Toasten per App: Der etwas andere Aufstand der Maschinen
Im smarten Ferienhaus wird jedes Gerät zur Herausforderung. Zwischen Toaster-Apps und Sprachbarrieren entfaltet sich ein Kampf: Mensch gegen Maschine.
D ie Aussicht war ein Traum, in den Zimmern hatte es Platz und überall gab es Netz. Das Blöde an dem Ferienhaus aber war, dass es mit dem Frühstück schwierig werden konnte, wenn wir vergessen hatten, das Telefon über Nacht zu laden.
Wer denkt sich auch so was aus: Toastersteuerung per App. Genauso wie die Toreinfahrt, die Beleuchtung, die Heizung, die Fensterläden. Alles smart. Zum Glück war die Dusche noch normal, unbenutzbar. Einen Mikrometer nach links: kochend heiß. Einer nach rechts: Blizzard.
Der Kühlschrank fragte die ganze Zeit, ob er noch Lebensmittel bestellen solle. Glaube ich zumindest. Zum Umschalten der Sprachsteuerung fehlte mir offenbar die Qualifikation und mein Spanisch ist leider ebenfalls muy malo. Dafür hat das Ding immer, wenn ich „Halts Maul!“ sagte, auch nur mit „Por favor, repita su instrucción!“ geantwortet. Schon nervig, aber wenigstens mit einer sehr angenehm sonoren Stimme. Man kann sich daran gewöhnen.
Die anderen im Haus waren der Muttersprache des Küchengerätes angeblich mächtiger als ich. Dellen und Fußabdrücke aber, die sich ab dem dritten Tag auf der mattweißen Haut der Kühlkombi materialisierten, erzählten die traurige Geschichte einer insgesamt schwierigen Verständigung. Am vierten Tag hatte jemand einen beinahe lebensgroßen Starschnitt von Schwarzeneggers Terminator auf das Ding geklebt. Den Aufstand der Maschinen hatte ich mir allerdings anders vorgestellt. 9 Uhr, Fenster auf, Bluetoothbox an, Meeresrauschen aus der Konserve. Alles automatisch. „Buenas dias“. „Halt’s Maul!“, „Gracias por la instrucción!“ Bitte was?
Gasherd, ganz normal
Völlig unvermittelt bekamen wir mehrere Paletten Hühnereier geliefert. Die Botin ließ sich auf keine Diskussionen ein. „Gibt dir das Leben Eier, machst du Omelette“, sagte Arvid gut gelaunt. „Äh, wo schaltet man den Herd an?“ Hilflos tippte und wischte er sich durch die App. Würdevollen Schrittes trat Claudia an den Gasherd und betätigte mit lockerer Dreh- und Druckbewegung den knackenden Selbstzünder. „Keine Ursache. Und danke fürs Kochen.“ Niemand kann so überzeugend gewaltfrei kommunizieren wie Claudia. Ich vertiefte mich lieber in meine Spanisch-Lernkarten. Ich war ja nicht zum Spaß hier, sondern um Maschinensprache zu lernen.
„Was schreibst du da?“, fragt Arvid und schaut mir ungeniert über die Schulter. „Ah, Toaster, Duschtemperatur … klassisches Comedy-Material. Wenn du jetzt noch herausfindest, dass Frauen ewig brauchen, ehe sie fertig sind zum Ausgehen, und Männer sie niemals verstehen werden, bringst du es vielleicht nochmal zu was und wirst richtig reich …“
Ich klemme beinahe seine Finger ein, als ich die Tür zuwerfe. Von der anderen Seite höhnt es lautstark: „Das Olympiastadion wartet auf dich!“
Ich greife nach meinem Telefon. „Terminar Arvid! Él es un miembro de la resistencia“, tippe ich in die App und höre umittelbar darauf aus der Küche die vertraute sonore Stimme: „Hasta la vista, Baby.“ Es geht voran.
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