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„There are places I'll remember“

Wo die Beatles gelebt, geliebt, gefilmt und geheiratet haben. Eine Sightseeing-Führung mit Anekdoten und zu Fuß zu den Kultstätten der Fab Four in London. Treffpunkt: Underground-Ausgang Baker Street  ■ Von Günter Ermlich

Samstag morgen, bedeckter Himmel über London. Werbend hält Richard Porter ein Faltblatt „The Original London Walks“ in die Höhe. „Twist and Shout“ dröhnt es aus dem angejahrten Ghettobblaster neben ihm. It's Beatles Time. Rund 30 Leute, darunter viel Mittelalter, wollen Richard auf den Spuren der phantastischen vier begleiten: Wo haben sie gelebt, geliebt, geheiratet, gefilmt? Richard drückt die Play-Taste des Ghettoblasters, und los geht's: „There are places I'll remember all my life, though some have changed so forever, not for better, some have gone and some remain.“ (The Beatles: „In my life“.) London-Sightseeing garantiert ohne Big Ben, Buckingham Palace und Trafalgar Square.

Erster Halt: Marylebone Station. Eingangsszenen für den Beatles-Film „A hard day's night“, wurden hier gedreht, läßt uns Richard wissen. Die Pilzköpfe flüchteten sich aus dem Auto, von wilden Girls gejagt, in die Bahnhofshalle, um von Plattform 1 in die Provinz zu fahren. John, George und Ringo versteckten sich in hölzernen Telefonkabinen. Doch wo war Paul? Der saß in aller Ruhe auf einer Bank, las Zeitung und blieb mit schwarzem Schnäuzer unbehelligt. Zum Beweis läßt Richard einen Ordner mit Filmfotos kreisen. „Das war vor 33 Jahren“, schreit er gegen die heutige Disko-Beschallung in der Bahnhofshalle an. Seitdem sei die Marylebone Station kräftig modernisiert worden, doch „imagination is all“.

Unter den Klängen von „And I love her!“ nähern wir uns beschwingt dem stattlichen Standesamt, „wo Ringo und Paul geheiratet haben“. Nein, nicht gegenseitig“, beliebt Richard zu scherzen, „sondern Paul seine Linda 1969 und Ringo Barbara Bach 1981“. Wie für uns arrangiert, posiert ein Hochzeitspaar auf den Stufen, von einem Bilderbuchschotten im Rock aus allen Perspektiven abgelichtet. Ringos Barbara habe übrigens ein Hochzeitskleid vom gleichen Modeschöpfer getragen wie Diana bei ihrer Heirat mit Charles“, stellt Richard fest, ...und ihre Liaison halte immer noch. „Am Kleid kann es also nicht gelegen haben“, frozzelt unser Beatles- Guide [Anm.: Das war genau einen Tag vor Dianas Ableben].

Montagu Square, Nummer 34. „Ringo's Home 1964“. Wie alle Londoner Domizile der Beatles, ob Wohnungen, Häuser oder Hotels, wurde das unscheinbare Appartement im Tiefparterre von vernarrten Pilzkopf-Fans Tag und Nacht belagert und mit Graffiti bespritzt. „Silly things“ seien hier abgelaufen, berichtet unser Beatles- Chronist. Zum Beispiel, daß John und Yoko von sechs Polizisten wegen Besitz von Haschisch verhaftet worden seien. Und daß später der Beatles-Freund Jimi Hendrix hier gewohnt habe, der das Appartement kurzerhand ganz schwarz strich und es auf Anordnung der Eigentümer wieder weißen mußte.

Wo normale Touristenführer einen Regenschirm oder ein Fähnchen hochhalten, da leitet uns Richard, immer with a little help of a soundtrack aus dem Ghettoblaster, von Kultstätte zu Kultstätte. Mit wieselflinker Zunge (und für fremde Ohren allerdings gewöhnungsbedürftigem Englisch) spult Richard sein Expertenwissen ab. Als ob der Präsident des London Beatles Fan Clubs und Herausgeber des Magazins Off the Beatle Track noch beweisen müßte, daß er den Titel „Britains Brain of Beatles“, von der jährlichen Convention verliehen, auch wirklich zu Recht trüge. Die Beatles sind für den 34jährigen mit der natürlichen Dauerwelle zur Vollzeitbeschäftigung geworden, seit er 1989 seinen „langweiligen Bankjob“ aufgab. Inzwischen hat der Beatlemanic über 1.300 Beatles-Führungen für Gruppen gemacht: neben der „In my Life„-Tour immer wieder auch auch eine „Magical Mystery Tour“.

