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Trainer der Frauennationlelf gefeuertUnangemessene Beziehungen

Der Rauswurf von Englands Frauennationalcoach Mark Sampson wirft Fragen auf – zumal der Verband dies mit lange bekannten Übergriffen begründet.

Klare Beweise für „unakzeptables Verhalten“: Mark Sampson wird wegen eines alten Berichts arbeitslos Foto: dpa

Manchester taz | Eine Trainerentlassung ist im Fußball nichts Besonderes, es gehört zum Geschäft, dass Klubs und Nationalmannschaften ihre Übungsleiter austauschen, wenn es sportlich nicht läuft. Erfolglosigkeit kann man dem 34 Jahre alten Waliser Mark Samp­son allerdings nicht vorwerfen. Er hat das englische Frauenteam nach seiner Amtsübernahme im Dezember 2013 in die Weltspitze geführt. Vor zwei Jahren landeten die Engländerinnen bei der WM auf dem dritte Platz, bei der EM in diesem Sommer kamen sie ins Halbfinale.

Die Gründe dafür, dass der englische Fußballverband FA in der vergangenen Woche das Arbeitsverhältnis mit Sampson storniert hat, liegen nicht auf dem Platz, sondern daneben, und es ist schwer, in der Geschichte um seine Entlassung den Überblick zu behalten. Fest steht, dass der Verband in der Angelegenheit ein desas­tröses Bild abgibt und zunehmend in Bedrängnis gerät.

Im März 2014, also drei Monate nach seiner Berufung, kamen erste Anschuldigungen gegen Sampson auf. Er soll zuvor als Nachwuchstrainer in Bristol unangemessene Beziehungen zu Spielerinnen gepflegt haben. Die FA untersuchte die Vorwürfe und sprach Sampson frei. Er blieb im Amt.

Im Mai 2016 gab es neue Anschuldigungen. Die ehemalige Nationalspielerin Eniola Aluko, geboren in Nigeria, berichtete von rassistischen Beleidigungen. Unter anderen soll Samp­son ihr vor einem Spiel gegen Deutschland im November 2014 gesagt haben, dass sie gern ihre Verwandten ins Stadion einladen dürfe, solange sie kein Ebola mitbringen würden. Auch diese Vorwürfe untersuchte der Verband, wieder wurde Sampson entlastet. Allerdings überwies die FA Aluko knapp 91.000 Euro. Schweigegeld oder eine Entschädigung?

Im vergangenen Monat wurden Alukos Vorwürfe und auch die Zahlung an die ehemalige Nationalspielerin öffentlich. Im Guardian sprach sie zum ersten Mal ausführlich über die angeblichen rassistischen Beleidigungen durch Sampson.

Die Mannschaft ist solidarisch

Die Mannschaft zeigte sich solidarisch mit dem Übungsleiter. Beim 6:0-Erfolg in der WM-Qualifikation gegen Russland in der vergangenen Woche stürmten die Spielerinnen nach dem ersten Tor zu ihrem Trainer und feierten mit ihm. Doch das konnte ihn nicht retten. Einen Tag nach der Partie entließ ihn der Verband – und gab als Begründung nicht die aktuellen Rassismusvorwürfe an, sondern den Untersuchungsbericht über die Anschuldigungen aus seiner Zeit in Bristol.

Die Spitze der FA berief sich darauf, dass ihr das ganze Dokument erst jetzt zugänglich gemacht worden sei und dass der Bericht eine Beschäftigung Samp­sons als Nationaltrainer nicht weiter zulasse. Das Papier enthalte klare Beweise über „unangemessenes und unakzeptables Verhalten“ des Trainers, genauer wurde der Verband nicht, betonte aber, dass Sampson keine Gesetze gebrochen habe.

Englands Sport­ministerinTracey Crouch bezeichnet die Angelegenheit als Durcheinander

Im Raum stehen jetzt mehrere Fragen. Wann wusste der Verband was? Wie kann es sein, dass der Verband seinen Trainer von den Vorwürfen aus seiner Zeit in Bristol freisprach, ohne den kompletten Bericht dazu gelesen zu haben? Warum kam dem Verband erst jetzt, nachdem die Rassismusvorwürfe von Aluko öffentlich wurden, auf die Idee, sich den Bericht genauer anzuschauen?

