Treffen der Brics-Staaten: Absturz der Aufsteiger
Die Wirtschaftselite der Schwellenländer trifft sich derzeit im chinesischen Dalian. In diesem Jahr ist die Stimmung eher mies.
DALIAN taz | Unmissverständlich gibt Li Keqiang den Anwesenden zu verstehen: Die US-Notenbank ist schuld. Der chinesische Premierminister erwähnt die Federal Reserve (Fed) nicht explizit, beklagt sich in seiner Rede aber über die Geldpolitik „einiger Staaten“ und deren Auswirkungen auf den Rest der Welt. Die Erholung der Industrieländer dürfe nicht auf Kosten der anderen gehen.
Fünf Jahre nach der Lehman-Pleite, die die Weltwirtschaft in eine schwere Krise stürzte, treffen sich derzeit rund 2.000 Unternehmer, Regierungschefs und Ökonomen aus aller Welt in der ostchinesischen Hafenstadt Dalian, um über die drängendsten Probleme zu debattieren. Trifft sich die globale Wirtschaftselite im Winter traditionell im Schweizer Davos, kommt sie im Sommer abwechselnd im Millionenmoloch Dalian und der noch größeren Nachbarstadt Tianjin zusammen.
Chinas Sommer-Davos der „New Champions“ hat sich zum wichtigsten Treffen vor allem der Wirtschaftselite der Schwellenländer entwickelt. Allein Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (Brics) machen mehr als 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Andere boomende Schwellenländer wie die Türkei, Indonesien und Mexiko noch gar nicht eingerechnet.
Doch in diesem Jahr ist die Stimmung in Dalian mies. Die vergangenen fünf Jahre hat die Fed die Welt zu Niedrigstzinsen mit Dollars überschwemmt. So stürzten die Volkswirtschaften der Industriestaaten nicht noch tiefer. Wegen der höheren Zinssätze in den Schwellenländern hatte dies zur Folge, dass sehr viel Geld dorthin floss. Das beflügelte deren Märkte.
Aktienmärkte auf Talfahrt
Nun erholt sich die US-Wirtschaft und die Fed möchte umschwenken. Prompt ziehen die internationalen Investoren ihr Kapital aus den Schwellenländern wieder ab. Mit dramatischen Auswirkungen: Ihre Aktienmärkte gehen auf Talfahrt, Währungen verlieren an Wert, ihrem bislang hohem Wirtschaftswachstum droht der Absturz.
Was? Derzeit treffen sich rund 2.000 Regierungs- und Wirtschaftsvertreter drei Tage lang in der nordostchinesischen Hafenstadt. Seit 2007 findet das „Jahrestreffen der New Champions“ im Sommer in China, abwechselnd in Dalian und Tianjin, statt. Bei dem Ableger des Schweizer Weltwirtschaftsforums von Davos treffen sich „globale Wachstumsunternehmer“.
Warum? Bei dem „Sommer-Davos“ genannten Treffen geht es um die drängendsten Probleme der Region. Derzeit: abflauendes Wachstum, Währungsverfall und Kapitalabflüsse. Davon sind viele Schwellenländer betroffen, vor allem Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die Brics-Staaten. Gemeinsam machen sie rund 20 Prozent der Weltwirtschaftskraft aus.
Der türkische Vizeregierungschef Ali Babacan äußerte auf dem Forum zwar Verständnis für den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik, er kritisiert aber den Zeitpunkt und fordert die USA zu mehr Transparenz auf. Russlands Vizeministerpräsident Arkadi Dworkowitsch wettert zudem gegen die rigide Sparpolitik der EU, allen voran Deutschland. Sie sollten lieber zu einem wirklich effizienten und nachhaltigen Wachstum zurückfinden.
Ausgenommen vom Kapitalabfluss scheint nur China zu sein: Zwar wächst auch die chinesische Wirtschaft nicht mehr wie in den vergangenen Jahren zweistellig, sondern verlangsamt sich auf 7,5 Prozent in diesem Jahr. Aber der Finanzsektor der Volksrepublik ist streng reglementiert, die Landeswährung nicht frei konvertierbar. Das heißt: Geld kann zumindest nicht auf regulärem Wege abfließen. „Unsere Fundamente sind stabil“, bekräftigt Premier Li.
Sonderfall China
Doch für China ergibt sich ein Folgeproblem. Die Wirtschaft kommt mit den Reformen nicht voran. Wegen fehlenden Wettbewerbs und wenig Anlagemöglichkeiten werden die Staatsbanken und Großunternehmen immer reicher, mächtiger, aber auch ineffizienter. Die chinesischen Sparer erhalten keine Renditen und der Mittelstand kommt nur schwer an Kredite.
Dabei suchen die Vertreter der New Champions durchaus nach Lösungen. „Wir müssen auf noch mehr Bildung und Qualifizierung setzen“, so der türkische Vizeregierungschef. Sein russischer Kollege verspricht die Verringerung der Abhängigkeit seines Landes von Rohstoffen. Und der chinesische Premier sagt die Öffnung der Märkte zu, inklusive Finanzsektor. Chinas Topökonom Li Daokui von der Tsinghua-Universität ist skeptisch: „Die Welle wird uns in der nächsten Zeit dennoch heftig treffen.“
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