Tiefseebohrungen in Europa: EU verzichtet auf Öl-Moratorium

Nach den USA gibt auch Europa nach: Tiefseebohrungen bleiben auf Druck von Großbritannien möglich. Haftung und Anforderungen an die Sicherheit sollen verschäft werden.

Hat nichts genutzt: Protest von Greenpeace-Aktivisten gegen Tiefseebohrungen in Brüssel. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Auf britischen Druck hin hat die EU-Kommission ihren Forderungskatalog für Sicherheitsmaßnahmen bei künftigen Ölbohrungen in der Tiefsee abgeschwächt. In einem ursprünglichen Entwurf, der vergangene Woche in Brüssel zirkulierte, hatte die Behörde ein Moratorium für neue Bohrgenehmigungen verlangt, bis alle technischen Lehren aus dem BP-Desaster im Golf von Mexiko gezogen sind. In der Version, die Energiekommissar Günther Oettinger dann am Mittwoch vorstellte, werden die Mitgliedsstaaten lediglich aufgefordert zu prüfen, ob eine "Aussetzung von Genehmigungen" eine zumutbare Maßnahme sein könnte.

Auch diese abgeschwächte Version ist lediglich ein Testballon für die Stimmung im Europaparlament und bei den Mitgliedstaaten. Konkrete Gesetzesvorschläge über Genehmigungsverfahren, Sicherheitsstandards, Haftung und Arbeitsschutz sollen Anfang nächsten Jahres folgen. Auch die US-Regierung hatte am Dienstag ihr Genehmigungsmoratorium vom Juli, das ursprünglich bis November gelten sollte, wieder aufgehoben. Innenminister Ken Salazar begründete dies mit neuen, strengeren Sicherheitsauflagen und einer besseren Überwachung der Offshore-Förderung.

In der EU sollen Genehmigungen künftig nur erteilt werden, wenn das Unternehmen einen Notfallplan ausgearbeitet hat und gegen mögliche Umweltschäden versichert ist oder Rücklagen gebildet hat. Bislang haften Betreiber nur für geschützte Fischarten in Gewässern bis zu 12 Seemeilen vor der Küste. Künftig müssen sämtliche Schäden in einer Zone bis zu 200 Seemeilen ausgeglichen werden.

Die Sicherheitsausrüstung, insbesondere die Sicherheitsventile der Bohrinseln, muss dem neuesten technischen Stand entsprechen. Die nationalen Behörden, die die Kontrollen durchführen, sollen ihrerseits von unabhängigen Gutachtern bewertet werden. Vor allem in Großbritannien, so Oettinger, sei die Nähe zwischen den Betreiberfirmen und den technischen Prüfern in den Behörden bislang zu groß. Wenn schon ein Moratorium politisch nicht durchsetzbar sei, müsse wenigstens die Kontrolle verbessert werden.

Von den fast 900 Offshore-Ölförderanlagen in der EU befinden sich 486 in Großbritannien, 181 in den Niederlanden, 61 in Dänemark und 123 in Italien. Keine von ihnen erreicht die Wassertiefe, die die Rettungsarbeiten im Golf von Mexiko so schwierig machte. In Norwegen aber gibt es Bohrlöcher in mehr als 1.000 Meter Wassertiefe. Großbritannien plant westlich der Shetland-Inseln Bohrungen in einer Tiefe von 1.600 Meter und in der Nähe der Färöer-Inseln in bis zu 1.110 Meter Tiefe. Rumänien hat eine Bohrgenehmigung für das Schwarze Meer in einer Wassertiefe von 1.000 Metern erteilt.

Die europäischen Mittelmeeranrainer planen bislang keine ähnlich tief gelegenen Förderlöcher. Doch in libyschen Hoheitsgewässern wird schon in einer Tiefe von 1.500 Metern gebohrt, und Förderungen in 2.000 Meter Tiefe sind in Planung. In Ägypten sind Bohrungen in 2.700 Meter Tiefe vorgesehen.

Solche Anlagen sind technisch besonders riskant, da Taucher nur in einer Tiefe von bis zu 250 Metern arbeiten können. In einer Tiefe von 1.000 Metern erschwert der hohe Druck auch ferngesteuerte Rettungsarbeiten von Robotern.

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