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Thomas Tuchel bei Borussia DortmundDie falsche Mannschaft

Der BVB hinkt den eigenen Ansprüchen hinterher. Auch weil der unerfahrene Spielerkader vom ungeduldigen Trainer überfordert wird.

Thomas Tuchel an der Seitenlinie Foto: ap

Dortmund taz | In vielen Sprüchesammlungen zum vergangenen Fußballjahr tauchte ein kleines Juwel auf, das beinahe untergegangen wäre im rasanten Alltag des Bundesligageschehens. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, hat Dortmunds Trainer Thomas Tuchel im Dezember ein altes afrikanisches Sprichwort hervorgekramt – ein Satz, der wunderbar als Illustration des vergangenen Bundesligahalbjahrs der Borussia taugt: Das Team entwickelt sich, braucht aber viel Geduld. Am gestrigen Dienstag startete der BVB mit einem Leistungstest der Spieler ins neue Jahr,

Nach dem schwachen Jahresfinale mit nur einem Sieg aus fünf Partien und dem Absturz von Rang drei auf Rang sechs ist die Stimmung angespannt beim BVB. Der Rückstand auf die Bayern wuchs auf uneinholbare neun Punkte, es waren die bisher schwersten Wochen, seit Tuchel im Sommer 2015 nach Dortmund wechselte. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke versuchte zwar in einem Weihnachtsinterview zu beschwichtigen: „An unserem Saisonziel, der direkten Champions-League-Qualifikation, idealerweise als Zweiter, ändert sich nichts.“ Und dennoch hat die Phase der Enttäuschungen dunkle Schatten des Zweifels hinterlassen.

Besonders Tuchels Wutrede ist nach dem 1:2 in Frankfurt hängen geblieben, in deren Verlauf der Trainer sich selbst und seinem Team Totalversagen vorwarf, („technisch, taktisch, von der Bereitschaft, mental, komplett“). Zwar war die Wirkung dieses emotionalen Ausbruchs nach innen längst nicht so groß wie nach außen. Aber um die ganze große Dimension dieser Enttäuschung zu verstehen, muss man auf die vorige Saison blicken.

In seinem ersten Jahr in Dortmund trainierte Tuchel eine fast fertige Mannschaft voller reifer Spieler wie Mats Hummels oder Henrikh Mkhitaryan. Unter der Führung solcher Leute war die Gruppe offen für die detailversessene Arbeit des neuen Trainers. Wie sein Vorbild Pep Guardiola versucht Tuchel einen möglichst großen Erfolgshunger in seinem Team zu bewahren, indem er die Profis geistig beansprucht. Für jedes Spiel wird eine neue Strategie entwickelt. Permanent wird in neuen Formationen gespielt, der intellektuelle Anspruch ist enorm, dem Vorjahresteam gefiel das.

Auch dieser Trainer muss erst noch reifen

Die Motivation ergibt sich in diesem Konzept nicht, weil ein Gegner mit wilden Emotionen durch die Wand gehauen werden muss, vielmehr sollen die Fußballer danach dürsten, die passende Strategie fürs nächste Spiel zu entwickeln und umzusetzen. Die Bayern haben sich mit diesem Ansatz in den drei Guardiola-Jahren von Rekord zu Rekord treiben lassen.

Tuchel arbeitet ähnlich, aber derzeit fehlt im das passende Team. Die vielen neuen, oft unerfahrenen Spieler, kommen nicht immer mit bei dieser anspruchsvollen Herangehensweise. Während der letzten Partie vor Weihnachten gegen Augsburg (1:1) änderte Tuchel viermal das System, besser wurde seine Mannschaft nicht. „Die Dinge schleifen sich nur mühsam ein“, sagte er danach.

Während der letzten Partie änderte Tuchel viermal das System

Tuchels immer wieder hervorbrechende Ungeduld ist in guten Momenten Treibstoff, wird in den weniger guten Augenblicken jedoch zum störenden Unruheherd. Auch dieser Trainer muss erst noch reifen.

Im Trainingslager in Marbella, wo die Mannschaft sich auf die Rückrunde vorbereitet, hat er nach einer zerstückelten Sommerpause mit vielen Verletzten nun viel Zeit, an seinen Ideen zu arbeiten. Klubchef Watzke hat bereits angedeutet, dass er vor dem Sommer klären möchte, ob der Trainer nach dem Ende seines Vertrages 2018 weitermachen wird, oder ob er Dortmund eher als Sprungbrett zu einem noch größeren Klub betrachtet.

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