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Tierschützer fordern Wiesenhof-BoykottMehr Druck auf Puten-Quäler

Aktivisten starten eine E-Mail-Kampagne gegen den größten deutschen Geflügelfleischkonzern. Supermärkte sollen ihn wegen Quälerei von Puten boykottieren.

Kaum Platz zum Stehen: Puten in der Massentierhaltung. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach dem jüngsten Skandal um Tierquälerei bei Wiesenhof steigt der Druck auf Deutschlands größten Geflügelfleischlieferanten. Tier- und Umweltschützer appellierten am Freitag an die Bürger, die deutschen Einzelhändler zu einem Boykott von Wiesenhof- und anderen "Tierqual-Produkten" aufzufordern.

"Die Leute sollen Mails an Ketten wie Rewe, Edeka oder Aldi schreiben", sagte Agrarindustrieexperte Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) der taz. So äußerte sich auch die Umweltorganisation BUND. Einen ähnlichen Aufruf veröffentlichte der Bundesverband der Tierversuchsgegner auf seiner Internetseite.

Die drei umsatzstärksten Supermarktketten der Schweiz, Migros, Coop und Denner, hatten schon vor Tagen erklärt, keine Wiesenhof-Produkte mehr zu kaufen. Damit reagierten die Ketten auf Videoaufnahmen, auf denen von Wiesenhof beauftragte Mitarbeiter einer Fangkolonne Puten treten, durch die Luft schleudern und in Käfige auf einem Lastwagen werfen.

Bereits Anfang 2010 waren ähnliche Bilder aus einem Wiesenhof-Betrieb veröffentlicht worden. Der Konzern hat die aktuellen Anschuldigungen nicht bestritten, bisher aber nur erklärt, dass die Tierquäler nicht mehr für Wiesenhof arbeiten dürften.

Generelle Verbesserungen, etwa mehr Platz für die Tiere, soll es aber nicht geben. Dennoch wollten sich die größten deutschen Einzelhändler zunächst nicht auf einen Boykott von Wiesenhof festlegen. Die Nummer eins und zwei der Branche, Edeka und Rewe, etwa verlangten lediglich, dass die Vorwürfe aufgeklärt werden müssten.

Wiesenhof-Konkurrenten wie Emsland Frischgeflügel sind AbL-Aktivist Niemann zufolge keineswegs besser. Dennoch hält er es für richtig, nun den Marktführer zu boykottieren. "Wegen des neuen Skandals können wir jetzt Wiesenhof treffen.

Das hat einen Ausstrahlungseffekt auf die anderen Unternehmen, denn Wiesenhof ist das größte der Branche", erklärt Niemann. Wenn Wiesenhof die Haltungsbedingungen verbessert, wäre der Druck auf die Konkurrenz so hoch, dass sie folge müsse.

Auf andere Produkte ausweichen

Geflügelfleischkäufern rät Niemann, auf Bioprodukte auszuweichen. Die Vorschriften für die Ökotierhaltung garantierten mehr Platz und Auslauf als in der konventionellen Branche - auch wenn selbst einige Biobetriebe mittlerweile im industriellen Maßstab produzierten.

Eine preisgünstigere Alternative sei Ware mit dem Neuland-Siegel, das eine vorbildliche Haltung allerdings ohne Bio-Futter garantiere. Als vertretbar stuft Niemann ebenfalls die Tiefkühlfleisch-Marke Nature & Respect ein, deren Hähnchen laut Anbieter Kaufland im Freien gehalten werden.

Auch die Marke Privathof ist für den AbL-Fachmann ein akzeptabler Kompromiss, da sie auf eine langsamer wachsende Hähnchenrasse, geringere Besatzdichten im Stall und Auslauf im Wintergarten setzt. Niemann: "Privathof ist zwar von Wiesenhof, aber da springen wir mal über unseren Schatten."

Der BUND sieht auch Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) in der Pflicht. "Sie muss beliebige Tierwohl-Label und irreführende Markennamen wie ,Wiesenhof', verbieten, die Bauernhofidylle suggerieren", sagte Agrarexpertin Reinhild Benning.

