Textilarbeiterstreik in Kambodscha: Regierung spricht von „Anarchie“
Die Streikenden in der kambodschanischen Textilindutrie wollen ein Ende des Lohndumpings. Das haben die ersten nun mit ihrem Leben bezahlt.
BANGKOK taz | Tagelang lief alles friedlich ab, dann aber eskalierten die Proteste: Bei schweren Ausschreitungen in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh sind mindestens fünf Menschen getötet worden. Darüber hinaus gab es etliche Verletzte, berichteten Augenzeugen am Freitag.
Militärpolizisten hatten versucht, die Proteste gewaltsam zu beenden und mit automatischen Gewehren auf die Demonstranten gefeuert. Die protestierenden Arbeiter hatten daraufhin Steine, Flaschen und Molotowcocktails in Richtung der Polizei geschleudert.
„Ich habe mitangesehen, wie drei Menschen getötet wurden“, zitierte die Zeitung Cambodia Daily Chan Sovet von der Menschenrechtsorganisation Adhoc. Die Militärpolizei hingegen sprach von „Anarchie” und versuchte, den brutalen Einsatz zu rechtfertigen. Man habe den den Demonstranten nicht erlauben können, die Staßen zu blockieren, und deshalb etwas unternehmen müssen.
Blutige Niederschlagungen von Protesten streikender Arbeiter oder von Landraub betroffenen Bewohner sind keine Seltenheit in dem Land, das zu den ärmsten Asiens zählt. Bereits am Donnerstag waren Elitesoldaten gewaltsam gegen protestierende Arbeiter in einer Fabrik vorgegangen und hatten mehrere Streikende verhaftet. Menschenrechtler kritisierten den Einsatz militärischer Eliteeinheiten, bei dem Arbeiter, Gewerkschafter sowie Mönche misshandelt und verletzt wurden, als „beispiellos“.
95 Dollar pro Monat sind zu wenig
Die seit mehr als einer Woche andauernden Proteste sind Teil eines landesweiten Streiks, der die meisten Fabriken des Landes lahmlegt. Die Beschäftigten in der Textilindustrie fordern eine Verdoppelung ihres jetzigen monatlichen Mindestlohns auf 160 Dollar (umgerechnet 118 Euro).
Eine von der Regierung versprochene Erhöhung auf 95 Dollar lehnten die Gewerkschaften als völlig unzureicheichend ab. Bislang zeigen sich weder die Regierung noch der Verband der Textilhersteller zu Zugeständnissen bereit: Bei höheren Löhnen würden ausländische Investoren dem Land den Rücken kehren und Arbeitsplätze verloren gehen, hieß es.
Bis zu 650.000 Menschen arbeiten in Kambodschas Textilsektor, der vor allem internationale Modemarken beliefert. Die Textilindustrie gilt als wichtigster Exportzweig des südostasiatischen Landes, das seit fast 30 Jahren vom autoritären Premier Hun Sen und einer ihm verbundenen korrupten Elite regiert wird. In den ersten elf Monaten 2013 exportierte die Textilindustrie Waren im Wert von umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar.
Desaströse Produktionsbedingungen
Doch die Beschäftigten in den Fabriken, hauptsächlich Frauen aus den ländlichen Regionen, die einen Großteil ihres Lohnes nach Hause schicken, spüren nichts von diesem Exportsegen. Stattdessen fristen sie ihr Dasein mit Hungerlöhnen und unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen.
So war im Mai 2013 in einer kambodschanischen Provinz das Dach einer Schuhfabrik eingestürzt, wobei es Tote und Verletzte gab. Den Opfern wurde Entschädigung versprochen, doch Menschenrechtler monierten, dass Behörden und Unternehmen sich nicht freikaufen könnten. Mit Geld allein, wenn es denn überhaupt gezahlt werde, sei das strukturelle Problem der oft desaströsen Produktionsbedingungen keineswegs gelöst.
Indes sucht die Regierung, dem politischen Gegner die Schuld an der jüngsten Eskalation zuzuschieben. Ein Regierungssprecher mutmaßte, die Protestbewegung unter Oppositionsführer Sam Rainsy habe die Arbeiter angestachelt. Seit den umstrittenen Wahlen vom Juli 2013 iniitiert die Opposition Massenproteste, denen sich die Textilbeschäftigten anschlossen: Die Kritiker werfen der Regierung von Hun Sen massive Wahlfälschung vor.
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