Toni Polster über den Streit um Tore: „Ich will ja nichts geschenkt“
Der Ex-Profispieler Toni Polster ist eine Legende, nicht nur in Österreich. Jetzt macht er mit einem skurrilen Prozess gegen seinen Fußballverband auf sich aufmerksam.
taz: Herr Polster, wie geht es Ihnen?
Anton „Toni“ Polster: Gut, danke. Alles gut, Gott sei dank wieder.
Sie haben den Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) verklagt wegen der fehlenden Anerkennung dreier Tore, die Sie für Österreich in vermeintlich inoffiziellen Länderspielen geschossen haben. Als die Klage bekannt wurde, erlitten Sie einen Magendurchbruch, der Sie fast das Leben gekostet hätte. Küchenpsychologisch könnte man sagen, dass Ihnen das alles ziemlich auf den Magen geschlagen ist.
Das hat sicherlich auch dazu geführt, ja. Es gab mehrere Faktoren, das sagten ja auch die Ärzte. Stress, Ärger gehörten dazu.
Und jetzt geht es besser?
Der Mensch:
Toni Polster, 60, ist Rekordtorschütze der österreichischen Nationalmannschaft. In seiner aktiven Laufbahn als Spieler spielte er u. a. bei Austria Wien, dem FC Sevilla und in der Bundesliga beim 1. FC Köln und bei Borussia Mönchengladbach.
Der Fall:
Im Herbst 2023 verklagte er den ÖFB auf Anerkennung dreier „inoffizieller“ Länderspiele, in denen er insgesamt drei Tore geschossen hätte. Der Fall ist knifflig, da sich die Fifa nicht zuständig fühlt und es zu Unregelmäßigkeiten in diesen Spielen gekommen war.
Es ist alles gut verlaufen, ich sehe positiv in die Zukunft. Ich versuche jetzt natürlich, gesünder zu leben. Einige Sachen besser zu machen. Nicht mehr so fett essen, wenig bis gar keinen Alkohol. (Vor ihm steht eine Halbliterflasche Cola und ein Espresso.)
Wie sieht es mit Sport aus?
Ich spiele viel Tennis.
Fußball?
Na, Fußball nicht mehr.
Was versprechen Sie sich von der Entscheidung vor dem Wiener Landesgericht am 17. Mai?
Es wäre schön, wenn es am 17. Mai schon eine Entscheidung gäbe. Ich weiß aber nicht, ob die Verhandlung da schon zu Ende sein wird. Ansonsten verspreche ich mir, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Ich will ja nichts geschenkt bekommen. Ich habe diese drei Tore geschossen. Und sie zählen halt nicht. Warum, weiß kein Mensch.
Es geht um Anerkennung. Fühlen Sie sich auch vom ÖFB zu wenig anerkannt?
Das interessiert mich nicht. Ich habe da keine Berührungspunkte mehr. Es gibt noch die Länderspiele, da kriegen die Legenden noch ein Ticket. Aber allein gehe ich nicht zu den Länderspielen, ich würde ja mit meiner Frau hingehen wollen. Und die müsste dann zahlen.
Schauen Sie sich die Länderspiele jetzt im Fernsehen an?
Ja, natürlich. Der ÖFB war meine große Liebe, jahrzehntelang. Meine größten Träume waren mit dem ÖFB verbunden. Die habe ich mir erfüllt, und jetzt hat jede Partei andere Interessen. So sehe ich das.
Noch sind Sie ja Rekordtorschütze beim österreichischen Nationalteam. Mit Stand jetzt 44 oder dann eben 47 Toren. Was würde passieren, wenn Marco Arnautović , der jetzt bei 36 steht, sagen wir nach der EM in Deutschland 48 Tore geschossen hat?
Das wäre super. Das würde heißen, dass er viele Tore macht. Dass Österreich erfolgreich ist. Mit Arnautović hat meine Klage überhaupt nichts zu tun. Das hat mir schon vor 20 Jahren gestunken, dass die Tore nicht anerkannt werden. Es waren normale Länderspiele mit Hymnen und normalen Schiedsrichtern und den normalen Dressen (österreichisch für Nationaltrikots) und allem. (Beim Spiel in Tunesien, bei dem er zwei Tore geschossen hat, wurde ein tunesischer Linienrichter eingesetzt.)
Es waren andere Zeiten damals. Dass es Länderspiele gab, die an der Fifa vorbei organisiert wurden, weil der ÖFB nur eine bestimmte Anzahl von offiziellen Länderspielen durchführen wollte, auch wegen der Vereine und den entsprechenden Abstellungsklauseln, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Der ÖFB hat das erfunden: Sie haben es inoffizielle Länderspiele genannt, aber es gibt ja keine inoffiziellen Länderspiele. Es gibt nur Bewerbspiele oder Freundschaftsspiele. Es ist also nicht einzusehen. Wir haben eine Prämie bekommen und den offiziellen Ausgehanzug des ÖFB. Alles war wie sonst auch.
Es war weniger Geld im Umlauf als heutzutage. Stimmt es Sie eigentlich traurig, dass Sie diese Weltkarriere im Fußball schon hinter sich haben, statt sie jetzt noch machen zu können?
Wir haben auch gut verdient früher. Ich schaue eher nach vorne als nach hinten.
Sie haben sich bei der Wiener Viktoria seit 2011 mit einer Unterbrechung Ihr eigenes Idyll geschaffen, als Trainer und Gesicht des Klubs, mit Schlagerpartys und Bierzeltatmosphäre nach dem Spiel und großem sozialen Engagement (u. a. Unterstützung von Obdachlosen) des Vereins, der in der dritten Liga spielt. Ist das alles gut so oder würden Sie doch mal wieder woandershin wollen?
Jetzt nicht mehr. Früher habe ich gedacht, dass meine Karriere als Trainer so verlaufen würde wie die als Spieler, aber jetzt nicht mehr. Ich habe auch keine Lust mehr, mich irgendwo auf der Tribüne zu zeigen, wenn unten ein Trainerstuhl wackelt. Das ist alles nicht mein Ding.
Ligakonkurrent Wiener SC baut bald ein neues Stadion und wird danach höhere Ambitionen hegen. Wie sieht es bei der Viktoria aus?
Wir haben diese Pläne auch, müssen sie nur umsetzen. Es gibt ein neues Trainingsgelände, nicht weit von hier. Und wir wollen mittelfristig aufsteigen, in die zweite Liga. Weiter denken wir nicht.
In Köln werden Sie trotz Ihres Hochverrats damals – dem Wechsel nach Gladbach – immer noch verehrt.
Ich hatte damals keine andere Wahl. Der FC hatte mir einen Posten im Klub nach der Karriere versprochen. Er hätte mich also nicht hergeben brauchen. Ich hatte auch einen Vertrag für die zweite Liga. Dann war ich froh, für einen zweiten Traditionsverein spielen zu dürfen. Anders wäre es gewesen, wenn beide in der ersten Liga geblieben wären. Für mich war es so einfacher. Gladbach war nicht weit. Ich habe die Kinder in der Schule lassen können, ich musste nicht wieder umziehen. Umgezogen bin ich oft genug. Von daher war es das Beste.
Und was meinen Sie, wie weit wird Österreich kommen bei der EM?
Der Rangnick macht das sehr, sehr gut. Ich bin froh, dass er geblieben ist. Aber das Verletzungspech momentan ist eine Katastrophe. Wenn man davon ausgeht, dass Frankreich durchmarschieren wird, werden wir gegen Holland ums Weiterkommen spielen müssen. Und die Polen muss man auch erst mal schlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?