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Berichterstattung Tour de FranceRadrennen als Reha-Maßnahme

Mit einem angemessen kritischen Unterton in der Berichterstattung von der Tour de France 2009 haben ARD und ZDF ihre Glaubwürdigkeit zurückerobert.

Rollen, als wäre nichts gewesen: das Fahrerfeld während der 19. Etappe der 96. Tour de France am Freitag. Bild: reuters

Vor zwei Jahren rutschte die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF ebenso in den Keller wie die der Radsportszene. Als sich bei der Tour de France Dopingfälle häuften, zogen die Sender, denen eine zu große Nähe zum Sport und vorsätzliches Schweigen über kriminelle Energien vorgeworfen wurde, die Notbremse und brachen die Übertragung des weltweit prominentesten Radrennens ab. Da hatten ARD und ZDF aber schon für die folgenden Jahre Verträge mit dem Tourorganisator, der ASO, geschlossen. So sahen sie sich gezwungen, die verseuchte Sportart weiter zu zeigen - bis heute.

Als sie im vergangenen Jahr wieder Liveberichte von der Tour ins Programm nahmen, sprach ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender davon, wie schmerzhaft es gewesen sei auszusteigen, weil die Senderechte doch so viel Geld gekostet hätten. In seiner Lieblingsrolle als Mann mit Rückgrat sagte er aber auch: "Der höhere Wert zieht - und das ist die Glaubwürdigkeit." Die gestern beendete Tour de France 2009 hat bewiesen: ARD und ZDF haben sich diese zurückerobert.

Von den berüchtigten Journalisten, die bloß Fans sind, die es hinter die Absperrung geschafft haben, war nicht mehr viel zu sehen. Die Sendungen beider öffentlich-rechtlicher Sender prägte vielmehr durchweg ein kritischer Unterton, der nicht penetrant wirkte, sondern schlicht angemessen. Immerhin tourte Lance Armstrong als neuer Saubermann mit - und äußerte sich ebenso konsequent nicht zu Doping wie der diesjährige Tour-Frontmann Alberto Contador.

Während die Strukturen beim ZDF schon länger dafür sorgten, dass die Tour nicht mehr grenzenlos bejubelt wurde, zeigte sich nun auch die ARD rehabilitiert. Das ist wohl der größte Erfolg in dem langjährigen Prozess des Umdenkens in den Sendern: Beiträge, in denen etwa die noch immer zu laxe Praxis des Radsportverbandes UCI in der Ahndung von Doping skizziert wurden, kamen diesmal nicht nur von der in Köln angesiedelten ARD-Dopingredaktion, sondern vom Toursender selbst, dem Saarländischen Rundfunk.

Diesen Wandel haben sie auch in Köln festgestellt. Dort sehen sie mit Genugtuung, wie sehr sich der SR müht, eine Distanz zu der für den Sender wichtigsten Sportart zu halten. So konnte ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt die Tour wie geplant nach der ersten Woche verlassen - um gegen Ende für ein Fachgespräch wieder einzufliegen.

Alte Probleme

Blöd für ARD und ZDF: Zwar nehmen sie die kriminellen Energien im Radsport und dem daraus gewachsenen Drogenmissbrauch ernst, die Sportart selbst gab sich indes auch bei der jüngsten Tour widerwillig: ARD und ZDF zeigten in eindringlichen Beiträgen wie dem von Daniel Pontzen im "heute journal" und von Hermann Valkyser in der ZDF-Tour-Sendung, wie lax die ASO und der Weltradsportverband UCI die Sache mit den Dopingkontrollen noch immer handhaben.

Der größte journalistische Beitrag der ARD versteckte sich wiederum bei "Monitor". Dort zeigte das Rechercheduo Florian Bauer und Jochen Leufgens, wie einfach neueste Dopingpräparate noch immer zu haben sind: kinderleicht und bezahlbar, sogar für Amateure. Und von den Kontrolleuren bisher nicht zu entdecken. Genau das ist der richtige Ansatz: Dem Sport nicht nur in den Livestrecken an den Kragen zu gehen, sondern breit gefächert im gesamten Programm. Nach diesem Prinzip arbeitete auch das ZDF: "Frontal21" zeigte ebenfalls in einer seiner jüngsten Sendungen, wie nachlässig Verbände mit den Kontrollen umgehen.