„Reed Employment“ steht an der nüchternen Fassade des Eckhauses Paddington/Baker Street. Ein Arbeitsvermittlungsbüro. Und wo liegt an dieser Stelle die Beatles-Connection begraben? Einen Moment. Richard zeigt ein Farbfoto herum, das gleiche Haus, nur 30 Jahre jünger, prächtig bunt, psychedelisch angepinselt. Aus Steuergründen hatten die Beatles das „Apple Corps“ gegründet und mußten 1967 zwei Millionen Pfund ausgeben, bevor – Please, Mr. Taxman! – zuschlug. Sie investierten daher in den Apple-Shop, ihre erste musikbranchenfremde Company. Doch der Kleiderladen entpuppte sich als Flop und überlebte nur sieben Monate; Kunden hatten reichlich Fummel mitgehen lassen und Angestellte sich großzügig selbst bedient.

Wimpole Street, feinste Londoner Wohndresse, „wo Paul mit seinem langjährigen Girlfriend, der Schauspielerin Jane Asher, lebte“. Tief im Jahr 1963 trug es sich zu, daß Paul hier von einer Melodie geträumt hatte. Ob „Yesterday“, mit dem ursprünglichen Titel „Scrambled eggs“ (Rühreier) auch zum Megahit der Popgeschichte geworden wäre?

Was die Beatles denn zur Zeit eigentlich machen, will ein Groupie von unserem wandelnden Pilzkopf-Lexikon wissen. Well, Paul habe gerade ein neues Album herausgebracht und werde sein symphonisches Poem bald in der Royal Albert Hall aufführen. Im Internet habe „poor Paul“ nach einem Interview drei Millionen Fragen bekommen („Welche Unterwäsche tragen Sie?“). George habe letztens die Band Oasis scharf kritisiert („Das ist was für 14jährige Girls“) und statt dessen „Listen to Bob Dylan“ empfohlen. Und Ringo? Der toure gerade mal wieder durch Amerika.

Das „EMI House“ am Manchester Square wird wahrscheinlich schon bald abgerissen. „Eine Schande“, preßt Richard verärgert heraus, wieder ein „Beatle-Gedenkplatz weniger“. Die Plattenfirma EMI sei schon umgezogen und habe doch glatt den berühmten Balkon im Innern des Gebäudes, auf dem die Fab Four für das rot-blaue Album abgelichtet sind, ausgebaut und mitgenommen.

Das Highlight serviert uns Richard zum Schluß: Die Abbey Road Studios, wo seit 1962 rund 90 Prozent aller Beatles-Songs aufgenommen wurden. Ein Wallfahrtsort des Pop. „Let's walk about the famous crossing“, fordert Richard uns auf, und wir schreiten respektvoll über den weltweit berühmtesten Zebrastreifen, den die vier Musiker für das Cover des „Abbey Road“-Albums im Gänsemarsch überquerten. Als 1969 die letzte Beatles-LP herauskam, sorgte das Foto bei den Fans für größte Aufregung: War der abgebildete Paul ein Double für den verstorbenen Paul? Wie konnte Paul nur barfuß laufen und eine Zigarette in der rechten Hand halten, obwohl er doch die Gitarre mit links spielt? Und steht das Kennzeichen „LMW“ des parkenden weißen VWs nicht für „Linda McCartney widowed“ (verwitwet)? Doch „Paul is alive“, beruhigt uns Richard und zeigt stolz ein Foto herum: himself, Seite an Seite mit Sir Paul. Bei einer der letzten Führungen kam der Oberbeatle zufällig die Treppe der Abbey Road Studios herunter.

Infos: The Beatles „In my life“ Walk, dienstags und samstags um 11 Uhr (Treffpunkt U-Bahn Station Baker-Street); The Beatles Magical Mystery Tour, mittwochs 14 Uhr, donnerstags und sonntags 11 Uhr (Treffpunkt: U-Bahn-Station Tottenham Court Raoad, Ausgang Dominian Theatre). Die 2 1/2-stündigen Spaziergänge kosten 4,50 Pfund (etwa 13 DM), Studenten zahlen 3,50 Pfund

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