Transplantation in den USA: Schweineherz im Menschen

Mediziner haben einem todkranken Mann in Baltimore das gentechnisch veränderte Herz eines Schweins eingesetzt. Der Patient soll wohlauf sein.

Ärzte in Operationskitteln zeigen ein Schweineherz

Ärzte mit dem genmodifizierten Schweineherz vor der Operation in Baltimore Foto: University of Maryland

BALTIMORE dpa/afp | Ein Transplantationsteam in den USA hat nach eigenen Angaben erstmals ein genetisch modifiziertes Schweineherz an einen menschlichen Patienten angeschlossen. Das Organ sei einem 57-jährigen Mann mit einer lebensgefährlichen Herzkrankheit am Freitag in einer Klinik in Baltimore (Maryland) eingesetzt worden, teilte das Krankenhaus am Montag mit. Die Operation dauerte laut US-Medien acht Stunden, das transplantierte Herz habe seitdem seine Arbeit aufgenommen, dem Patienten gehe es gut.

„Diese Organtransplantation zeigt erstmals, dass ein genetisch verändertes Tierherz wie ein menschliches Herz funktionieren kann, ohne dass es der Körper sofort abstößt“, teilte das University of Maryland Medical Center mit. Der Patient – der für ein menschliches Spenderherz als nicht geeignet eingestuft wurde – werde die kommenden Wochen weiter genau beobachtet.

Das Schwein, von dem das Herz stammt, war genetisch verändert worden, um ein Gen zu eliminieren, dass einen bestimmten Zucker bildet. Dieser Zucker hätte sonst eine starke Immunreaktion des Patienten ausgelöst, was zu einer Abstoßung des Organs geführt hätte. Auch ein Gen, das zu einem übermäßigen Wachstum von Schweineherzgewebe geführt hätte, wurde „ausgeschaltet“. Insgesamt wurden vier Schweinegene eliminiert und sechs menschliche Gene in das Genom des Schweins eingefügt, um eine Abstoßung des Herzens durch Bennetts Körper zu verhindern.

Für die Genveränderungen zeichnet die im US-Bundesstaat Virginia ansässige Biotech-Firma Revivicor verantwortlich. Diese hatte auch schon das Schwein geliefert, das bei einer bahnbrechenden Nierentransplantation an einem hirntoten Patienten im Oktober in New York verwendet wurde.

Über 100.000 Menschen warten auf Spenderorgane

Während es sich bei diesem vorhergehenden Eingriff jedoch nur um ein Experiment zur Erprobung des Konzepts handelte und die Niere außerhalb des Körpers an den Blutkreislauf des Patienten angeschlossen wurde, soll der neue Eingriff künftig weitere Menschenleben retten. Die Wissenschaftler hatten das Tierorgan vor der Implantation in einer Konservierungsmaschine aufbewahrt. Beim Eingriff verwendeten die Mediziner außerdem ein neuartiges experimentelles Medikament zur Unterdrückung der Immunabwehr.

Allein in den USA warten derzeit rund 110.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Offiziellen Zahlen zufolge sterben Jahr für Jahr mehr als 6.000 Menschen, bevor eine Transplantation vorgenommen werden kann.

„Dies war eine bahnbrechende Operation und bringt uns der Lösung der Knappheit bei Organen einen Schritt näher“, wurde der durchführende Arzt Bartley Griffith zitiert. Der Patient sagte der Mitteilung zufolge, dass es eine Entscheidung über Leben und Tod war: „Ich weiß, es ist ein Schuss ins Dunkel, aber es ist meine letzte Chance“. Er freue sich darauf, zu genesen und wieder aus dem Bett aufstehen zu können.

Bei dem nun gemeldeten medizinischen Durchbruch bleiben zunächst aber noch viele Fragen offen, vor allem die nach der Langlebigkeit des Organs. Die Erkenntnisse sind zudem noch in keinem Fachmagazin veröffentlicht worden.

Im Oktober war bekannt geworden, dass Ärzte in New York eine Schweineniere für mehr als zwei Tage an einen hirntoten Menschen angeschlossen hatten. Das Organ sei für 54 Stunden außerhalb des Körpers mit dem Blutkreislauf verbunden worden und habe dort „fast sofort“ angefangen zu arbeiten und das Stoffwechselprodukt Kreatinin zu bilden.

Damals sprachen Experten von einem „weiteren Schritt“ auf dem Gebiet der Xenotransplantation, also der Übertragung von Zellen oder Organen von einer Spezies auf eine andere. Die Geschichte der Entwicklung von Xenotransplantationen ist lang und von Niederschlägen gekennzeichnet. Spektakulär war vor allem der Fall von Baby Fae, das 1984 in Kalifornien ein Pavianherz bekam. Es starb drei Wochen nach der Operation.

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