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Tesla in BrandenburgAuf Sand gebaut

Schon im Sommer will das Tesla-Werk in Grünheide die Produktion hochfahren. Doch noch fehlt die endgültige umweltrechtliche Genehmigung.

Wächst fast so schnell wie bald der Spargel ringsum: das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide Foto: Jochel Eckel/imago

Grünheide taz | Südöstlich von Berlin wächst ein Gigant aus dem märkischen Boden, fast so schnell wie bald der Spargel ringsum. 5,8 Milliarden Euro sollen für die Tesla Gigafactory, wenn alles fertig ist, verbaut sein. Manche halten es für Zauberei, wie zügig die größte Industriebaustelle Deutschlands Gestalt annimmt. Andere denken da eher an Dreistigkeit. Michael Ganschow etwa. „Die ziehen das Ding durch“, sagt der Geschäftsführer der „Grünen Liga“ Brandenburg. Ganschow und sein Verband haben von Anfang an dagegengehalten. Doch obwohl das Werk im Juli schon produzieren soll, fehlt immer noch die endgültige umweltrechtliche Genehmigung. Eine Entscheidung um Ostern, hieß es, gilt als wahrscheinlich. Letzte Gelegenheit für Einspruch?

Michael Ganschows Büro in Potsdam liegt versteckt. Das „Haus der Natur“, einst Wäscherei, zur DDR-Zeit ein Kindergarten, ist heute Domizil mehrerer Umweltverbände und Naturschutzgruppen. Dort ist man eher skeptisch gegenüber den Visionen von Elon Musk zur E-Mobilität, der Vernetzung von Hirnen und planetarischen Siedlungen. Die SPD-geführte Koalition mit Grünen und CDU hingegen ist ganz beseelt von dem Mann, der bereits darüber sinniert, sich am Ende seiner Tage wie ein Prophet auf dem Mars begraben zu lassen. Erzählt Wirtschaftsminister Jörg Steinbach von der SPD vom Tesla-Coup mit seinen über 10.000 Jobs, liegt ein Strahlen auf seinem Gesicht.

Die Grüne Liga pochte seit Beginn der Planungen darauf, dass die Belange des Naturschutzes nicht abgeräumt werden wie die 80 Hektar Wald Anfang 2020. Mit einem Eilantrag konnte sie die Rodung gerichtlich stoppen, allerdings nur für drei Tage. Über den Verband brach trotzdem ein „Shitstorm“ herein, erzählt Ganschow. Dabei hatten sie gute Argumente. „Die vorzeitige Zulassung der Rodung erfolgte ohne artenschutzrechtliche Bewertung. Das ist für mich eine Katastrophe.“ Obwohl die Frist für Einwendungen gegen das Vorhaben noch nicht verstrichen war, fielen die Bäume. Ganschow wundert es nicht, dass sich Wirtschaftsminister Steinbach einen Whisky einschenkte, als die Rodung genehmigt wurde.

Bis heute bleiben Fragen offen: In welche Gefährdungsstufe wird die Fabrik eingeordnet? In die höchste? Dann dürfte sie nicht in einem Wasserschutzgebiet stehen. Unklar ist, welche Chemikalien dort lagern werden. Das zu wissen ist für das Störfallrecht wichtig. Welche Umweltbelastungen ergeben sich aus der Batteriezellenfabrik, die auf dem Gelände entstehen soll? Und wie steht es um die Logistik? Tesla schweigt dazu. Eine Pressestelle gibt es nicht. Manchmal dringt die Kritik bis nach Kalifornien. Dann meldet sich Musk persönlich zu Wort. Wie neulich nach einer ZDF-Doku, als die Frage auftauchte, woher all das Wasser kommen soll für die Tesla-Pläne. „Wow, shame on ZDF Info“, fauchte Musk auf Twitter, ließ die Antwort aber offen.

