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This fight tonight

Der Kapitalismus ist der Feind, die Revolution kann jeden Moment ausbrechen: Die aus der schwedischen Punkband Refused hervorgegangene Polit-Rockband The (International) Noise Conspiracy tritt am Sonntag im Knaack auf

„Refused are fucking dead“ hieß ein Song auf dem bahnbrechendem Refused-Album „The Shape Of Punk To Come“ – und diese Aussage sollte sich als prophetisch erweisen. Angeekelt vom sich anbahnenden Rockstar-Ruhm und in den künstlerischen Ansprüchen so weit auseinander gedriftet, dass keine Basis mehr für eine gemeinsame Arbeit zu finden war, gingen die schwedischen Avantgarde-Punks auf der Höhe ihres Erfolges auseinander.

Das war für alle, die Refused sowohl ihrer visionären und energetischen Musik als auch ihres politischen Engagements wegen zu schätzen wussten, ein schwerer Schlag.

Die linke im Punk verwurzelte Szene hatte einen ihrer Vorzeige-Acts verloren, die Klage in den einschlägigen Magazinen und Fanzines war dementsprechend. Umso größere Freude herrschte über die Rückkehr des Sängers und intellektuellen Kopfs der Band, Dennis Lyxzén, mit seinem neuen Projekt The (International) Noise Conspiracy und deren letztjährigem Debüt „Survival Sickness“.

Der Sound dieser Band jedoch lässt sich mit dem von Refused nur bedingt vergleichen. Basiert er doch im Wesentlichen auf der Vorliebe der MusikerInnen für 60er Rock’n’Roll in einer Interpretation, die den Vergleich mit Jon Spencer Blues Explosion was Intensität und Eigenständigkeit anbetrifft, mühelos bestehen kann.

Nicht zuletzt, weil The (International) Noise Conspiracy eben keine Retro-Attitüde plakatieren, sondern vielmehr mittels hemmungsloser Dekonstruktion Strukturen schaffen, die selbst in diesem eher anachronistischen Soundgewand für Überraschungsmomente sorgen.

The (International) Noise Conspiracy erzeugen ihre Spannung auf besonnene oder besser: hintersinnige Weise. Sie nehmen einen mit auf einen Spaziergang durch eine Gegend, die man gut zu kennen glaubt, packen einen plötzlich bei den Schultern und drehen einen rund und rund, bis die Umgebung alles andere als vertraut wirkt. Dabei zitieren sie Elvis und The Who ebenso wie Che Guevara, bis man erkennt, dass all der Wirbel nichts anderes als einen Weckruf darstellt, um die Aufnahmebereitschaft für die Botschaften der Band zu erhöhen. Das Erzeugen von Misstrauen gegenüber Autoritäten und die Aufforderung zur Initiative ist dabei oberste Maxime.

So besteht das gesamte Booklet zu „ Survival Sickness“ aus gesammelten Manifesten, Parolen und Fragebögen – einem einzigen Aufruf zum Zweifel. Die Notwendigkeit, sich nichts als absolut vorsetzen zu lassen, die Erschaffung einer eigenen Identität, sie definieren hier das höchste Ziel und Menschenrecht.

Der Kapitalismus ist der Feind, der Glaube an die Revolution lebendig, dem Kampf gegen das System gilt die ganze Leidenschaft. Es wäre zu kurz gegriffen, der Band zu unterstellen, angesichts ihres Engagements die Musik lediglich als Transportmittel für die eigenen Ideale zu gebrauchen. Dazu ist ihre Musik zu differenziert und zu wenig breitenwirksam. Gerade im Sound von The (International) Noise Conspiracy manifestiert sich das Bekämpfen von verordneter Wahrheit so unverfälscht als künstlerischer Ausdruck, dass klar wird, wie untrennbar Inhalt und Verpackung zusammengehören.

Und mal ganz abgesehen von allem Kampf und aller Subversion – The (International) Noise Conspiracy sind nicht nur überzeugte Aktivisten, sondern natürlich auch eine verdammt gut rockende Liveband.

ULF IMWIEHE

The (International) Noise Conspiracy spielen am Sonntag, den 18. Februar (!) ab 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg

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