Totalverweigerung: Frechheit siegt
Weil er ohne politische Gründe oder Gewissensnöte den Zivildienst geschwänzt hat, bekommt ein Wehrpflichtiger aus Bremen die volle Milde des Gesetzes zu spüren. Dabei steht auf das Delikt eigentlich Freiheitsstrafe.
Am Ende steht ein mildes Urteil. Nein, sogar das wohl mildeste Strafmaß, das ein deutscher Richter verhängen kann, wenn ein Tatbestand erwiesen, unbestritten und bereits zum wiederholten Male erfüllt ist: Verwarnung mit Strafvorbehalt heißt das. Oder salopp: Geldstrafe auf Bewährung. Wenn sich Mark B. zwei Jahre lang nichts zu schulden kommen lässt, muss er selbst die 50 Tagessätze à 15 Euro nicht zahlen, die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Bremen für angemessen halten.
Das ist erstaunlich. Denn auf das Vergehen von Mark B. steht eigentlich Freiheits-, nicht Geldstrafe - bis zu fünf Jahre, so fordert es Paragraf 53 des Zivildienstgesetzes. Und gegen den hat der 24-Jährige verstoßen, bereits zweimal: Im Jahr 2007 ist er nicht im Krankenhaus in Neustadt am Rübenberge angetreten, und im Februar 2009 nicht im Jugendgästehaus zu Duderstadt.
Es ist auch ein sehr seltenes Delikt: "Wir führen darüber keine Statistik", sagt ein Sprecher des Bundesamtes für Zivildienst (BAZ). Geschätzt werde, dass es "in den letzten fünf Jahren nicht mehr als zwei Fälle waren, bei denen ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer auch den Zivildienst verweigert hat".
Einen Totalverweigerer könnte man Mark B. nennen. Bloß hat der Begriff einen so politischen Beiklang. Und der passt zu Mark B. überhaupt nicht. "Zivildienst muss irgendwie nicht sein", erläutert er nach der Verhandlung, draußen auf dem Flur. Er feixt. Schließlich gebe es ja genügend Arbeitslose.
Drinnen ist er nicht weniger freimütig: "Wenn ich das Geld an zwei Wochenenden in ein paar Stunden zusammenkriege", so erläutert er dem Richter sein Fernbleiben vom Dienst, "das ist doch besser als dafür vier Wochen lang fünf Tage zu arbeiten." Er lebt bei seinem frühverrenteten Vater und der Mutter, die in einer Fabrik arbeitet. Auf "ein- bis zweitausend Euro" hat Mark B. sein monatliches Einkommen selbst geschätzt. "Das schwankt", sagt er, und unterstreicht die Worte mit der linken Hand. Die Uhr sieht vielleicht teurer aus, als sie ist.
Von monatlich 1.000 Euro lässt sich gut leben, zumal wenn das Einkommen steuerfrei bleibt. Schließlich ist es ja illegal: Mark B. bestreitet seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben durch Sportwetten im Internet, "Fußball", präzisiert er, "Barcelona und so". Das könne nicht jeder. Vor allem ist es auch nicht jedem erlaubt: Wetten sind Glücksspiel, und Glücksspiel im Internet ist in Deutschland verboten. Juristisch fällt die Teilnahme an verbotenem Glücksspiel unter die Rubrik "strafbarer Eigennutz". Sie kann mit bis zu sechs Monaten Freiheitsentzug geahndet werden.
Dem Richter scheint das nicht bewusst, und dem Staatsanwalt fällts nicht auf - wie er ohnehin nicht so ganz bei der Sache wirkt: Die Anklageschrift - ups! - die hat er völlig vergessen, muss er sie sich halt mal beim Vorsitzenden borgen. Damit alles seine Ordnung hat.
Trotzdem: Einnahmen aus einer gewohnheits-, wenn nicht gar erwerbsmäßig begangenen Straftat als Berechnungsgrundlage für eine Geldbuße zu nutzen und diese noch dazu zur Bewährung auszusetzen - das bleibt ein Kuriosum.
Möglicherweise sind beide davon beeindruckt, dass der Nachwuchs-Zocker auf einen Anwalt verzichtet hat. Und dann hat er auch noch eine Geschichte in petto: Beim ersten Mal war er bei Verwandten auf den Philippinen, um Urlaub zu machen. Dort sei dann im Mai 2009 - oder war es doch 2008? - sein Sohn geboren. Es war doch 2008, zwei Jahre ist er jetzt, für den er sorge. Und heiraten wolle er die Mutter des Jungen auch.
Damit hat Mark B. auch seinen Antrag auf Befreiung vom Dienst begründet. Im Januar 2009 war das. Urkunden hat er weder für die Existenz des Kindes noch der Verlobten vorlegen können. Aber manchmal reichts ja auch, gut zu bluffen.
Das Urteil ist rechtskräftig. Und für Mark B. ist die Geschichte echt preisgünstig erledigt, und schnell: bald hat er Geburtstag. Grundsätzlich, so das BAZ, "kann er bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres herangezogen werden", danach nicht, auch als Totalverweigerer. Logisch. Steht ja so im Gesetz. Und das gilt für alle.
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