: Tiefgaragen-Mord vor Gericht
■ Anklage gegen den Jurastudenten Axel K. verlesen: Grundlos und heimtückisch soll er in einer Findorffer Tiefgarage gemordet haben / Prozess wurde vertagt
Der Jura-Student Axel K. blickte irgendwie interessiert in die Runde, als die Anklageschrift verlesen wurde. Mord aus heimtückischen und niederen Motiven wirft der Staatsanwalt ihm vor. Warum hat Axel K. auf sein 27-jähriges Opfer Alexandra M. an jenem 11. August 1999 zwanzig Mal mit dem Messer zugestochen, bis sie verblutet war? Warum in der Tiefgarage in Findorff? Axel K. scheint das selbst nicht zu wissen.
Routinemäßig unterstellt die Kripo in einem solchen Fall sexuelle Motive, aber dafür gibt es keinerlei Indizien. Bei 20 Stichen vermutet die Kripo normalerweise eine besonders enge Bekanntschaft zwischen Opfer und Täter, die in besonderen Hass umschlagen kann. Aber es gibt keinen Hinweis dafür, dass der Täter sein Opfer sonderlich kannte. Axel K. selbst hat einmal angegeben, er habe Wodka und Kokain zu sich genommen und erinnere sich gerade daran, dass die unbekannte Frau ihn bedroht habe. Aber warum sollte sie das getan haben? Und warum ausgerechnet in der Tiefgarage?
Axel K. ist ein Jura-Student wie viele andere. Er sitzt in dunkler Kleidung und mit modischer Brille auf der Anklagebank, macht eine in jeder Hinsicht korrekte Figur. Er ist im Mai 1968 geboren, bisher nicht „auffällig“ geworden, wie das im Amtsdeutsch der Staatsanwaltschaft heißt.
Zunächst ging die Kripo davon aus, ein Bekannter oder ein Nachbar müsse den Mord begangen haben, weil der Täter scheinbar lange in der Tiefgarage auf sein Opfer gewartet hatte. Aber Axel K. ist auch kein Nachbar, er wohnt auf der anderen Weserseite in der Neustadt wie so mancher Student. Seine Freundin fiel aus allen Wolken, als sie von der Tat erfuhr – nicht von ihm, sondern von der Polizei. Ein Mord ohne Motiv ist ein furchtbarer Mord – das kann jeden treffen. Oder zumindest jede.
Gestern wurde zum Prozessauftakt nur die Anklageschrift verlesen. Axel K. werde sich zunächst nicht äußern, hatten seine Verteidiger angedeutet. Die Anwälte äußerten nach Verlesung der Anklageschrift Besorgnis über polizeiliche Nachermittlungen: Sie befürchten, dass ihr Mandant weiterer Taten beschuldigt werden könnte. Wenn es ein Mord ohne Motiv ist, dann kann jede das Opfer werden – oder schon geworden sein? In welcher Richtung die Kripo ermittelt, wurde nicht bekannt.
Und dann war da noch die Tüte mit der Gasmaske und dem Klebeband in der Tiefgarage, die offenbar von dem Täter stammt. Das Klebeband könnte in Indiz für einen Vorsatz sein. Also ein vorsätzlich grundloser Mord? Um so fürchterlicher die Frage nach dem Motiv. Aber war wollte der Täter mit der Gasmaske? Das macht keinen Sinn, es sei denn, man sieht Parallelen zu schlechten Krimis, in denen gestörte Persönlichkeiten in den Gegenständen ihren eigenen Sinn suchen.
Nach Ansicht der Verteidiger geht die Polizei davon aus, dass letztlich sexuelle Motive vorliegen. In diesem Zusammenhang habe die Kripo „hochspekulative Dinge“ vorgelegt, so die Sorge der Verteidiger. Das Verbrechen hatte seinerzeit in Bremen großes Entsetzen ausgelöst. Fünf Wochen lang fahndete die Kripo nach dem Täter im Kreise derer, die ein Motiv haben könnten – schließlich griff sie zu dem Hilfsmittel der öffentlichen Fahndungsdrucks. Labile Täter lassen sich damit verunsichern. Die Kripo hatte Erfolg: Axel K. stellte sich im Beisein von Vater und Mutter der Kripo. K.W.
Die Verhandlung wurde auf den nächsten Termin am kommenden Dienstag (29.) vertagt. Bis dahin sollen die Prozessbeteiligten weitere Akteneinsicht erhalten.
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