All das zeigt, wie verfehlt die Kritik des Sportministers Wolfgang Schäuble (CDU) an den Tourberichten von ARD und ZDF war. Schäuble hatte während der Tour 2009 gesagt, es sei "unglaublich", dass ARD und ZDF immer noch "stundenlang" die Tour übertragen. Zum einen haben ARD und ZDF ihr Tour-Engagement auf das vertragliche Minimum reduziert, zum anderen haben die vergangenen drei Wochen gezeigt, wie ernst es beiden Sender inzwischen ist, einer Sportart nicht einfach eine gebührenfinanzierte Spielfläche zu bieten, sondern sie trotz der vertraglichen Abhängigkeit kritisch unter die Lupe zu nehmen.

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9 Kommentare

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  • O
    ole

    @Mirjam Fischer hat es ganz gut auf den Punkt gebracht. Ich muß allerdings zugeben, daß ich während der diesjährigen Tour nur einmal ARD gesehen habe. Diese Etappe allerdings hat mich erneut bestätigt und ich wurde gleichzeitig wieder an die grauenvolle Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Peking erinnert.

    Mal ganz abgesehen davon, wie laaaangweilig und lieblos die Etappe begleitet wurde...

     

    Ich jedenfalls verstehe unter kritischem Journalismus nicht, daß ein "Kommentator" plötzlich zum "Blutspezialisten" mutiert und dem Zuschauer etwas von einer Sache vorstammelt, die er offensichtlich selbst nicht ganz verstanden hat. Nur, damit auch hierzu und dazu noch was gesagt wurde. Dann liebr mal die Klappe halten.

  • DB
    Daniel Bouhs

    Genau, liebe Kollegin Fischer. In der "taz" darf prinzipiell nur stehen, was anti ist. In diesem Fall also: Anti-Tourberichte. Wissen Sie, ich habe an dieser Stelle ARD/ZDF sehr intensiv für ihre bisher zu laxe Berichterstattung getadelt, werfen Sie doch mal einen Blick ins Archiv. In diesem Jahr meine ich aber, endlich eine positive Entwicklung registriert zu haben. Da finde ich es nur angemessen, den Sendern auch mal ein Lob auszusprechen, zumal Politiker offensichtlich die Sender weiter kritisieren, ohne die Sendungen je gesehen zu haben, über die sie sprechen. Zudem: Dass ARD/ZDF bei der Tour aufgewacht sind heißt nicht, dass bei den anderen Sportübertragungen alles gut ist. Ihren Punkt mit dem Frauen-Triathlon teile ich deshalb: Den Sendern steht noch immer ein weiter Weg bevor. Und: Ob ARD/ZDF nun wieder stundenlang die Tour zeigen sollten oder ihr Engagement auf das vertragliche Minimum reduzieren sollten, ist gewiss ein streitbares Detail. Ich persönlich tendiere wie beschrieben dazu, den Ball vorerst möglichst flach zu halten.

  • Y
    yoda

    Ich habe die Tour-Berichterstattung von ARD/ZDF in diesem Jahr nach den ersten Etappen weitestgehend ignoriert. Das was da an sogenannten kritischen Journalismus kam, war zum größten Teil nachgekaute Geschichten, die andere französische Medien sauber recherchiert und aufgearbeitet hatten, das aber leider nicht auf dem Mist der öffentlich-rechtlichen Sender gewachsen war, hätte man sich aber genauso gewünscht. Mein persönlicher Gipfel der Peinlichkeit war dann der Versprecher des ZDF-Manns Yorck Polus, als er versuchte, über den exorbitant hohen errechneten VO2max-Wert zu referieren, den Contador auf dem Weg nach Verbier gehabt haben soll. Die Geschichte war schon seit Tagen auf dem Markt, er holte sie vor wie eine neue und offenbarte dabei, dass er offensichtlich überhaupt nicht verstanden hatte um was es da ging. Ich jedenfalls habe die diesjährige Tour bei eurosport genossen und war Gott sei Dank offenbar nicht der einzige:-))

  • MF
    Mirjam Fischer

    Ich oute mich: Selbst jahrelang Radsportautorin (manchmal für die taz), jetzt Wirtschaftsredakteurin (ich bin jung und brauche Geld - wenn das vorbei ist, komme ich zurück). was ich sagen will: ich bin enttäuscht davon, dass ein Artikel mit diesem Tenor in der taz gedruckt wurde. Schade! Wo ist die Glaubwürdigkeit von wem, bitte? Nach der Ventoux-Etappe musste man auf ARD (nach einer unsäglich langweiligen TdF-Berichterstattung) in allen Einzelheiten Frauen-Traithlon gucken. Alles ganz wunderbar, kein Wort über den dopingverseuchten Sport, lauter nette Mädels in Hamburg! Ist doch albern.

