Thermalbad in Aachen: Badespaß im Freien
In einem Aachener Kurpark hat eine Bürgerstiftung drei Thermalbecken hingestellt. Sie waren beliebt, doch das Ende kam schneller als gedacht.
Alle lächeln vor sich hin. Mit 62 Grad kommt das Wasser oben an, unten hat das Fußbecken 33 Grad, knapp 40 das tiefere Beinbad, 44 vorne der Ganzkörperpool. Es schmeckt leicht salzig, nur minimal schwefelig. Einer rechnet gleich: „Eine halbe Stunde, und du fühlst dich Jahre jünger.“ Und wieder kommen ein paar Neugierige mit Handtuch über der Schulter.
Aachen, Ortsteil Burtscheid, der kleine Kurpark. Ein heimeliges Stück Stadt, Rasenflächen, Müßiggang, Flanierzone. Und mittig, direkt hinter dem Springbrunnen, jetzt dieses dreiteilige Pop-up-Thermalwasserbad unter freiem Himmel. Das erste und einzige in Deutschland. Benutzung kostenlos. Name: „Wärm Komp“, Warme Schüssel.
Badelandschaft aus Holz
Entstanden ist der Badespaß (Netz: waermkomp.jetzt) unter Federführung der Bürgerstiftung „Lebensraum Aachen“. Projektplanung: zwei Jahre. 150 Freiwillige, 15.000 unbezahlte Arbeitsstunden. 50.000 Euro Kosten, geschultert meist über Spenden. Die Badelandschaft, eine Holzkonstruktion, ausgekleidet mit Folien, haben Architektur-Studierende der Fachhochschule gebaut.
Das Vorbild
In Baden (!) in der Schweiz gibt es seit Jahren solche Outdoor-Thermalbäder, auch zivilgesellschaftlich initiiert und mit riesigem Zuspruch. Aber ohne deutsche Bürokratie. „Die Behörden messen dort einmal im Monat, es gibt keine Probleme“, so Uli Lieser, der Initiator des Aachener Feldversuchs.
Das Ende
Das Projekt in Aachen war auf drei Monate angelegt und sollte bis Ende Dezember gehen. Schon nach einem guten Monat war es wegen der Keime vorbei, doch die treibenden Kräfte hinter dem Projekt geben nicht auf.
Die Zukunft
Jetzt soll in Aachen statt der Holzkonstruktion ein Badebrunnen mit Steinbecken her, so wie in der Schweiz. Bürgerstiftung und Stadtteilkonferenz fordern eine Machbarkeitsstudie unter städtischer Regie. 2025 ist Kommunalwahlkampf.
Aachen hat Dutzende unterirdische Quellen, die heißesten nördlich der Alpen (bis 72 Grad). Karl der Große wählte hier seinen Lebensmittelpunkt: Die Heilwasser sollten gegen kaiserliche Leiden wie Gicht und Rheuma helfen. Heute versickert der Schatz aus Abermilliarden mineralienprallen Wassertropfen weitgehend ungenutzt.
Die Behörden mussten vom Wärm Komp erst überzeugt werden, Amt für Amt, Abteilung für Abteilung, Stadtplaner, Denkmalschutzbehörde. Davon berichtet Projektleiter Uli Lieser, 66. Der Hydrogeologe und Thermalhistoriker erzählt vom Hürdenlauf vor allem beim skeptischen Gesundheitsamt: Ist dieser komische Komp auch verkehrssicher, hygienisch unbedenklich?
Warum kein Chlor?
Vorgabe: wöchentliche Untersuchung. Bald waren die Werte von E.coli und Pseudomonas-Bakterien zu hoch. Keine unmittelbare Gesundheitsgefahr, aber ein Alarmzeichen. Gegenmaßnahmen: Fußdesinfektionsmittel, zugeschnittene Kunststoffmatten, mehr Kontrolle der Badenden. Die Werte stiegen trotzdem.
Warum kein Chlor? „Wollten wir nie“, sagt Lieser, dann sei das naturbelassene Baden dahin. Alles mit großem Schild „Auf eigene Gefahr“? – „Geht so einfach in Deutschland nicht. Ich gelte als verantwortlicher Heilbadbetreiber. Irgendwann erklärt sich jemand für erkrankt und verklagt dich.“
Zu den Badefreuden gehören diverse Begleitevents: Fußbadyoga, Kabarett, kleine Konzerte. Einmal berichtete eine Japanerin aus Aachen von den 2.700 Thermalquellen („Onsen“) in ihrer Heimat. Eine besondere Delikatesse sind Onsen-Eier, die bei 60 Grad im Thermalwasser lange von innen nach außen garen, statt umgekehrt wie bei uns, die wir sie kochen. Komp-Mitstreiterin Petra Emonts, selbst Kochlehrerin, hatte solche Eier mitgebracht. Das Eigelb war gestockt, das Weiße kein Glibberkram, sondern eine köstlich-sahnige Creme.
Chöre am Beckenrand
Am vergangenen Samstag traten sechs Chöre auf, darunter: die „Badenixen“, ein Sänger des früheren Schwulenchors Warme Wellen und, in Bademänteln und -kappen, das Männer-Vokalensemble Bin Singen. Das Publikum staunte, wie viele Klassiker es zum Thema Wasser gibt.
„Lieder aus der Bütt – Aachener Chöre gehen baden“ hieß das Motto. Doch die SängerInnen performten nur vor dem dampfenden Badekomp statt darin. Denn mit dem Wohlklang musste das Wohlfühlen beendet werden, sechs Wochen früher als geplant.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Das Gesundheitsamt hatte den Weiterbetrieb für „nicht vertretbar“ erklärt. Die Initiative schloss sich dem an. Mutmaßlich ist der benachbarte, von der Stadt lange nicht gereinigte Springbrunnen die Keimquelle. Was über Aerosole einmal in die Becken kam, ist aus kleinsten Ritzen nicht mehr rauszukärchern. Bei 40 Grad vermehren sich Keime explosionsartig. Uli Lieser sagt: „Trotz vorzeitigem Ende: Die Behörden haben gelernt, dass sie uns Bürger nicht unterschätzen dürfen.“
Die Kulturevents gehen weiter. Und es könnte sein, dass sich zur großen Abschlussparty am 7. Dezember Unbelehrbare noch einmal in die wärmenden Wässer stürzen, trotz dieser unbarmherzigen und bürgerfeindlichen Keime.
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