: Tom Waits op platt
■ Der Autor, Regisseur und Übersetzer Hans Peter Renz setzt für das Niederdeutsche Theater auf ungewöhnliche Kombinationen
Niederdeutsches Theater? Da denkt man an schlagende Türen. An tümliche Chargen. An Bauernschwänke und Boulevard-Klamauk. Doch es gibt auch Theaterleute, die denken dabei nicht mit. Hans Peter Renz ist einer von ihnen. Im kommenden Jahr will der Autor, Regisseur und Übersetzer auf dem Osterholzer Gut Sandbeck eine niederdeutsche Fassung von Carl Maria von Webers „Freischütz“ inszenieren. Ein Stück mit Musik von Tom Waits. Ein Musical irgendwo zwischen Persiflage und Robert Wilsons „Black Rider“. Und Renz ist überzeugt, daß es funktioniert.
Schon vor Jahren hat sich Hans Peter Renz entschlossen, seinen ganz eigenen Weg zu gehen. Das brauchte Mut, schließlich hatte er ursprünglich in einer absolut konventionellen Branche gearbeitet. „Langjähriger Leiter der Expeditionsabteilung eines Bremer Import-Export- und Kaffeehandelshauses“, schreibt er in seinem Lebenslauf. Doch mit immerhin 38 Jahren wirft Renz die bürgerliche Karriere auf den Plunderhaufen und entschließt sich, seiner Theaterleidenschaft nachzugehen.
Nach der Kündigung wird er Regieassistent am Theater, lernt bei Quadflieg, Boy Gobert, Kurt Hübner und Rudolf Noelte. Doch für den Späteinsteiger ist die Schauspielerei nicht etwa eine luftige Blume der Selbstverwirklichung, sondern vor allem Handwerk. Kein Wunder also, daß er sich bald auf regionale Besonderheiten bezieht. Renz entdeckt das Niederdeutsche Theater. Hier gibt es ein Betätigungsfeld, das nicht modisch verstellt ist. Im Gegenteil, wer sich hier engagiert, hat eine gute Chance, durch bloße Aktivität Neuland zu entdecken. Und wer gar künstlerische Ansprüche umzusetzen gedenkt, der ist hier schon Avantgarde. Hans Peter Renz scheut sich nicht, seine Meinung zu sagen: „Diese ganzen Speeldeels können Sie vergessen“.
Die ewige Diskussion um die Entwicklung des plattdeutschen Volkstheaters sieht er gelassen. Nein, diese englischen Boulevardstücke, die einfach ins Niederdeutsche verpflanzt werden, sind nichts. Dem Defizit an wirklich guten Theaterstücken steht ein großer Bedarf an Texten für die niederdeutschen Bühnen gegenüber. Was ist zu tun: Übersetzen oder selber schreiben. Renz macht beides. Mit Erfolg: Die Niederdeutschen Bühnen von Flensburg bis zum Oldenburgischen Staatstheater spielen die Übertragungen dankbar. Denn diese sind keine sturen Übersetzungen, sondern sprachgeschliffen: „Ich probiere die Dialoge laut“.
Die Auswahl der Stücke zeigt Renz' Geschmack für „Sozialkritisches“. „Starke Frauen“ in den niederdeutschen Stücken zu haben, das ist ihm Ehrensache, schließlich ist das seine Lebenserfahrung: „Die Frauen auf dem Land sind äußerst emanzipiert. Die müssen ja den Laden schmeißen.“ Keine könne da die Püppchen- und Opferrolle einnehmen, die ihnen in den Boulevardstücken zugedacht wird.
In der näheren Umgebung kennt Renz die Akteure der niederdeutschen Bühnen mittlerweile und hat mit vielen schon gearbeitet. Das kann äußerst hilfreich und ökonomisch sein, wenn es um die Besetzung geht. „Der Vorteil dieser Schauspieler ist einfach, daß es ihnen wirklich ums Spielen geht, sie keine weiteren Eitelkeiten befriedigen wollen. Das macht die Arbeit produktiv und viel Spaß.“
Diese Erfahrung habe ihn auch zu seinem neuen Projekt ermutigt, dem „Bluutschuß“. Gleich doppelt ironisch geht die Inszenierung mit einem der erfolgreichsten und eingängigsten Opernstoffe um, dem Freischütz. Die wüste Story von Magie und verhexten Schüssen wird schon durch den neuen Text verhohnepiepelt und durch die niederdeutsche Einfärbung weiter ins Komische gezogen. Doch dabei will Renz es nicht belassen. Videoeinspielungen sind ebenso geplant wie die Musik von Tom Waits. „Wir haben die Chance, endlich wieder junge Leute zu erreichen. Diese Chance werde ich nutzen.“
Susanne Raubold
Probenbeginnfür den „Bluutschuß“ Mitte Januar; Premiere am 3. Mai
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