch von Panik lag in der Luft.

Denn ausgerechnet im Jubiläumsjahr muss sich die Nato auf zwei lange verdrängte Worst-Case-Szenarien vorbereiten: einen langen und verlustreichen Krieg in der Ukraine und die Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten.

Die Nato müsse „Trump-proof“, also Trump-fest werden, hatten Insider schon vor Beginn des Treffens gefordert. Der Republikaner hat seine Rhetorik zuletzt zwar etwas gemäßigt und nicht mehr damit gedroht, „säumigen“ europäischen Alliierten den US-Schutz zu entziehen.

Stoltenberg schlägt 100-Milliarden-Fonds für Ukraine vor

Dennoch sorgen sich viele im Nato-Hauptquartier in Brüssel, dass Trump nach seiner Wiederwahl die Ukraine-Hilfe infrage stellen und die militärische Unterstützung blockieren könnte. Deshalb wollen sie Waffenlieferungen an Kyjiw künftig durch die Nato selbst koordinieren lassen. Es gehe um „einen solideren und institutionalisierten Rahmen“ für das langfristige Engagement, erklärte Stoltenberg. Bisher organisieren die USA die Militärhilfe im Rahmen des sogenannten Ramstein-Formats.

Auch beim Geld will Stoltenberg Vorsorge treffen. Nach Angaben von Nato-Diplomaten schlägt er einen Ukraine-Hilfsfonds von bis zu 100 Milliarden Euro für fünf Jahre vor. Es gehe um „frisches Geld“ für „viele Jahre“, bestätigte Stoltenberg, ohne Trump beim Namen zu nennen. Die alliierte Kriegskasse könnte nötig werden, wenn Trump der Ukraine endgültig den Geldhahn zudreht.

Schon jetzt blockieren die Republikaner im US-Kongress die von US-Präsident Joe Biden versprochenen Milliardenhilfen. Ohne die dringend benötigte US-Hilfe müssten sich die ukrainischen Truppen zurückziehen und den russischen Besatzern das Feld überlassen, hat Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit der Washington Post gewarnt. Für die Nato, die sich in der Ukraine mehr denn je engagiert und Kyjiw sogar den Beitritt versprochen hat, wäre dies ein Debakel. Nach dem Rückzug aus Afghanistan würde die mächtigste Militärallianz der Welt ein weiteres Mal das Gesicht verlieren.

Ungarn warnt vor „weiteren Eskalationen“

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte, er stehe hinter Stoltenbergs Plänen. Die kanadische Außenministerin Melanie Joly begrüßte „jede Form der Unterstützung, die die Ukraine erhalten kann“. Scharfe Töne kamen dagegen aus Budapest. „Ungarn wird keine Nato-Vorschläge unterstützen, die die Allianz näher an den Krieg bringen“, schrieb Außenminister Peter Szijjarto bei Facebook. Er warnte vor „weiterer Eskalation“ mit Russland, wenn diese zu einer „offensiven“ Rolle in dem Krieg wechsele.

Baerbock strich die vergleichsweise hohen deutschen Beiträge heraus, hielt sich ansonsten aber bedeckt. Es sei zwar „vollkommen klar, dass wir weitere Zahlungen leisten müssen“, so die Grünen-Politikerin. Sie halte es aber „nicht für sinnvoll“, mit Zahlen in dieser Größenordnung „zu jonglieren“.

Mit Entscheidungen wurde in Brüssel noch nicht gerechnet. Sie sollen – wenn man sich denn einigt – erst beim Nato-Jubiläumsgipfel im Juli in Washington fallen.

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3 Kommentare

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  • Dass die NATO einen langen und verlustreichen Kampf in der Ukraine führte, so im Bericht und nicht anders zu verstehen, ist ein grobes Missverständnis oder höchst unglücklich formuliert. Und die Allianz wär die Erste, die hier lauten Protest anmeldet. Sie führt auch nicht mit oder an oder sonst was, die NATO macht überhaupt nichts, kann auch nicht viel machen, das ist ja keine eigenständige Partei. Einige ihrer Mitgliedstaaten unterstützen die Ukraine mehr oder minder materiell, aber auch nicht nur solche. Verluste erleiden nur die Kriegsparteien. Das ist auf allen Ebenen unangemessen. Annalena Baerbocks Skepsis teile ich. Und sollten die USA absehbar ausfallen, es wäre den Europäern zu wünschen einzusehen, dass 75 Jahre ne lange Zeit sind, ne andere Zeit mit nicht nur schlechtem Vermächtnis, aber dann doch den Strich zu ziehen. Dieses im Wesen immer US-zentrische Konstrukt ist dann nicht wirklich übertragbar, geschweige denn einfach zu übernehmen, auch namentlich nicht mehr angemessen. Im besten Fall aber auch nicht zu ersetzen durch ein myopisches und letztlich künstlich geschwächtes Europrogramm sondern etwas, das sich weniger nach Orten als nach Werten richtet, tatsächlich geteilten und gemeinsam gelebten Werten. Das sollte insb. Kanada offen stehen, evtl. sogar Japan oder Südkorea, und, wer weiss, in einer besseren Zukunft oder unter erschwerten Bedingungen vielleicht auch mal wieder den USA. Aber dann müssen sie sich anpassen. Und dann sicher nicht so wie in der NATO, die voll und ganz auf US-Führung, verlässliche, vertraute und schliesslich auch vermittelbare US-Führung ausgelegt ist, und auf die besonderen, ureigenen Interessen Washingtons.

  • Die NATO muss sich mal entscheiden: stoppt sie Russland in der Ukraine oder lässt sie diese fallen und rüstet sich selbst für den dann kommenden russischen Überfall auf das Baltikum oder Moldawien (wobei Georgien und Kasachstan zuerst dran sein dürften)? Momentan läuft es nach dem Motto "von allem ein bisschen, aber überall zu wenig".

  • "Denn ausgerechnet im Jubiläumsjahr muss sich die Nato auf zwei lange verdrängte Worst-Case-Szenarien vorbereiten: einen langen und verlustreichen Krieg in der Ukraine und die Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten."



    Also komplett auf Kriegswirtschaft umstellen.



    Kein Abfließen von Know how, kein Auswandern von Produktionen, Gewinne abschöpfen (Rüstungsindustrie), Zuwiderhandlung mit der Höchststrafe belegen. Auf Goggle und Co. können wir locker verzichten.



    Dann wird's was.



    Andernfalls kann man sich das Talken auf olympischen Höhen sparen.



    Wäre aber ganz und gar nicht in meinem Sinne. Dieses heischen "um-noch-mehr-Geld-für-noch-mehr-Waffen", kotzt mich an.



    Ich warte/hoffe auf die Person, den Vorschlag, wie aus dem Dilemma raus zukommen ist.