piwik no script img

Theaterautor Bonn ParkUnliebsame Wichte

Stücke fehlten, da schrieb er eben eins. Der junge Berliner Autor Bonn Park ist zum Stückemarkt des Theatertreffens eingeladen.

Bonn Park ist in Berlin aufgewachsen und ein Volksbühnenfan Foto: Niklas Vogt

Bitte stellen Sie sich einen jungen Mann bei einer Lesung vor. Er liest einen Monolog, und zwar einen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un, mit halbauthentischem schwiizerdütschen Akzent. Bonn Park liest, so heißt der junge Mann, als Kim Jong Un mit Nachdruck Zeilen wie diese: „Wiedervereinigung oder BOOM.“

Mussten Sie gerade, beim Imaginieren, zumindest leicht schmunzeln? Dann stehen die Chancen gut, dass Bonn Park der junge Autor ist, von dem Sie wünschten, seine Texte würden längst auf den größten Bühnen des Landes gespielt.

Stückemarkt

Der Stückemarkt beim Berliner Theatertreffen 2017 geht vom 11. bis zum 14. Mai. Sechs Autoren werden in szenischen Lesungen vorgestellt und eine begleitende Konferenz, entwickelt mit der Bundeszentrale für politische Bildung, fragt nach der Demokratie in Krisenzeiten. "Das Knurren der Milchstraße" läuft am Samstag, 20 Uhr, im Haus der Berliner Festspiele.

Es ist ein Samstag und der erste Abend des Theatertreffens in Berlin, wovon im Neuköllner Schillerkiez allerdings nichts zu spüren ist. Vor dem Froschkönig, einer grundsoliden Kneipe, regiert die Gemütlichkeit. Paar Flaneure, paar Jungs, die ’nen Harten schieben, alles schön langweilig. Bonn Park sitzt mit mir an einem Biergartentisch, streicht sich die dunklen Locken aus dem Gesicht. Der Kellner stellt sechs Kurze auf den Tisch, um aus dem hier, der Interviewsituation, ein entspanntes Gespräch zu machen.

Der oben erwähnte Monolog ist einer von mehreren aus dem „Knurren der Milchstraße“, dem Text, mit dem Bonn Park zum Stückemarkt des Theatertreffens eingeladen ist. „Das Stück besteht eigentlich nur aus Monologen“, sagt Bonn Park, „natürlich mit Absicht.“ Der fassungslose Kim Jong Un beispielsweise erklärt, er fühle sich missverstanden. Eigentlich sei er ja angetreten, um für mehr Frieden und Liebe in der Welt zu kämpfen, nur der Westen wolle halt nicht, ganz besonders die Südkoreaner.

Sympathien für Arschlöcher

Zwar ist „Das Knurren der Milchstraße“ eher zum Lachen als zum Weinen. Wie der Autor allerdings unliebsame Wichte wie den „ernüchterten Donald Trump“ oder „die zornige Frau, die die Sozialdemokratie rettet“, oder „die fette Heidi Klum“ in einen an Handlung armen – jetzt muss natürlich kurz das Postdramatische des Stücks erwähnt werden – Text einbaut, das hat etwas sehr Liebevolles. Keine seiner Figuren ist ein Held, aber am Ende hat der Text auch Sympathien für Arschlöcher und Schweine, weil: Letztlich sind sie ja alle genauso arm dran wie der Autor, du und dein unausstehlicher Onkel.

Ausgehend von der Annahme, dass es ganz gleich ist, ob man nun in die Volksbühne geht oder einfach sieben Stunden lang mit der S-Bahn durch Berlin gondelt – weil’s am Ende ja alles Theater ist –, macht Bonn Park als Autor genau das Richtige: Er verdichtet, spitzt zu und landet bei einer Theatervision, die zwar genauso traurig ist wie die Realität, aber immerhin witziger. Das ist doch etwas beziehungsweise mehr, als man gemeinhin so von neuen Theatertexten erwarten kann, wenn die nicht gerade von René Pollesch oder Elfriede Jelinek sind.

Als Teenie zum Casting

„Ich wollte ja nie Autor sein“, erzählt Bonn Park. Gerade haben wir den zweiten Absolut Vodka hinuntergestürzt. Park, 1987 in Berlin geboren, berichtet, wie er als Teenie aus Versehen Schauspieler wurde, weil ihn eine Freundin zu einem Casting schleppte, wo man noch einen asiatisch aussehenden Jugendlichen suchte. „Danach hatte ich eine Zeit lang mehr Geld, als man normalerweise in dem Alter hat. Ich glaub, die anderen jungen Schauspieler und ich waren ziemlich unausstehlich.“ Grinsen. Wenn man ein Taxi rufen wollte, rief man es halt und fuhr dann irgendwohin, wo man sich gut betrinken konnte. So lange, bis einen das anödete und man Bock hatte auf mehr.

Bei Bonn Park geschah das, als er mit 16 allein in einen Dimiter-Gotscheff-Abend in der Volksbühne ging, „Das große Fressen“, in dem sich vier Wohlstandsverwahrloste zu Tode futtern und vögeln wollen. Gotscheff inszenierte den „Skandalfilm“ mit so viel Schaum auf der Bühne, dass die Spieler am Ende alle wie in Watte gepackt waren. Offenbar, könnte man sagen, hat dieser Theaterabend Bonn Park – für den die wattierte Lebensrealität des Westens auch ein wichtiges Thema ist – seitdem nicht mehr losgelassen.

Letztlich sind sie alle so arm dran wie du und dein Onkel

Auf jeden Fall folgten auf dieses einschneidende Guckerlebnis: mehr Theaterbesuche, Hospitanzen an der Volksbühne, unter anderem bei Frank Castorf, und ein Studium an der Universität der Künste (Szenisches Schreiben). „Vorher hatte ich keine Ahnung, dass man heute überhaupt Theaterautor werden kann.“

Zum Schreiben kam er dann auch eher notgedrungen, weil er während seiner Zeit als Hospitant bereits Teil der Volksbühnen-Jugendabteilung p14 war und weil man dort nach neuen Texten gierte und er dann halt welche schrieb.

Preise gewonnen

Das lief so gut, dass Park irgendwann anfing, Stücktexte bei Wettbewerben einzureichen: „Die Leiden des jungen SuperMario in 2D“ gewann 2011 den Innovationspreis beim Heidelberger Stückemarkt, „Traurigkeit und Melancholie“ den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis.

Offenbar glaubt nicht nur der Autor dieses Texts, dass Bonn Park eine gewichtige Stimme werden kann, ja muss. Irgendwer muss ja endlich kommen und Fun, Action und Fragezeichen zurückbringen in einen Betrieb, der zu oft vom eigenen Verstand besoffen ist und dem wahrscheinlich gerade deshalb noch kein Mittel gegen die schwindende Wirkmacht des Theaters eingefallen ist.

Die letzten Worte gehören Bonn Park selbst: „Die Menschen hier sind katastrophal, mitunter gar mies und gemein, aber nun versuchen sie Dinge zu tun, tolle Dinge aus reiner Nai­vität, angenehm blöd, um die Welt anzuschieben, in einer Zeit, in der niemand mehr Dinge tut, vor allem nicht die Talentierten und Privilegierten, die irgendwann von Schaum und Internet gefressen werden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!