Touristen werden rund um die Uhr zurückgeflogen: Vulkan stoppt Berliner Nachtruhe
Um gestrandete Passagiere schnell nach Berlin zurückzuholen, hebt der Senat das Nachtflugverfbot für Tegel auf. Grünen-Politikerin Hämmerling schlägt vor, je nach Aschewolkenlage andere Flughäfen zu benutzen.
Wer in der Einflugschneise des Flughafens Tegel wohnt, muss sich auf zusätzlichen Lärm einrichten: Das Nachtflugverbot ist vorerst außer Kraft. Die Senatsverwaltung von Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hob die Einschränkung auf, um nach dem Vulkanausbruch gestrandete Reisende schnell nach Berlin zu holen. Normalerweise sind in Tegel Starts und Landungen zwischen 23 Uhr und 6 Uhr untersagt. Grüne und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zeigten Verständnis für die Nöte der Passagiere, forderten aber dazu auf, weitgehend auf Nachtflüge zu verzichten.
Die Nachtstunden sind nach Darstellung der Behörde notwendig, um zusätzliche Flüge unterbringen zu können. Denn in Tegel waren am Dienstag trotz offizieller Sperrung des Luftraums schon wieder Flugzeuge in der Luft: mit Sondergenehmigung und im sogenannten kontrollierten Sichtflug, wenn allein die Piloten steuern. Dabei können sie der Senatsverwaltung zufolge nur in geringen Höhen fliegen, in denen sonst nur kleine Flugzeuge, Sportflieger und Hubschrauber unterwegs sind.
Die Fluggesellschaft Air Berlin plante nach Agenturangaben am Dienstag 34 Starts und 40 Landungen in Tegel. Binnen der nächsten zwei Tage sollen dem Unternehmen zufolge alle Gestrandeten wieder in Deutschland sein. "Es fühlt sich langsam wieder wie Flugverkehr an", wurde ein Flughafensprecher zitiert. Die Zahl der Nachtflüge blieb bislang allerdings überschaubar: Laut Junge-Reyers Behörde landeten in der Nacht zu Dienstag vier Flugzeuge in Tegel.
Trotz der grundsätzlichen Nachtflugerlaubnis müssen die Fluggesellschaften für jeden einzelnen Flug grünes Licht beantragen. Wann das Nachtflugverbot wieder gelten soll, vermochte Junge-Reyer nicht zu sagen. Auf den Flughafen Schönefeld hat die Entscheidung keinen Einfluss: Er fällt in die Zuständigkeit der Brandenburger Behörden. Zudem gibt es dort derzeit ohnehin kein Nachtflugverbot.
Die Grünen-Verkehrspolitikerin Claudia Hämmerling kritisierte, der Senat mache es sich mit seiner Maßnahme zu leicht. "Ich habe volles Verständnis für die Passagiere, die nach Hause wollen", sagte sie der taz, "aber deswegen muss man nun nicht den Ausnahmezustand ausrufen. Jetzt einfach mal auf Kosten der Anwohner nachts durchzufliegen ist eine schlechte Idee." Auch Martin Schlegel vom BUND äußerte sich skeptisch: Einschränkungen des Nachtflugverbots sollte man möglichst vermeiden. Hämmerling regte an, stattdessen tagsüber jene deutschen Flughäfen zu nutzen, über denen der Luftraum frei sei von Asche. Das lasse sich vorausberechnen, sagte sie. Langfristig müsse man sich von der Abhängigkeit vom Flugverkehr befreien und viel stärker in den Zugverkehr investieren.
Auf die Berliner Feinstaubwerte hat sich der Isländer Vulkanausbruch bislang nicht ausgewirkt. Die Messwerte an der Frankfurter Allee lagen am Dienstag wie schon tags zuvor deutlich unter dem Grenzwert. Das Umweltbundesamt in Dessau hatte zuvor auf stark gestiegene Werte hingewiesen. BUND-Experte Schlegel: "Da haben wir im Winter ganz andere Werte gehabt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen