Trainer-Einstand schiefgegangen: Mit Schaaf, ohne Selbstvertrauen
Fußball-Bundesligist Hannover 96 verliert mit seinem neuen Trainer Thomas Schaaf gegen den Abstiegskonkurrenten Darmstadt 98 verdient mit 1:2.
HANNOVER taz | Eine schöne Geschichte wäre das gewesen. Kommt ein neuer Trainer daher, redet eine schwache Mannschaft wieder stark und macht einen ganzen Verein glücklich. Thomas Schaaf, seit drei Wochen neuer Cheftrainer von Hannover 96, war auf dem besten Weg zu einer besonderen Jubelarie. Doch aus einer frühen Führung im Heimspiel gegen Aufsteiger Darmstadt 98 wurde am Ende eine 1:2-Niederlage.
„Keiner hat gesagt, dass das hier einfach wird“, sagte Schaaf nach dem misslungenen Einstand. Hannover 96 ist jetzt Tabellenletzter der Fußballbundesliga. Nach der anfänglichen Hysterie rund um Schaafs Verpflichtung reift die Erkenntnis, dass diese Mannschaft nicht mal eben so durch bloßes Handauflegen gerettet werden kann.
Es liegt an seiner Vita, dass trotz der Heimpleite neues Leben eingekehrt ist. Mit Schaaf, dank seiner erfolgreichen Zeit bei Werder Bremen einer der bekanntesten deutschen Trainer, ist ein großer Name nach Hannover gewechselt. Er hat mit den Fingern geschnippt und schon stand mit dem Portugiesen Hugo Almeida ein früherer Weggefährte aus Bremen zur Verfügung. Schaaf hat diesen nicht austrainierten und in die Jahre gekommenen Stürmer nach nur einer Woche Training gleich in die Anfangself befördert.
Zehn Minuten sind gespielt, Linksschuss von Almeida, es steht 1:0 für Hannover: 35 600 Zuschauer staunten nicht schlecht darüber, wie gut alte Seilschaften funktionieren können. Aber der Schwung des Neuen war schnell dahin. Der Gast aus Darmstadt wurde immer bissiger und besser. Ein gewisser Sandro Wagner erzielte für ihn nach einer halben Stunde erst das 1:1 und zwei Minuten nach der Halbzeitpause sogar noch den Siegtreffer. Der Torjäger hatte einst in Bremen nach der Pfeife von Schaaf getanzt. Jetzt verdarb er ihm den Einstieg in Hannover.
An der Frage, was in Hannover eigentlich warum schiefläuft, wird sich Schaaf wohl noch eine ganze Weile abarbeiten müssen. Eigentlich verfügt das 96-Team über genügend gute Spieler, um die Klasse halten zu können. Aber unter der Regie von Michael Frontzeck, der nach der Hinrunde mangels Erfolg als Cheftrainer aufgeben musste, ist der Mannschaft offenbar jedes Selbstvertrauen abhandengekommen. Almeida konnte das nicht wissen. Er hat den ersten Ball, der auf ihn zugerollt gekommen ist, einfach beherzt ins Tor geschossen.
Seine neuen Kollegen sind nicht so unbeschwert in die Rückrunde gestartet. „Insgesamt fehlt die klare Überzeugung“, sagte Schaaf. „Wir sind nach einem guten Beginn in die Passivität abgerutscht. Dazu fehlt uns die Klarheit.“ Er klang gar nicht böse, sauer oder verzweifelt. Der 54-Jährige hat immer eingeräumt, dass er sich zwar für Hannover, aber damit auch für eine sehr schwierige Aufgabe entschieden hat.
Zwei Dinge sollen repariert werden: Hannover 96 stemmt sich gegen den Absturz in die 2. Liga. Und Schaaf will nach seiner großen Zeit in Bremen und einem unglücklich beendeten Intermezzo bei Eintracht Frankfurt zeigen, dass es ein Leben nach dem SV Werder gibt.
96-Präsident Martin Kind ist beseelt davon, mit Hilfe von Schaaf wieder mehr Erfolg und Spektakel in seinen Verein zu bekommen. „Sie erfahren eine unglaublich hohe Akzeptanz und sorgen für eine Aufbruchstimmung“, sagt er öffentlich in Richtung Schaaf. Kind hatte sich bereits zweimal vergeblich um ihn bemüht. Jetzt bilden die Herren eine Zweck- und Schicksalsgemeinschaft.
16 Partien, zu denen dummerweise auch das letzte Saisonspiel bei Bayern München gehört, verbleiben für die erhoffte Aufholjagd. Schaaf sieht keinerlei Risiko darin, sich bei Hannover 96 zu beweisen. Er ist überzeugt, dass andere Mannschaften absteigen werden. Darmstadt 98 wird gerne zu den ersten Kandidaten dafür gezählt. Der Klub hat sich im Winter null Neuzugänge geleistet. Aber: Er war besser als Hannover 96.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren