„The Apprentice“-Premiere in Cannes: Niemals eine Niederlage eingestehen
Bei den Filmfestspielen erzählt Regisseur Ali Abbasi in dem Film „The Apprentice“ vom Aufstieg Donald Trumps – ein realer Schrecken in Cannes.
An der Croisette ist schon mehr als die Hälfte des Wettbewerbs über die Leinwände gelaufen, doch immer noch fehlt ein klarer Favorit. Drastik ist eines der Mittel der Wahl in vielen Filmen, allein drei davon bedienen sich, wenngleich eher am Rand und zu unterschiedlichen Zwecken, des Themas der abgeschnittenen Finger. In Yorgos Lanthimos’ „Kinds of Kindness“ ist derlei zu sehen, ebenso in Jacques Audiards Musical-Melodram „Emilia Perez“ um die Geschlechtsumwandlung eines mexikanischen Narcos-Bosses, und auch David Cronenberg lässt in „The Shrouds“, einer surrealen Verschwörungskomödie über einen Unternehmer, der Leichentücher mit eingebauten Kameras entwickelt, einen Protagonisten ein paar seiner Extremitäten verlieren.
Überzeugender sind bisher dennoch die Filme mit weniger extravaganten Gestaltungsideen. So wählt der Regisseur Ali Abbasi für seinen Donald-Trump-Spielfilm „The Apprentice“ eine vergleichsweise konventionelle Inszenierung. Er beschränkt sich bei der Handlung auf die relativ kurze Zeit von den Siebzigern bis in die späten achtziger Jahre, als Trump „bloß“ Unternehmer war und noch keine TV-Karriere oder ernsthafte politische Ambitionen entwickelt hatte.
Trotzdem trägt Abbasi all die nötigen Zutaten zusammen, die es für den späteren Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten braucht.
Zu Beginn sieht man den jungen Trump, der noch im Schatten seines dominanten Vaters Fred Trump steht. Im exklusiven Elite-Treff Le Club macht er die Bekanntschaft des Rechtsanwalts Roy Cohn (Jeremy Strong), der beschließt, dem ehrgeizigen Immobilienmakler aus einer finanziellen Schieflage zu helfen.
Den Meister an Skrupellosigkeit überbieten
Sebastian Stan verkörpert Trump zunächst als smarten, noch etwas schüchternen jungen Mann, der mit Staunen registriert, wie Cohn sich über jegliche Regeln, auch des Rechts, hinwegsetzt, um zu gewinnen. Erst nach und nach bekommt dieser Trump den orangen Teint und das breite Grinsen, mit dem man den aktuellen Präsidentschaftskandidaten assoziiert. Ohne das Maß an Vulgarität zu erreichen, für die Trump mittlerweile steht.
Der Titel spielt dabei geschickt mit Trumps späterer Medienkarriere einerseits, dieser hatte von 2004 bis 2017 seine eigene Reality-TV-Show namens „The Apprentice“, andererseits gibt der Titel vor, wie Abbasi den Aufstieg Trumps verstanden wissen will: Er zeigt ihn als gelehrigen Schüler seines Mentors Roy Cohn. Seinen Meister wird Trump an Skrupellosigkeit schließlich überbieten und dessen Erfolgsregeln als seine eigenen ausgeben. Darunter auch diese: Niemals eine Niederlage eingestehen.
Den Übergang von einem Jahrzehnt zum anderen markiert Abbasi durch den Wechsel des Filmmaterials. Sieht man in den Siebzigern noch ein New York in grobkörnigen Bildern, folgt zu Beginn der „Aids-Dekade“, der 1986 auch Roy Cohn zum Opfer fällt, ein verrauschter Video-Look. Gegen Ende bekommen die Bilder etwas digital Kaltes, passend zum Stand der persönlichen Entwicklung des Antihelden.
Dieser Film wird, so sehr man sich das vielleicht wünschen mag, eine eventuelle Wiederwahl Trumps nicht verhindern können. Ein anderer könnte es vermutlich ebenso wenig. Trumps Anhänger nehmen im Zweifel alles, was über ihn gesagt wird, ob kritisch oder nicht, als Bestätigung ihrer Ansichten. Abbasis Porträt rekapituliert lediglich mit wenigen, präzise gesetzten Strichen, mit wem es die Welt hier zu tun hat. Das reicht für echten Schrecken.
Trump hat angekündigt, dass er gerichtlich gegen den Film vorgehen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!