Nötig seien ehrliche Kennzeichnungsregeln, damit Verbraucher Fleisch aus Massentierhaltung leicht erkennen können. Zudem solle Aigner dazu beitragen, dass Subventionen für die industrielle Fleischproduktion - etwa für Schlachthöfe - gestoppt werden. Stattdessen müssten Bauern mehr bekommen, die besonders tier- und umweltfreundlich wirtschaften.

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25 Kommentare

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  • DG
    Dagmar Großer

    Es ist nicht so, daß Bio oder sowas teurer ist. Das teure ist, daß wir alle zuviel wegwerfen und zwar unser eigenes Geld. Man muß gut planen beim Einkauf, am besten die ganze Woche und immer alle Reste gut verarbeiten, nichts wegwerfen, was Geld gekostet hat.Von einem Huhn kann man so viele Mahlzeiten bereiten... Flügel und ein schöner Salat... Filet mit frischem Gemüse.... aus den Abschnitten Geschnetzeltes... und aus alles Resten Brühnudeln.Das reicht fast ne Woche. Oft jammern auch die Leute wegen geld, die aber zum teuren Friseur gehen oder sich die Fingernägel ankleben lassen. Man muß wissen was einem wichtiger ist, eine Haarverlängerung oder gutes, natürliches Essen. Dann merkt man Bio ist nicht teurer... gute Ernährung macht auch schön!

  • DG
    Dagmar Großer

    Es ist nicht so, daß Bio oder sowas teurer ist. Das teure ist, daß wir alle zuviel wegwerfen und zwar unser eigenes Geld. Man muß gut planen beim Einkauf, am besten die ganze Woche und immer alle Reste gut verarbeiten, nichts wegwerfen, was Geld gekostet hat.Von einem Huhn kann man so viele Mahlzeiten bereiten... Flügel und ein schöner Salat... Filet mit frischem Gemüse.... aus den Abschnitten Geschnetzeltes... und aus alles Resten Brühnudeln.Das reicht fast ne Woche. Oft jammern auch die Leute wegen geld, die aber zum teuren Friseur gehen oder sich die Fingernägel ankleben lassen. Man muß wissen was einem wichtiger ist, eine Haarverlängerung oder gutes, natürliches Essen. Dann merkt man Bio ist nicht teurer... gute Ernährung macht auch schön!

  • R
    reblek

    Die Firma "Kaufland" ist von der Verbraucher Initiative als "Nachhaltiges Einzelhandelsunternehmen 2011" ausgezeichnet worden. Mit dem Verkauf von "Wiesenhof"-Waren durch "Kaufland" habe das nichts zu tun, denn nicht "Wiesenhof" sei bewertet worden. Sehr lustig, denn "Kaufland" wurde auch ein "ökologisch" vorbildliches Verhalten bescheinigt.

  • M
    Matthias

    Heute hab ich eine Antwort von HIT bekommen...

    Zitat:"Sehr geehrter Herr Möller, Ihre Interessenlage bezüglich der Berichterstattung der ARD über die Firma Wiesenhof haben wir zur Kenntnis genommen.

    Wir haben diesbezüglich eine Überprüfung der Vorgänge eingeleitet und wurden durch mehrere Prüfinstitute darüber unterrichtet, dass bei der Firma Wiesenhof trotz unabhängiger Überprüfungen, welche unangemeldet und zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt wurden, keine Unregelmäßigkeiten vorliegen

    Mit Bedauern müssen wir jedoch feststellen, sie dennoch von der Ware der Firma Wiesenhof Abstand nehmen möchten und können ihnen aus diesem Grunde unsere französischen und italienischen Geflügelspezialitäten als Alternative vorschlagen.

    Wir hoffen, Ihnen mit dieser Information gedient zu haben und verbleiben mit freundlichen Grüßen

    HIT Frische GmbH & Co. KG"

     

    NEIN, sie haben mir nicht "gedient"!

  • D
    Daniel

    Habe mich an tegut, edeka und rewe gewandt mit der Frage, warum auf den ARD_Beitrag nicht reagiert wird.

    Die Antwort war dreimal die gleiche! Man hat bei Wiesenhof um Stellungnahme gebeten. Nun, da Wiesenhof das naturgemäß dementieren wird, wird sich in den betreffenden Supermärkten nichts tun und die Verantwortung wird auf den Endverbraucher abgewälzt.

  • V
    vic

    @ Juergen K.

     

    Jetzt habe ich erstmal ausgiebig geweint.