FA-Geschäftsführer Martin Glenn behauptet, dass die Rassismusvorwürfe und die früheren Anschuldigungen gegen Sampson „zwei komplett verschiedene Dinge“ seien. Doch es drängt sich der Eindruck auf, dass der Verband die Vorwürfe gegen seinen erfolgreichen Trainer nicht ernst genommen hat und jetzt, als der öffentliche Druck zu groß wurde, nach einer einfachen Begründung suchte, ihn zu entlassen. Der Fall stellt die grundsätzliche Frage nach dem Klima im englischen Frauenfußball. Die Times schreibt von einer „Kultur der Angst“.

Sogar die Regierung hat sich eingeschaltet. Sportministerin Tracey Crouch bezeichnet die Angelegenheit als „mess“, als „Durcheinander“, und kritisiert den Mangel an Sorgfalt des Verbands bei der Auswahl seiner Trainer. „Die FA muss sicherstellen, dass sich so etwas auf keiner Ebene des Coachings wiederholt“, sagt sie. Im kommenden Monat wird die Verbandsspitze zu einem Sonderausschuss des Parlaments erwartet.

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3 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Es wäre gut gewesen zu wissen, was der Trainer denn genau gesagt haben soll.

    Aus dem Zusammenhang gerissen, könnten auch Zitate aus dem "Ritter der Kokosnuss" rassistisch gedeutet werden. Der berühmte englische Humor ist mitunter sehr "schwarz" und wer den nicht versteht, ist leicht beleidigt.

    Es geht mir nicht darum, eine Ehrenrettung zu betreiben, aber gerade das ausgewählte Zitat aus der Zeit der Ebola-Epidemie könnte auch nur schwarzer Humor sein und nicht als Beleidigung für irgendjemanden gedacht.

    Also in diesem Sinne: "Bring doch deine Verwandten mit. Frag nicht so dämlich oder haben die Ebola? Na klar, ist doch kein Problem, dass die kommen."

    Als Sachse muss man ständig mit Bemerkungen über Sachsen leben, die nicht nett gemeint sind und trotzdem fasse ich die nicht per se als rassistisch auf. Es kommt auf den Kontext und die Absicht an. Sonst müsste man die "heute-show" komplett neu besetzen und alle wegen Rassismus feuern.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Bei der heute-show weiss vorher schon jeder, dass es um Satire geht. Bei einem Trainer ist davon nicht unbedingt auszugehen, zumal hier auch ein direktes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vorgesetztem und Angestellten besteht.

       

      Ihr Verweis auf die heute show ist auch ungeachtet dessen völlig abseitig, zumal er jetzt wiederholt von Ihnen vorgebracht wird. Bei der heute-show arbeiten neben Oliver Welke als "Moderator" zwei Dutzend weitere Kabarettisten und Comedians. Zwei von diesen stellen "Ostdeutsche", bzw. "Menschen mit sächsischem Migrationshintergrund" dar, zweiundzwanzig tun dies nicht.

       

      Die in West-Berlin geborene und dort aufgewachsene Martina Hill spielt als eine von drei Charakteren "Mandy Hausten", eine "impulsive, naive Frau mit deutlich sächsischem Akzent, gekleidet im Stil der 80er Jahre, mit oftmals kleinbürgerlich-linken Ansichten." (Wikipedia). Der andere, Olaf Schubert, stammt selbst aus Sachsen, spielt sich also in erster Linie selber, einen "von sich selbst überzeugter Besserwisser" und notorischen, am eigenen Satzbau zu scheitern drohender Weltverbesserer.

       

      Wie Sie einem Sachsen, der mit beissender Selbstironie einen Sachsen darstellt, "Rassismus" vorwerfen wollen, brauchen wir wohl nicht zu diskutieren. Vermutlich ist Ihnen diese Figur in ihrer exessiv zur Schau gestellten Unsicherheit einfach nur "zu nahe". Offenbar mangelt es Ihnen am nötigen Selbstwertgefühl. Und ihre trumpesken Tagträumereien von der rigorosen Asugrenzung und wirtschaftlichen Vernichtung all jener, die ihnen nicht in ihr kleines Weltbild passen, zeugt lediglich davon, wie wenig Sinn es doch macht, zehn verschiedene Freiheitsbegriffe studiert zu haben, wenn keiner davon auch verstanden wurde.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Wir haben bei Rassismus die Beweislast umgekehrt. Währen früher Rassismus toleriert oder gar akzeptiert wurde mit dem vorgeschobenen Argument, dass es ja auch nicht rassistisch gemeint gewesen sein könnte, ist es heute umgekehrt. Wer etwas sagt, was von irgendjemand rassistisch interpretiert werden kann, gilt als Rassist - Verteidigung zwecklos.