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Transport zum EM-StadionEin misslich Ding

An der Bahn-Infrastruktur in Deutschland gibt es nicht nur zur EM international viel Kritik. Besser also, mit dem Fahrrad zum Stadion zu fahren.

S-Bahn-Station Olympiastadion in Berlin. In der ersten EM-Woche gab es viel Kritik aus dem Ausland an der Bahn Foto: Christoph Soeder / dpa

I ch weiß nicht, ob es an der EM und der aufkommenden Leichtigkeit liegt, aber in diesem Supermarkt in Schwabing verfolge ich eine, nun ja, rührende Szene: Ein älterer Mann, der seine zwei Augustiner und die Jim-Beam-Cola aufs Band legt, schaut die ältere Frau hinter sich an, überlegt und geht dann rüber zu den Blumen.

Einen Strauß Rosen legt er zu den Getränken, zahlt – und schenkt die Blumen der Dame. Dann ist er auch schon weg, und die unverhofft Beschenkte lächelt beglückt. Ich frage mich, ob er vielleicht Anhänger der Georgier ist, die gerade ihren ersten EM-Punkt gewonnen haben. Man bezieht derzeit halt alles auf die Euro, steckt völlig in dieser Fußballblase drinnen.

In Fußballgefilden bewegte sich auch ein Reporter der New York Times in den vergangenen zwei Wochen. Er ist durch Schland gereist, und lobt die Stimmung in den Stadien, die feierwütigen Fans und ein Land, in dem es viel zu entdecken gibt. Über die Infrastruktur ist er etwas entsetzt. Auf die Bahn sei kein Verlass. Die Anreise zu den Stadien gestalte sich schwierig. Alles übervoll, überlastet, zu spät.

Die Deutschen wiederum würden die Zustände fatalistisch hinnehmen. Schon lustig, wenn die EM-Gäste in ein Land kommen, dass hart gegen seinen Ruf zu kämpfen scheint. Wer aber hierzulande täglich in Bahnen bangt und hofft, der schmunzelt nur über den Reality Check der Briten, Niederländer oder Franzosen.

Erinnerungen an die WM 2006

Der Autor dieser Zeilen hat versucht, den Zumutungen zu entgehen, wenngleich er sich gut daran erinnern kann, wie relativ entspannt die ICE-Fahrten zur WM 2006 waren; damals durften Journalisten sogar kostenlos 1. Klasse fahren, das geht jetzt nicht mehr, 29 Euro kostet ein ICE-Ticket in der 2. Klasse egal wohin (1. Klasse: 39).

Weil ich also immer noch ein leichtes Fiepen im Ohr habe von 2006er-Fangesängen, nähere ich mich den Stadien lieber mit dem bösen Benziner und steige dann aufs Rad. Das machen wenige. In München wird zwar auf einen Fahrradparkplatz hingewiesen, da stehen dann acht Gitterzäune, die man auf eine Rasenfläche gezerrt hat. Vielleicht zwanzig Räder sind angekettet, dazu ein paar Wildparker.

Die Radltour zum Stadion ist eher verpönt, die Fans wollen vorm Spiel schon völlig aufgehen im Gemeinschaftsgefühl. Die Fanmärsche zu den Arenen sind eindrucksvoll, und bei den ÖPNV-Dispatchern sicher gern gesehen. Wenn diese Massen, die per pedes unterwegs sind, auch noch zu den Stadien transportiert werden müssten, na dann gute Nacht.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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2 Kommentare

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  • Wir zeigen uns gegenüber unseren internationalen Gästen erneut von der besten Seite. Anläßlich der Handball-EM musste noch der Bahnstreik als Ausrede herhalten. Wer regelmäßig Bahn fährt und insbesondere im ländlichen Raum lebt, wird Sorge dafür tragen immer ein bis zwei PKW bereit zu halten. Auf Langstrecken, bspw. Berlin-Kassel, ist die anekdotische Evidenz, dass weit mehr als 50 % der Züge Verspätungen im nicht tolerierbaren Bereich haben. Ich plane gerade meine Japan-Urlaub - der Shinkansen fährt auf eigenen Gleisen, verspätungsfrei. Vielleicht eine "Innovation" für das beste Deutschland aller Zeiten. Bei unsere Planungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit könnte das ungefähr im Jahre 2150 umgesetzt sein.

    • @Michas World:

      "Bei unsere Planungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit könnte das ungefähr im Jahre 2150 umgesetzt sein."

      Garantiert nicht! Hochgeschwindigkeitsstrecken sind unnötige, energieverschwendende, Prestigeprojekte, bei denen Geld verschwendet und CO2 produziert wird. Zumindest wenn Sie große Teile des politischen Spektrums fragen. Da ist das Hufeisen deutlicher erkennbar als bei fast jedem anderen Thema.

      Diese Haltung hat hierzulande schon Jahrzehnte Tradition, was auch der eigentliche Auslöser des Artikels - der Bericht in der NYT - nicht verschweigt.