Ticketskandal bei der WM: Auf der Flucht

Der mutmaßliche Drahtzieher im WM-Ticketskandal entgeht der Verhaftung und ist seitdem abgetaucht. Seine Firma erhebt Vorwürfe gegen die Polizei.

Hort des Ticketskandals? Das Fifa-Hotel „Copacabana-Palace“ in Rio de Janeiro. Bild: ap

RIO DE JANEIRO dpa | Der Skandal um illegal verkaufte Tickets für die Fußball-WM in Brasilien spitzt sich zu. Im Finalort Rio de Janeiro messen Polizei und Staatsanwälte und ein mächtiger Fifa-Vertriebspartner ihre Kräfte. So hat es zumindest den Anschein.

Im Fokus: Der britische Topmanager Raymond Whelan vom Fifa-Partner Match Services. Die Kulisse: Das luxuriöse Nobelhotel Copacabana Palace. Der Vorwurf lautet auf illegalen Tickethandel im großen Stil. Match dementiert, die Ermittler beharren, und Whelan wird mittlerweile von der brasilianischen Polizei gesucht.

Der 64-Jährige wollte sich zwar stellen, wie die Zeitung Estado de São Paulo unter Berufung auf dessen Anwälte berichtete. Doch bis zum späten Donnerstagabend (Ortszeit) gab es von ihm keine Spur. Die Polizei schrieb ihn zur Fahndung aus. Auch die Sicherheitsbehörden an den Flughäfen waren informiert. Whelan musste zwar seinen Reisepass abgeben. Doch solange kein Haftbefehl gegen ihn vorlag, hätte er auch beim Generalkonsulat einen neuen Pass beantragen können, mutmaßte Staatsanwalt Marcos Kac.

Whelan war nach der Darstellung des ermittelnden Polizeibeamten Fábio Barucke am Donnerstag durch die Hintertür des legendären Copacabana Palace geflüchtet. In dem zur WM hermetisch abgeriegelten Hotel an der Avenida Atlântica residiert zur WM die Topspitze des Weltverbandes, auch Fifa-Präsident Joseph Blatter. Schon am Montag nahm die Polizei Whelan dort in seiner Suite fest. Nach einer Nacht im Polizeigewahrsam konnte er aber zunächst wieder gehen.

Whelan verschwindet durch Hintereingang

Am Donnerstag rückte die Polizei wieder an. Diesmal mit einem Haftbefehl, der zuvor von der Staatsanwaltschaft beantragt und von einem Gericht genehmigt wurde. Doch Whelan verdrückte sich laut Polizei durch einen Lieferanteneingang. Warum und wieso – darüber ließ sich zunächst nur spekulieren.

Der Haftbefehl war nur kurz zuvor ergangen, nicht nur gegen ihn, sondern gegen elf weitere Mitglieder, die nach Überzeugung der Polizei in einen Ticket-Dealerring verstrickt sind. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: aktive Korruption, illegaler Tickethandel, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche.

Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte, und es wäre nicht das erste Mal, dass die Staatsanwaltschaft in Brasilien übers Ziel hinausschießt. Match Services hat jedenfalls so seine Bedenken, ob bei den Ermittlungen in Rio alles mit rechten Dingen zugeht.

Nicht nur, dass den brasilianischen Medien gerichtlich genehmigte Abhörprotokolle zugespielt wurden, worauf Whelan zu hören ist, wie er am Telefon mit dem bereits inhaftierten Algerier Lamine Fofona über Ticket-Pakete und vierstellige Dollar-Summen spricht. Allein das sieht Match als illegal an. Aber die Firma wirft der Polizei auch unverhohlen vor, das komplexe Ticketsystem gar nicht verstanden zu haben. Das Gespräch sei völlig legal gewesen.

Kritik an Polizeiarbeit

Match-Manager Whelan wurde von seinen Chefs von jedem Vorwurf reingewaschen. Doch wen wundert's, ist doch Co-Firmenboss Enrique Byrom mit Whelans Schwester verheiratet. Doch die Kritik richtet sich vor allem gegen die Ermittler. „Der 18. Polizeibezirk von Rio macht Annahmen ohne eine saubere Untersuchung und mit einem minimalen Verständnis, wie das System zum Verkauf von Ticket- und Hospitality-Paketen wirklich funktioniert“, hieß es in einer ausführlichen Mitteilung des Fifa-Partners.

Die harsche Attacke des mächtige Fifa-Wirtschaftspartners gegen die Sicherheitsbehörden im WM-Gastgeberland rief auch die Regierung auf den Plan. Sportminister Aldo Rebelo wies die Anschuldigungen umgehend zurück und betonte die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung in Brasilien. „Es wurde kein Beweis präsentiert, dass die Ermittlungen über oder unter der legalen Grenze waren. Die Gerichte haben die Aufgabe, die Dinge zu bewerten. Ich weiß nicht, warum diese Firma sagt, die Polizei habe illegal gehandelt“, betonte Rebelo.

Die Geschichte dürfte auch nach dem Finale zwischen Deutschland und Argentinien am Sonntag nicht zu Ende sein, auch wenn die meisten Scheinwerfer dann abgeschaltet werden. Doch das Verfahren kann sich ziehen. Und sollten sich die Vorwürfe gegen die Beschuldigten tatsächlich erhärten und bestätigen, dann drohen den Beteiligten Haftstrafen von bis zu vier Jahren. Keine schöne Aussicht, denn bei einer solchen Strafe könnte es für sie knapp werden mit Geschäften für die nächste Fußball-WM, die 2018 in Russland stattfindet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.