    Aber es ging hier um das Los von Industrie-Geflügel, und das gibt`s auch für die Hartz Geldbörse. Das ist ja das Problem, nur billig genügt nicht. Billiger muss es sein.

    Ich habs auch nicht dicke, aber ich esse keine Tiere.

    Und das ist sogar günstiger.

  • N
    nachtigallfan

    Ich esse seit einigen Jahren gar kein Putenfleisch mehr, denn auch bei der Biozucht hat man diese Rassen, die kurz vor dem Schlachttermin wegen der starken, fleischigen Brustmuskulatur ihr Gewicht nicht mehr tragen können. Andere Rassen gibt es so gut wie gar nicht mehr, außer vielleicht noch in der Hobbyzucht.

    Hühnerfleisch gibt es bei mir selten und nur noch in Form eines Suppenhuhns vom hiesigen Biobauern, der seine 1300 Tiere auch draußen herumlaufen läßt. (Milch, Eier, Getreide zum Brotbacken und gelegentliches Rindfleisch beziehe ich auch nur von ihm, Obst und Gemüse von einem Biogärtner auf dem Wochenmarkt.)

    Im übrigen geben nun auch Bioverbände zu, daß auch Biohaltung nicht das "Gelbe vom Ei" ist, weil auch dort Federpicken und Schwanzbeißen (bei Schweinen) auftrete. Viele hätten damit große Probleme und würden deswegen wieder zur konventionellen Tierzucht zurückkehren. Nachzulesen im aktuellen Heft "Ökologie & Landbau" aus dem oekom-Verlag.

  • US
    Ulla Sütterlin

    Betr.. Putenhaltung

     

    Wir essen seit Jahren kein Putenfleisch (selbst im Salat nicht).

    Ganz in unserer Nähe befindet sich eine Putenfarm, wo die Puten unter ähnlich schlimmen Bedingungen leben müssen. Die Tiere dürfen nicht schlafen, weil die ganze Nacht das Licht brennt.

  • E
    EuroTanic

    Hier nur einen Produzenten herauszugreifen ist doch Desinformation. Wer glaubt, dass es eine artgerechte Tierzucht gibt glaubt auch dass Zitronenfalter Zitronen falten können. Es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren. Es gibt nur Fleisch von toten Tieren.

  • A
    Antonietta

    Keine anderen Lebewesen werden so industriell gezüchtet, gemästet und verwertet wie Hühner und Puten. Über 50 Milliarden Stück Geflügel verarbeitet die Branche weltweit pro Jahr. Führend sind deutsche Firmen. Ihre Methoden stoßen zunehmend auf Gegenwehr.

  • JK
    Juergen K.

    Ich krieg Hartz

     

    und fress eh nur Müll.

     

    Da geht es manchen Eiern besser,

    da hat die Toscanafraktion für gesorgt.

  • H
    Hansi

    Ich habe seit über zwanzig Jahren eine Alternative zu Wiesenhof gefunden: Obst, Gemüse, Getreide, usw. Schmeckt besser und ist einigermaßen bekömmlich.

  • V
    vic

    Nochmal und diesmal kürzer:

    So etwas funktioniert nur, weil wir (ich nicht) das Zeug kaufen.

    Natürlich könnte die Lebensmittelindustrie netter zu den Tieren sein, doch warum sollte sie?

    Wir sind die wahren Schuldigen!

  • V
    vic

    Wer nicht selbst Tiere aufzieht und ernährt, und sie auch sebst schlachten will, der isst unweigerlich Industriefleisch. Das Endprodukt von Lebewesen die nie als solche behandelt wurden, sondern immer nur als Ware.

    Das betrifft alle Tiere, nur Puten/Truthähne/Geflügel haben das erbärmlichste Leben. Wenn man das Leben nennen kann.

  • UW
    Uwe Weiss

    könnte der Redakteure des Artikels oder ein kundiger Leser des Artikels mal schreiben, was ich als Kunde in einem Fall wie diesem tun kann, ohne dass ich mich rechtlich aufs Glatteis begebe? Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob man mir beispielsweise nicht rechtlich einen Strick daraus drehen kann, wenn ich etwa Rewe mit einer selbst formulierten Mail bitte, dem Beispiel von Migros, Coop und Denner in der Schweiz zu folgen und Wiesenhofprodukte aus dem Sortiment zu nehmen. Und es gibt ja öfter Fälle, in denen man als Verbraucher auf einen Hersteller Einfluss nehmen möchte, ohne dass es immer ein Vordruckformular einer Organisation gibt, auf dem man nur unterschreiben muss.

