: Tiere auf Fotos: Ersatztrophäen
Am Anfang des Tierfilms stand die Jagd. Wilderer und passionierte Jäger waren vor rund hundert Jahren die ersten, die, zumeist fernab von ihrer Heimat, das Bedürfnis hatten, ihre exotische Beute fotografisch und später filmisch für sich und für die Lieben daheim festzuhalten. Das Foto wurde zur Ersatztrophäe.
Über Jahrzehnte tauchten in der Sprache der Fotografen und Filmer die Analogien Kamera/Waffe und Objekt/Beute auf. Eugen Schuhmacher, einer der Pioniere des Tierfilms, berichtete 1951 über seine Erfahrungen: „Ich (zog) mit [...] der neu erworbenen Filmkamera aus, um den ersten Schuss aus der dreiläufigen Kanone zu lösen [...] mit der Kanone sollten in erster Linie Tiere erlegt werden. Wir waren noch blutige Anfänger der schwarzweißen Filmkunst und hatten alle Hände voll zu tun, um mit dem komplizierten Mechanismus unserer neuen Waffe handelseins zu werden.“
Seit die Brüder Lumière 1895 auf der Weltausstellung in Paris erstmals ihren „Cinematographen“ vorgestellt hatten, waren Laufbilder in Europa eine Sensation. Ihre rasante Entwicklung verdankt die Filmtechnik nicht zuletzt den Pionieren des Tierfilms, die als Forscher, Filmer und Tüftler nach unkonventionellen Lösungen suchten.
Um zu beweisen, dass ein Pferd beim Trab alle vier Beine gleichzeitig vom Boden abhebt, stellte der Brite Eadweard Muybridge 24 Kameras auf, deren Verschlüsse das Pferd auslöste, indem es die quer zur Laufrichtung gespannten Fäden durchtrennte. Wegen der geringen Lichtempfindlichkeit der Fotoplatten waren dann allerdings leider nur Schattenbilder zu erkennen. Und dennoch: Das neue Medium, dem damals jegliche Wissenschaftlichkeit abgesprochen wurde, zog die Zuschauer mehr als jeder Vortrag in den Bann.
Um Tier- oder Naturschutzfragen, die den Tierfilm seit den Sechzigerjahren bestimmen sollten, machten sich um die Jahrhundertwende nur wenige Menschen Gedanken. Verhaltensforschung und die Entdeckung neuer Tierarten bestimmten das öffentliche Interesse.
Der schwäbische Erfinder Hermann Hähnle war einer der ersten bekannten Tierfilmer, der, angestiftet von seiner Mutter, der Vorsitzenden des Bundes für Vogelschutz, filmische Aufklärungskampagnen für den Naturschutz startete. Nach dem Ersten Weltkrieg, als über die bessere Ausnutzung der Filmtheater nachgedacht wurde, schlug Hähnle eine Steuerermäßigung für jede Vorführung vor, in der außer dem Hauptfilm ein Kulturfilm laufen würde. So erhielt der Kultur- und Naturfilm eine besondere finanzielle Förderung, die künftige Naturfilmer zum Weitermachen ermutigte.
In den Fünfzigerjahren waren es politisch unverdächtige Tier- und Heimatfilme, die bei Publikum wie Produzenten besonders hoch im Kurs standen – sie beschützten auch vor den Anfechtungen der Politik.
Seinen Durchbruch schaffte der Tierfilm jedoch erst mit dem flächendeckenden Einzug des Fernsehens in bundesdeutsche Wohnzimmer: Neben den klassisch-biologistischen Abhandlungen über einzelne Tierarten bestimmte das Verhältnis von Mensch und Tier zunehmend den Inhalt von Tierserien: „Daktari“, „Lassie“, „Fury“ und „Flipper“ sind nur die bekanntesten unter ihnen. HH
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