Transport zum EM-Stadion: Ein misslich Ding
An der Bahn-Infrastruktur in Deutschland gibt es nicht nur zur EM international viel Kritik. Besser also, mit dem Fahrrad zum Stadion zu fahren.
I ch weiß nicht, ob es an der EM und der aufkommenden Leichtigkeit liegt, aber in diesem Supermarkt in Schwabing verfolge ich eine, nun ja, rührende Szene: Ein älterer Mann, der seine zwei Augustiner und die Jim-Beam-Cola aufs Band legt, schaut die ältere Frau hinter sich an, überlegt und geht dann rüber zu den Blumen.
Einen Strauß Rosen legt er zu den Getränken, zahlt – und schenkt die Blumen der Dame. Dann ist er auch schon weg, und die unverhofft Beschenkte lächelt beglückt. Ich frage mich, ob er vielleicht Anhänger der Georgier ist, die gerade ihren ersten EM-Punkt gewonnen haben. Man bezieht derzeit halt alles auf die Euro, steckt völlig in dieser Fußballblase drinnen.
In Fußballgefilden bewegte sich auch ein Reporter der New York Times in den vergangenen zwei Wochen. Er ist durch Schland gereist, und lobt die Stimmung in den Stadien, die feierwütigen Fans und ein Land, in dem es viel zu entdecken gibt. Über die Infrastruktur ist er etwas entsetzt. Auf die Bahn sei kein Verlass. Die Anreise zu den Stadien gestalte sich schwierig. Alles übervoll, überlastet, zu spät.
Die Deutschen wiederum würden die Zustände fatalistisch hinnehmen. Schon lustig, wenn die EM-Gäste in ein Land kommen, dass hart gegen seinen Ruf zu kämpfen scheint. Wer aber hierzulande täglich in Bahnen bangt und hofft, der schmunzelt nur über den Reality Check der Briten, Niederländer oder Franzosen.
Erinnerungen an die WM 2006
Der Autor dieser Zeilen hat versucht, den Zumutungen zu entgehen, wenngleich er sich gut daran erinnern kann, wie relativ entspannt die ICE-Fahrten zur WM 2006 waren; damals durften Journalisten sogar kostenlos 1. Klasse fahren, das geht jetzt nicht mehr, 29 Euro kostet ein ICE-Ticket in der 2. Klasse egal wohin (1. Klasse: 39).
Weil ich also immer noch ein leichtes Fiepen im Ohr habe von 2006er-Fangesängen, nähere ich mich den Stadien lieber mit dem bösen Benziner und steige dann aufs Rad. Das machen wenige. In München wird zwar auf einen Fahrradparkplatz hingewiesen, da stehen dann acht Gitterzäune, die man auf eine Rasenfläche gezerrt hat. Vielleicht zwanzig Räder sind angekettet, dazu ein paar Wildparker.
Die Radltour zum Stadion ist eher verpönt, die Fans wollen vorm Spiel schon völlig aufgehen im Gemeinschaftsgefühl. Die Fanmärsche zu den Arenen sind eindrucksvoll, und bei den ÖPNV-Dispatchern sicher gern gesehen. Wenn diese Massen, die per pedes unterwegs sind, auch noch zu den Stadien transportiert werden müssten, na dann gute Nacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich