Tour de France 2009: Keine Helden ohne Doping
Die Organisatoren haben es aufgegeben, nach dopingfreien Helden zu suchen. Sie werden auch künftig auf einen wie Alberto Contador setzen, den Tour-Sieger.
Pedalumdrehungen sind wichtig. Wichtiger noch ist das Wort. Jedenfalls dann, wenn man ein Toursieger ist. Sehr souverän hat Alberto Contador die Tour de France gewonnen. Der Spanier war der Beste von allen, am Berg, im Zeitfahren und selbst in taktischen Fragen. Er hat sich nicht nur auf Frankreichs Straßen erfolgreich der Attacken der Schleck-Brüder erwehrt. Er hat auch das "Rennen im Hotel" - so nannte er im spanischen Fernsehen die teaminterne Auseinandersetzung mit Lance Armstrong - gewonnen. Mit Instinkt, Frechheit und physischer Stärke hat er Armstrong und Klöden, die sein Teamchef Johan Bruyneel noch in der Hand zu halten glaubte, auf Distanz gehalten. Contador hat, nachdem der teaminterne Strauß ausgefochten war, Großmut walten lassen und Armstrong bei der Verteidigung des dritten Podestplatzes am Mont Ventoux unterstützt.
Er hat sogar einen Arm jubelnd hochgerissen, als er beim Blick über die Schulter erkannte, dass Armstrong dieses Ziel erreicht hatte. "Es freut jeden Sieger, wenn er unter den Besiegten große Männer findet", erklärte Contador diese emotionale Anwandlung.
Diese beiden Auseinandersetzungen hat Contador vornehmlich allein gegen alle anderen geführt. Bei seinem dritten Kampf hatte er Unterstützung. Bei der traditionellen Siegerpressekonferenz wurde Contador gleich von drei Dolmetschern und einem Pressesprecher eskortiert. Der offizielle Tour-Dolmetscher, der private Pressesprecher Contadors, der gewöhnlich für ihn übersetzt, der offizielle Pressesprecher des Teams Astana und der vom Tourorganisator ASO eigens auf die Bühne bemühte Redakteur der spanischsprachigen Ausgabe der Tour-Website nahmen neben Contador auf dem Podium Platz.
Sie wirkten als Filter zwischen Contador und der nicht-spanischen, also dem neuen Champion nicht blind ergebenen Journalistenwelt. Sie wägten jedes Wort, das an Contador gerichtet wurde. Sie steckten bei Fragen zum Thema Doping die Köpfe zusammen und diskutierten mit Contador, so dass es den Anschein hatte, sie schlügen ihm eine unverfängliche Sprachregelung vor.
Auf die Bitte, eine überzeugende Äußerung gegen Doping vorzubringen, meinte Contador mit Hilfe der anderen Zungen: "Ich stehe 365 Tage im Jahr den Kontrolleuren zur Verfügung. Die Kontrollen sind gut. Es wird viel Geld in den Antidopingkampf gesteckt. Der Radsport ist auf einem guten Weg."
Fast die gleichen Worte gebrauchte er, als er gefragt wurde, was es ihm bedeute, eine Tour gewonnen zu haben, die von keinem Dopingfall überschattet wurde. "Ich freue mich darüber, leitete er seine Antwort ein, um dann wieder auf die 365 Tage, das Kontrollsystem und den guten Weg zu sprechen zu kommen und schließlich noch die Ansicht zu äußern: "Ich glaube, die Mentalität im Peloton hat sich verändert".
Contador verpasste die Gelegenheit, plastische Beispiele für diesen Mentalitätswandel zu nennen. Er ließ die Chance aus, seine eigenen Leistungen trainingsmethodisch herzuleiten. Er warf kein Licht in die Puerto-Affäre. Er nutzte nicht einmal die Ankündigung, eine eigene neue Mannschaft um sich herum aufbauen zu wollen, zu der Selbstverpflichtung, diese Truppe ausschließlich aus unbelasteten Athleten zu rekrutieren.
Contador behauptete vielmehr jene Rückzugslinie, die inzwischen auch die Tourverantwortlichen wieder eingenommen haben: Die Kontrollen sind prima. Sie sind zahlreich. Es ist gut, dass niemand erwischt wird.
Aus seiner Sicht hat Contador den Kampf mit den Worten gewonnen. Er ist nicht mehr der schüchterne junge Mann, der verstockt schweigt, wenn unangenehme Fragen kommen. Er entspricht damit dem Anforderungsprofil der Organisatoren.
Die haben aufgegeben, nach dem dopingfreien Siegertypen zu suchen. Sie setzen auf den, der Skandale vermeidet. Um ganz sicher zu gehen, haben sie ihm Wortwächter an die Seite gestellt.
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