  • R
    reblek

    Edeka hat auf meine Mail, keine Wiesenhof-Waren mehr anzubieten, geantwortet, die Firma werde die Angelegenheit genau prüfen, mit Wiesenhof reden und dann entscheiden, was sie künftig tun werde.

  • TU
    The User

    Ich rate den Käufern von Geflügelfleisch, das einfach sein zu lassen… Das ist dann sogar günstiger. :)

  • DS
    Donna S.

    Wie können wir uns dagegen wehren? Man kann uns doch nicht alle zu Nichtraucher, Tierschützer und Veganer umstrukturieren, oder? Sollen wir, Carnivoren, ab sofort nur Wiesenhof kaufen? Aber ich esse so selten Geflügel! Was ist, wenn morgen paar Schweine nicht artgerecht gehalten wurden?

  • KO
    kochen ohneknochen

    Wer tiere aufzieht, ermordet und in den verkehr bringt, sollte mit gefängnisstrafe nicht unter zehn jahren bestraft werden.

    Und wer so was auch noch unterstützt, sei es durch subventionen oder sonstwie, sollte zu gemeinnütziger arbeit herangezogen werden.

    Und du, der das gerade liest, kauf so einen mist erst garnicht, dann ist allen geholfen.

  • H
    Hans

    Also, ich muss ganz ehrlich sagen, diese ganzen Siegel, die vorgaukeln, das alles in Ordnung ist, interessieren mich überhaupt nicht mehr.

    Ich gehe zum Hofladen eines Bauern und kaufe dort mein Fleisch, Wurst, Gemüse etc. Bestenfalls noch bei einer Genossenschaft und fertig. Die paar Groschen mehr sind es mir wert. Die Tiere sind fast immer draußen, das Futter kann man sich ansehen und ganz wichtig, ich habe Vertrauen zum Bauern.

     

    Wozu soll ich z.B. Kartoffeln kaufen die von sonst wo eingeflogen werden, beispielsweise aus Israel? Hier gibt es genug Erzeuger für alles, und es schmeckt besser.

  • GL
    Gaby Lange

    Ich habe den bericht über das wiesenhof-unternehmen gesehen. Dieser war nicht der erste. Ich war schockiert wie mit den tieren umgegeangen wird aber vor allem über das verhalten des grossen Chefs. Mit welcher Ignoranz er den reportern begegnet ist. Einfach grausam und unverschämt. und so ein mensch verdient millionen. Ich selbst verzichte schon seid jahren aus genau diesem grund auf geflügelfleisch. Nur für meinen mann und meine tochter kaufe ich es noch. Eines kann ich versichern, in unserem haus wird es kein wiesenhof-fleisch mehr geben!!!

     

    Mit freudlichem Gruss

    Gaby Lange

  • BB
    B.O. Beckmann

    Die Aufregung um die Quälerei von Schlachtgeflügel beim Abtransport kommt mir vor, als würde man sich darüber aufregen, dass bei einem Tanklaster, der regelmäßig Chemieabfälle in einen Fluss entsorgt, dabei der Motor läuft. Und die beauftragende Firma entlässt dann den Fahrer, um die Gemüter zu beruhigen ...

    Um die mit der industriellen Fleischerzeugung grundsätzlich einhergehende Massentierquälerei zu beenden, hilft effektiv nur, vegan zu leben.

  • F
    Frieda

    Schade, dass die taz nicht ähnlich kritisch in Bezug auf muslimisches schächten bzw. halal ist. Auch das ist unnötige Quälerei.

  • SS
    stefan seither

    Beser ist es, Vegetarier zu werden.

  • P
    Paria

    Das Heuchlerische an der ganzen Sache mit Wiesenhof ist, dass nicht nur dort die Puten gequält werden und es auch nicht nur die Puten sind, sondern es den Schweinen, Kühen, Hühnern etc auch nicht besser ergeht.

     

    Das Problem ist nicht Wiesenhof, sondern die Fleischindustrie an sich und letztendlich der Fleischkonsum jedes Einzelnen.