Tierschützer raten von Wachteleiern ab: Problematische Delikatesse
Viele Supermärkte bieten zu Ostern Wachteleier an. Tierschützer*innen kritisieren die Haltung der Hennen. Manche könnten sich nicht mal hinlegen.
In einer Käfigbatterie habe eine Wachtel, die in etwa so groß wie eine Amsel ist, nur elf mal elf Zentimeter Platz. „Sie kann sich weder hinlegen noch die Flügel ausstrecken“, sagte Brakebusch. Wildlebende Wachteln verbingen ihr zufolge die Hälfte des Tages damit, im Sand zu baden, zu scharren und zu picken. Im Käfig jedoch stünden die Tiere permanent auf Gitterböden und bekämen pulverisiertes Futter. „Die Futteraufnahme ist viel kürzer als in der Natur, die Wachteln haben also den Großteil des Tages keine Beschäftigung.“ Das führe dazu, dass sie sich gegenseitig bepicken.
Hinzu kämen die gesundheitichen Folgen des übermäßigen Eierlegens. Laut Tierschutzbund legen Wachteln in der freien Natur zehn bis 15 Eier pro Jahr, Zuchtwachteln hingegen knapp 200 Eier – innerhalb von 38 Wochen. „Viele Hennen leiden unter Entzündungen von Bauchfell und Eileiter. Nach den 38 Wochen sind sie oft so ausgemergelt, dass gar keine andere Möglichkeit mehr besteht, als sie zu schlachten“, sagte Brakebusch.
Dass Wachteln hierzulande unter solchen Bedingungen gehalten werden dürfen, habe einen simplen Grund: „Es existieren keine gesetzlichen Vorgaben für die Haltung von Wachteln in Deutschland.“ Für Legehennen oder Masthühner gebe es die Hennenhaltungsverordnung. „Bei Wachteln findet dieses aber keine Anwendung“, sagte Brakebusch.
Ungültige Kennzeichnung auf Eierpackungen
Der Tierschutzbund fordert daher eine eigene Haltungsverordnung für Wachteln sowie eine gültige Kennzeichnung auf Eierpackungen, damit Verbraucher*innen nachvollziehen können, wie die Hennen gehalten werden. Denn die EU-Vermarktungsnorm für Hühnereier gelte nicht für Wachteleier. Wenn auf der Verpackung also „Bodenhaltung“ stehe, bedeute das nicht, dass die Wachteln genauso gehalten werden wie Hühner in Bodenhaltung. „Spezifische Vermarkungsnormen für Wachteleier bestehen EU-weit nicht, da die Wachtelhaltung in weiten Teilen der EU keine große Rolle spielt“, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium dazu mit.
Dieses Jahr würden Wachteleier häufig dem Aufdruck „Auslaufhaltung“ beworben, sagte Brakebusch. „Viele assoziieren damit frei laufende Hennen auf grünen Wiesen.“ Bei Auslaufhaltung könne es sich aber auch um einen kleinen unbeheizten Raum mit Streu handeln, zu dem nur dominante Tiere Zugang hätten, weil der Platz nicht für alle ausreiche.
Wachteleier aus „Auslaufhaltung“ sind zum Beispiel bei Kaufland und Combi erhältich. „Die Wachteln unseres Lieferanten können sich über die gesamte Nutzfläche frei bewegen, also flattern, scharren und baden. Zudem können sie sich in eine Ruhezone zurückzuziehen oder einen überdachten Auslauf nutzen“, schrieb eine Kaufland-Sprecherin.
Combi antwortete, dessen Lieferant halte 16 Wachtelhennen pro Quadratmeter. „Der Auslauf ist mindestens so groß wie die Stallfläche.“ Der Boden sei mit Sand bedeckt, durch die Stallaußenfront komme Tageslicht herein. „Zur Klimaverbesserung im Sommer befinden sich Vernebelungsdüsen an der Decke, die einen kühlenden Regen imitieren“, sagte Combi.
Edeka streicht Wachteleier aus Sortiment
Manche Edeka-Filialen verkauften bis Mitte März Wachteleier aus Bodenhaltung. „Als wir die Auslobung ‚Bodenhaltung‘ festgestellt haben, wurde der Artikel unmittelbar ausgelistet und dem Lieferanten eine weitere Auslieferung untersagt“, schrieb die Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover. In vereinzelten Märkten sei gegebenenfalls noch Restware erhältlich. „Wir haben den Einzelhandel nun erneut aufgefordert, die Ware aus dem Verkauf zu nehmen.“
Lidl, Rewe und die Metro gaben bis Redaktionsschluss keine Antwort, aus welchen Haltungsbedingungen die Wachteleier stammen, die sie verkaufen.
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