■ Kommentar: Tödlicher Zeitdruck
Fast auf den Tag ein Jahr ist es her, daß die Malerin Käthe Ebner an der Baustelle des Kontorhauses in der Friedrichstraße von einem Stahlträger erschlagen wurde. Ebner war mit einem Fahrrad aus dem U-Bahnhof Stadtmitte gekommen, als sie von dem 200 Kilo schweren Träger getroffen wurde, der sich von einem der drei Kräne an der Baustelle gelöst hatte. Für den Investor Hanseatica war der Fall von vorneherein klar: Nicht die Hanseatica sei für den „Unfall“ verantwortlich gewesen, sondern allein die beauftragten Subunternehmen.
Gestern nun ereignete sich ein weiterer Baustellen-„Unfall“, bei dem eine Unbeteiligte zu Tode kam. Wieder einmal wird der Baggerfahrer der Todesfahrer sein, wieder einmal wird sich der Investor herausreden. Wer allerdings das Baugeschehen der Stadt verfolgt, weiß, daß das Spiel mit dem Tod ein alltägliches ist. Kaum eine Baustelle, an der nicht, wie zuletzt am Comeniusplatz, tonnenschwere Gegenstände über nicht abgesperrten Gehwegen transportiert würden. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, daß die tagtäglichen Regelverletzungen nicht allein auf dem Mist der Subunternehmer gewachsen sind, sondern dem massiven Druck der Bauherren geschuldet sind. Die meisten Baufirmen sind nämlich nicht nur an den Einsparungen beteiligt, die dem Investor bei frühzeitiger Fertigstellung des Baus zugute kommen. Sie müssen auch zahlen, wenn sich der Bau, aus welchen Gründen auch immer, verzögert. Uwe Rada
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