Tiktok-Proteste in der JVA Tegel: „Vertrauliche Gespräche“
Gefangene der Berliner JVA Tegel hatten auf Tiktok miese Haftbedingungen angeprangert. Nun soll das Beschwerde-Management evaluiert werden.
![Ein Fenster mit Gittern und einer Kamera davor Ein Fenster mit Gittern und einer Kamera davor](https://taz.de/picture/6149770/14/99127157-1.jpeg)
Beteiligt daran seien auch „unabhängige Expert*innen“. Worüber genau gesprochen worden sei, wollte der Sprecher allerdings nicht sagen, der Inhalt sei vertraulich. Ergebnisse gebe es noch nicht. „Wir sind weiter im Austausch.“
Im Februar hatten Gefangene aus der Teilanstalt 6 drei kurze Filme auf der Videoplattform Tiktok veröffentlicht und unter anderem rassistische Diskriminierung im Gefängnis beklagt. Ausländische Gefangene dürften beispielsweise nicht arbeiten, außerdem gebe es „Kollektivstrafen“ für alle Gefangenen, und die Essensportionen seien kleiner geworden, seit die Teilanstalt 6 eine neue Leitung habe.
Einem Teil der Vorwürfe hatte die Senatsverwaltung bereits kurz nach Veröffentlichung der Videos widersprochen. Man weise aber nicht „pauschal“ alle Anschuldigungen zurück, sagte Kröger. Die Gespräche sind nun ein Teil der Konsequenz aus den Videos.
Möglichkeiten zur Beschwerde für Gefangene
Auf Nachfrage sagte Kröger nun, es habe „eine erste kritische Runde zur Evaluation der Beschwerdemöglichkeiten“ gegeben. Diese seien vielfältig: Die Gefangenen könnten sich mit ihren Wünschen, Anregungen und Beschwerden direkt an die Anstalt wenden. Darüber hinaus sei es den Gefangenen möglich, sich schriftlich oder mit einen Gesprächswunsch an die Aufsichtsbehörde zu wenden.
Ihnen sei außerdem der Gang vors Gericht möglich. Alle Justizvollzugsanstalten verfügten auch über einen Anstaltsbeirat, dem externe Ehrenamtliche angehören, meist Rechtsanwält*innen. Auch haben die JVAen sowie die einzelnen Teilanstalten Insassenvertretungen.
Die Vorwürfe seien mit der Interessenvertretung der Teilanstalt 6 besprochen worden. Weitere Gespräche seien geplant. „Nun soll unter anderem noch einmal geprüft werden, ob den Gefangenen die zahlreichen Beschwerdemöglichkeiten hinreichend bekannt sind“, sagte Kröger. Geklärt werden solle auch, ob sprachliche Barrieren bestehen oder niederschwelligere Beratungsangebote notwendig seien.
Noch keine neuen Videos
Im ersten Video waren etwa zehn Gefangene zu sehen, allerdings zeigte nur einer sein Gesicht. Im zweiten Video sagte er, er heiße David. Die ausländischen Mitgefangenen hätten ihm den Spitznamen Leopard gegeben.
Auf Nachfrage der taz – über Privatnachrichten auf Tiktok – erklärte er, das beziehe sich auf die deutschen gleichnamigen Panzer – aus Dank, weil er den ausländischen Mitgefangenen helfe.
Nach dem dritten Video endete die Serie. David aka Abu_Knast postete stattdessen ein Bild mit dem Text „Unser Handy wurde erwischt. Wir werden diese Woche noch ein neues besorgen. Dann kommen die nächsten Videos.“ Das war am 23. Februar. Offenbar ist es doch nicht so einfach, ein neues Handy zu „besorgen“. Auf Nachrichten im Chat antwortete David aber und erklärte, ein geliehenes Smartphone zu nutzen.
David widersprach im Tiktok-Chat gebenüber der taz den Angaben der Senatsverwaltung, es habe Gespräche mit den Gefangenen gegeben. Sie seien lediglich befragt worden, wer die Videos veröffentlicht habe. „Und fast alle Beteiligten wurden verlegt.“ Aus der Justizverwaltung hieß es stattdessen, es habe eine einzige Verlegung gegeben. Sprecher Kröger verwies darüber hinaus auf die andauernden Gespräche.
In den acht Berliner Gefängnissen sitzen derzeit rund 4.000 Menschen ein. Die JVA Tegel ist mit 900 Gefangenen die größte Haftanstalt für Männer. Die Zustände in den Berliner JVAen sind immer wieder Thema. Besonders katastrophal sind sie in der Teilanstalt II in Tegel. Diese soll, ebenso wie die Teilanstalt III, von Grund auf saniert werden. Auf der Brache der abgerissenen Teilanstalt I soll ein modernes Vollzugsgebäude errichtet werden.
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