Theaterwerkstätten von Auflösung bedroht: Die Volksbühne spielt den Ball zurück
Noch hat das Haus eigene Theaterwerkstätten. Doch die sollen aus Spargründen aufgelöst werden. Aber nun gibt es einen durchgerechneten Gegenvorschlag.

D er Betrieb geht normal weiter, als ob nichts geschehen wäre. Dabei ist – um es einmal theatralisch zu formulieren – die Theaterwelt im Wanken. Zumindest in Teilen. Wie bekannt, kommt es wegen klammer Kassen zu drastischen Kürzungen im Kulturbereich (und auch in vielen anderen Bereichen wie der Jugend- und Bildungsarbeit). Für die Hauptstadtkultur sind das 130 Millionen Euro allein für dieses Jahr. Die Volksbühne ist dem Vernehmen nach vom Berliner Senat dazu aufgefordert, 2 Millionen Euro einzusparen.
Die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt sucht nach Einsparmöglichkeiten – statt nach Ideen für mögliche Mehreinnahmen, die dem Finanzressort auf die Sprünge helfen könnte. So steht neben anderen Sparmaßnahmen die Auflösung der Theaterwerkstätten der Volksbühne und deren Angliederung an den Bühnenservice Berlin im Raum. Der ist nach eigenen Angaben der größte Theaterdienstleister in Deutschland mit Sitz am Ostbahnhof und baut die Bühnenbilder für die drei Opernhäuser, das Theater an der Parkaue und auch das Deutsche Theater.
Nach dem Vorbild der 2004 gegründeten Stiftung Oper – auch damals war die Haushaltslage angespannt – hat der Senat die Idee, das Gorki-Theater, Deutsche Theater, Theater an der Parkaue und Konzerthaus sowie die Volksbühne in eine Stiftung öffentlichen Rechts zu überführen. Ziel wie einst mit der Stiftung Oper: Die Häuser werden wirtschaftlich und künstlerisch weiterhin selbständig geführt, aber Synergien (Stichwort Verwaltung) gesucht und die Werkstätten zentralisiert, denn das spart Finanzen und Personal und braucht weniger Zuschüsse vom Land.
Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ist übrigens das einzige Senats-geleitete Theater in Berlin, das noch Werkstätten mit eigenem Personal, eigenen Räumlichkeiten und einer eigenen Infrastruktur hat. Einzig das Maxim Gorki Theater hat – neben dem Privattheater Schaubühne – noch eigene Werkstätten und Angestellte in den Räumen des Bühnenservice.
Werbetrommel in eigener Sache
In den Werkstätten der Volksbühne, ein Bau von 1939 und von Anfang an für die Volksbühne konzipiert, sind 77 Mitarbeiter:innen verschiedener Gewerke vom Entwurf einer Bühnenkulisse bis hin zur Fertigung beschäftigt. Dazu kommen 14 Kolleg:innen in den Kostümwerkstätten, die im Theater am Rosa-Luxemburg-Platz untergebracht und ebenfalls von Abwicklung bedroht sind.

Doch noch ist nichts beschlossen. Also rührt die Volksbühne in bekannter Manier die Werbetrommel in eigener Sache. Am Mittwoch wurde die Hauptstadtpresse in die Werkstätten der Volksbühne an der Thulestraße in Berlin-Pankow eingeladen und durch die Hallen geführt (taz berichtete). Überall wurde emsig gearbeitet. Deren Abwicklung wäre „eine Katastrophe“, sagt Celina Nicolay, die künstlerische Betriebsdirektorin. „Die eigenen Werkstätten mit allen Mitarbeiter:innen gehören unverzichtbar zur DNA der Volksbühne.“
Das Damoklesschwert der Auflösung der Werkstätten ist indes nichts Neues für das Haus. Darauf macht zum Beispiel Frank Mittmann in einem soeben erschienen Volksbühnen-Heft zu den Werkstätten aufmerksam, das auf dem Cover den Schriftzug „No Service“ trägt. Den kämpferischen Slogan zieren orange leuchtende Plakate vor der Werkstatt und auch drinnen.
