Thüringen, Dessau, Washington: Jens Spahn hilft bei Grippe
Mike Mohring macht nicht die Ypsilanti, der Facebookchef wird gegrillt und die Borussenfans haben Spaß jenseits des Derbys.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kabinettsmitglieder treten mit Anregungen für Kampfeinsätze hervor.
Und was wird besser in dieser?
Jemand weckt Merkel.
Thüringens CDU-Chef, Mike Mohring, erklärte noch vor der Wahl, Björn Höcke von der AfD sei ein Nazi, mit dem er nicht zusammenarbeiten würde. Wie steht’s mit der Mindesthaltbarkeitsdauer solcher Aussagen?
Von Höcke ist Läuterung nicht zu erwarten. Und Mohring sänke zum Ypsilanti der CDU, wenn er sein Nein zu Koalitionen mit Linken oder AfD nicht hielte. Damit will er die CDU als Partei der Mitte positionieren, was ausweislich der verzwergten SPD in Thüringen teils gelingt. Teils isses schade, weil uns das Experiment Linke-CDU entgeht. Einen demokratischeren Sozialisten als Ramelow wird auch die CDU so schnell nicht finden.
Die Ermittlungen um den Tod von Oury Jalloh 2005 in einer Dessauer Polizeizelle sind wohl endgültig eingestellt. Soll man die Toten also ruhen lassen?
„Wenn neue Beweise auftauchen“ könne das Verfahren jederzeit wieder aufgenommen werden – wobei es sich bisher dadurch auszeichnet, dass alte Beweise abtauchen. Akten verschwanden, aussagebereite Polizisten wurden nicht vernommen. Zwei weitere Todesfälle im selben Polizeirevier, einer in derselben Zelle, wurden amtlich schubladenbestattet. Der Satz „nach behördlicher Auffassung verbrannte sich Jalloh ohne weitere Hilfsmittel auf der Matratze, an die er gefesselt war“ im Radio klingt wie eine Live-Schalte in ein Orwell-Universum. Das Oberlandesgericht Naumburg hat die Chance vertan, den Rückhalt für den Rechtsstaat zu stärken.
Alexandria Ocasio-Cortez bringt Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei einer Kongressanhörung mächtig ins Schwitzen. Wird die Demokratin die Übernahme der Weltherrschaft durch den Plattformkapitalismus aufhalten?
„AOC“ wird erst mal alle Präsidentschaftsbewerber der Demokraten alt aussehen lassen – nachdem sie Zuckerberg gekonnt durch die 5-Minuten-Terrine zog. Sie selbst tritt nicht gegen Trump an, weil „ich das große Geld nicht mit mehr Geld herausfordern kann“. In den 360 Sekunden, die der US-Kongress ihr ließ, entrang sie Zuckerberg Statements wie „Ich weiß nicht, wann Cambridge Analytica Facebook-Daten zu missbrauchen begann“.
Auch wisse er nicht, ob Wahlkämpfer Fake News und Nutzer Lügen posten könnten. Voriges Jahr onkelte Zuckerberg 70 Minuten durchs Europaparlament, davon gingen für Selfies, gelahrte Co-Referate, Goethe-Zitate und Pathos gefühlte 71 Minuten drauf. Hinweis: Die politischen Gremien weltweit sind kleiner als die Unternehmen, die sie zu kontrollieren trachten. Vielen Amerikanern mag AOCs Furiosum ein Grillspaß zwischendurch gewesen sein; Wirkmacht entfaltete so etwas vor den Vereinten Nationen.
Die frühere „Seawatch“-Kapitänin Carola Rackete stellt in der kommenden Woche ihr Buch „Handeln statt hoffen: Aufruf an die letzte Generation“ vor. Ist das apokalyptisch oder apokryph?
Dass Horst Seehofer neuerdings ein Viertel aller Seenot-Flüchtlinge aufnehmen will, ist ein so schöner Erfolg Racketes, dass sie wegen meiner auch einen Band Kochrezepte („Smutje und Klabautermann – alles, was man essen kann“) raushauen könnte. Das „Heißer Scheiß“-Regal im Buchhandel quillt bereits über von Ranschmeißliteratur – die instruktive Fibel „Kämpfe wie Greta Thunberg fürs Klima“ neben dem Comic „Käpt#in Rakete“. Hier wird Eigenbuch zur Notwehr. Und vielleicht isses ja gut.
Jens Spahn wird sich am Dienstag gemeinsam mit Postzustellern gegen Grippe impfen lassen. Wie bereiten Sie sich auf die Rotzsaison vor?
Spahn will medizinisch notwendige Silikonbrüste finanzieren, Trisomie-Schwangerschaftstests ebenfalls, kämpft gegen Masern-Impfverweigerer und geht keiner beachtlichen Meldung aus dem Weg. Er wird als Godfather of Wartezimmertainment in die Geschichte eingehen, während große Themen („Bürgerversicherung“) im Ministerium heilschlafen. Kürzlich empörte man sich, dass die Post Mitarbeitern keine Daueranstellung gibt, „wenn sie in den ersten zwei Jahren mehr als 20 Krankentage“ haben. Spahn hilft.
Und was machen die Borussen
Beim Derby zeigte man einander gestohlene Fahnen, Schals und Banner, flämmte ordentlich und plädierte insgesamt dafür, mittelfristig Spiel und Fanbegegnung an getrennten Tagen abzuhalten.
Fragen: Daniél Kretschmar
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