     

    Die taz war nie Mainstream - jetzt ist es soweit. Auch über den kranken Radsport kann man sportlich und differenziert berichten, ohne Zeit zu kürzen und Mitläufer-Aktionismus zu betreiben, aus lauter Angst, die renommierten Kollegen von SZ oder FAZ schauen einen am nächsten tag schief an. Traurig! Wo sind die originellen Scheiber und Ideen bloß alle hin?

  • O
    ole

    Nachtrag

     

    Mir persönlich ist es eh egal, ob und wie ARD/ZDF von der Tour berichtet. Da haben andere Sender mittlerweile mehr Kompetenz, ebenso bei Fußball, Schwimmen, Leichtathletik etc.

     

    Außerdem spezialisiert man sich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gerade darauf, Polit-Talkshows mit durchschnittlich 1/3 Lobbyisten als Gäste in den Vordergrund zu rücken, lächerliche Soaps mit lächerlichen Quoten anzupreisen, die Gebührenzahler mit "Ich kann Kanzler" volkszuverdummen; Und natürlich, zweitklassige Profiboxkämpfe am Samstag sowie Wetten-Dass vom Ballermann sind ja auch noch super elementar... da bleibt eh kaum noch Zeit für andere Dinge.

  • O
    ole

    @fernsehzuschauer

     

    Das stimmt nicht. Eurosport informiert sehr wohl. Allerdings unterlassen Sie die ständigen Spekulationen. Man kann dort selbstverständlich Fakten zum sportlichen Teil, als auch zu den Begleiterscheinung erfahren. Man muß nur zuhören. Und die meisten Radsportfans sind intelligent genug und können sich ein eigenes Bild machen und benötigen keine Reporter, die ihnen sagen, wer gut und wer schlecht ist.

     

    Wer eine Fußball-WM oder die Olympischen Spiele überträgt, sollte auch das drittgrößte Sportereignis der Welt, die Tour übertragen.

    Alles andere ist Unsinn.

  • F
    fernsehschauer

    @ole

     

    eurosport ist nett, wenn man einfach nur sport sehen will, wenn man sicha aber ein bisschen mehr damit befassen will, kommt mir da zuwenig kritisches.

     

    aber zu ard und zdf:

    ich fand das dieses jahr wirklich gelungen, gerade wenn der doping-könig armstrong mitfährt und ein contador, der wirklich so dermassen dominiert, ist kritischer journalismus gefragt.

     

    sonst wars halt echt nur noch tour hier tour da, man konnte fast den ganzen tag + abends zusammenfassungen schauen auf den beiden kanälen.

     

    das passt schon so wie es dieses jahr war, finde ich.

     

    (contador war ganz sicher gedopt, werden wir aber erst in einem halben jahr oder so verzögert wie beim giro d'italia mitbekommen (stichwort di luca).

     

    und dann?

  • MM
    Marion Manneck

    Seit Jahren sehe ich mir keine Sportsendungen mehr an. Heute gibt es kaum noch eine saubere Sportart.

    Es gibt so viele Amateure und Profis, die dopen. So lange es in der Gesellschaft zum Teil anerkannt und zum großen Teil geduldet wird, wird es kaum noch sauberen Sport geben.

    Die Amateure, die dopen, verteilen ihre durch Medikamentenmissbrauch verursachten Krankheiten auf die Allgemeinheit. Darüber schreiben od.berichten wenige Journalisten, wenn die Krankenkassenbeiträge wieder steigen. Dann sind es wieder die übergewichtigen.

  • O
    ole

    Hmm, sehe ich anders. Die meisten Radsportfans sehen die Tour mittlerweile auf eurosport. Dort gibt es übrigens auch kritische Bemerkungen zum Thema Doping. Allerdings wir der Zuschauer nicht bevormundet und belehrt, was GUT und BÖSE ist und die Kommentatoren bekommen den Spagat zwischen dem sportlichen Teil der Tour und dem Thema Doping deutlich besser hin.