„Wir sind das einzige Senats-geleitete Theater“, schreibt Frank Mittmann, „das noch eigene Werkstätten hat und das, muss ich sagen, haben wir eigentlich unserem Intendanten Frank Castorf zu verdanken, der sich da immer für uns eingesetzt hat. Das stand mehrfach auf der Kippe, wir haben die schlimmsten Geschichten hinter uns, mit Privatisierungsvorhaben und Outsourcing und so weiter.“
„Das ist eine ganz andere Verbindung“
Das viel beschworene „besondere“ von hauseigenen Werkstätten kann Mittmann so gut erklären, weil er – hier passt das Wort wirklich – ein Urgestein ist. Frank Mittmann machte 1974 eine Tischlerlehre an der Volksbühne, von 1987 bis 2021 leitete er die Werkstätten in der Thulestraße. „Die Motivation der eigenen Mitarbeiter ist natürlich auch sehr wichtig“, sagt Mittmann. „Es ist bei uns einfach so, dass die Kollegen der Werkstatt in die Premieren gehen oder sogar selber mitmachen, zum Beispiel im Mitarbeiterchor. Das ist eine ganz andere Verbindung, die man zu so einem Haus hat. Man weiß, wofür man arbeitet. Und ich denke auch, dass das eine Rückkopplung auf die Qualität der Arbeit hat, wenn Identifikation stattfindet.“
Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (CDU) hat übrigens die gleiche Führung durch die Werkstätten bekommen wie die Presse, allerdings schon im März; da war sie noch Kulturstaatssekretärin. Als Senatorin gibt sie nun auf taz-Anfrage zu Protokoll, dass sie sich „von der hoch kreativen und leidenschaftlichen Arbeit der Mitarbeitenden überzeugen“ durfte. Diese hätten erklärt, dass „ihre Werkstätten Teil ihrer künstlerischen Identität sind“. Doch auch die Volksbühne als landeseigener Betrieb müsste im Rahmen der Haushaltskonsolidierung sparen. „Die Form der Umsetzung liegt im Verantwortungsbereich der Volksbühne selbst“, spielt Wedl-Wilson den Ball zurück.
Die Volksbühne hat den Ball aufgenommen. Wie Betriebsdirektorin Celina Nicolay der am Mittwoch versammelten Presse erklärte, liegt bereits ein Vorschlag samt Zahlen auf dem Tisch. Man hat genau nachgerechnet. Wenn die Volksbühne künftig auch den Bühnenservice Berlin beauftragen müsste, käme das „viel teurer“. Beim Bühnenservice gibt es wegen weniger Aufträgen aus den anderen Häusern, die ja auch sparen müssen und weniger Stücke inszenieren, freie Kapazitäten. Der Bühnenservice, so Nicolay, berechnet für seine Dienste 60 Euro pro Stunde. Die Volksbühne selbst bekommt das mit knapp 47 Euro hin – mit allen Vorteilen, die diese hauseigene Arbeitsweise mit sich bringt.
Außerdem muss die Volksbühne aus ihren Proberäumen in Rummelsburg raus; dort probt übrigens auch das Gorki-Theater. Im Jahr 2029 läuft der Mietvertrag aus. Der Vorschlag ist daher, so Nicolay, auf dem landeseigenem Grundstück, auf dem sich die Werkstätten befinden und auf dem es genug Platz dafür gibt, eine Probebühne für beide Theater zu bauen. Das würde den Theaterstandort Ostberlin nicht degradieren, sondern aufwerten.
Damit würde sich ein Kreis schließen, geschichtlich gesehen: Beim Bau der Werkstätten wurde damals ein zweiter Gebäudekomplex geplant, im Krieg aus Kapazitätsgründen aber nicht realisiert.
Und so ein Probenbühnen-Neubau wäre ganz im Sinne des ehemaligen Intendanten Castorf und auch des designierten Intendanten Matthias Lilienthal. Auch das ist durchgerechnet, wie Betriebsdirektorin Celina Nicolay betonte, und eine Machbarkeitsstudie auf dem Weg. Spart die Volksbühne (und dann ja auch das Gorki) die „horrende Miete“ der Probenräume, ließe sich mit dem Geld und dem ein oder anderen Zuschuss der Neubau realisieren und am Ende viel an Miete sparen. Der Ball liegt also wieder im Feld der Kultursenatorin.
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