David gegen Goliath

Sand ist ein schönes Stichwort. Zauneidechsen und Schlingnattern mögen es warm. An Hängen sonnen sich die geschützten Reptilien gern, es können auch Bahndämme und Autobahnböschungen sein. Von dort zieht es sie in ihre Winterquartiere unter den Bäumen. Deswegen ruhen die Bauarbeiten an der provisorischen Autobahnabfahrt am Tesla-Werksgelände, und auch am anderen Ende des 300 Hektar großen Geländes bleiben vorerst Bäume stehen. Im Dezember 2020 hatte die Grüne Liga zusammen mit dem Nabu Brandenburg mit einem Eilantrag vor dem OVG mehr Glück. Die Rodung eines Teilstücks wurde gestoppt.

Es geht uns nicht darum, Tesla zu verhindern. Aber Tesla muss die Umwelt-vorschriften einhalten

Christiane Schröder, Nabu Brandenburg

Ein Erfolg? Ganschow winkt ab. Das Kräfteverhältnis ist zu eindeutig. Mit ausgestrecktem Arm präsentiert Ganschow, zusammengebundene Haare, Bart, Brandenburger Idiom auf den Lippen, die Landesgeschäftsstelle. Die schmalen Regale, die Ordner, die Computer, dazu ein bescheidenes Budget und viel Ehrenamt – das ist das Arsenal, um dem derzeit wertvollsten Autobauer der Welt – Börsenwert etwa 600 Milliarden Dollar – Zugeständnisse beim Artenschutz abzuringen. Ganschow arbeitet in Vollzeit, dazu kommen eine Teilzeitstelle und „Max“, Ganschow deutet auf einen Mann am Computer, der im Freiwilligen Ökologischen Jahr ist.

Und dann kommt Tesla, zieht im November 2019 Unterlagen für eine Autoproduktion aus dem Ärmel und will von den Umweltschutzverbänden binnen zehn Tagen eine detaillierte Stellungnahme. „Ein künstlich erzeugtes Tempo“, ist Ganschow überzeugt. Die Folge: Auf der Baustelle regiert Paragraf 8a Bundesimmissionsschutzgesetz, der vorzeitige Zulassungen erlaubt, wenn mit einem finalen positiven Bescheid gerechnet werden kann. Derzeit laufen der Einbau der Lackiererei, der Gießerei und des Presswerks.

Nach einem Tesla-Jahr und neun vorzeitigen Genehmigungen beschleicht Ganschow ein mulmiges Gefühl. „Dass in der Bundesrepublik so etwas schon einmal vorgekommen ist, ist mir nicht bekannt.“ Die Praxis wird Folgen haben. Was dem einen Unternehmen erlaubt wurde, kann einem anderen nicht versagt werden. Seit 1987, noch in der DDR und halblegal, ist Ganschow Umweltschützer. Er hat 1989 die Grüne Liga mitgegründet, ein dezentrales Netzwerk, ökologisch und basisdemokratisch, ein typisches Kind der Wendezeit. Die Grüne Liga ist im Osten aktiv, hat etwa 30.000 Mitglieder, jahrelang hat sie gegen Energieunternehmen gekämpft, gegen Vattenfall fast bis zum Ruin. Doch bei Tesla ist etwas anders, glaubt Ganschow. „Werden demokratische Grundregeln in eine Grauzone verschoben?“

Eine Etage höher ist im „Haus der Natur“ das Interieur funktionaler, der Geist jedoch derselbe. Vielleicht nicht ganz so impulsiv. Wo Ganschow mit den Armen rudert, bleiben Christiane Schröders Hände ruhig. Die Geschäftsführerin des Nabu Brandenburg tippt schnell noch etwas in den Computer. Ganschow hatte angedeutet, dass es Versuche gab, die Naturschutzverbände auseinanderzubringen. Wenn das so war, hat es beim Nabu nicht gefruchtet. Im Gegenteil. Vor einem Jahr war die Grüne Liga der einzige Brandenburger Verband, der gegen die Rodung klagte. Bei der zweiten ist der Nabu mit dabei.

Die Investruinen Brandenburgs

Rational, ruhig, nüchtern redet Schröder, stellt klar: „Es geht uns nicht darum, Tesla zu verhindern. Aber Tesla muss die Umweltvorschriften einhalten.“ Auch unter hohem Tempo. „Wenn sie so schnell sein wollen, müssten sie in der Lage sein, prüffähige Unterlagen vorzulegen.“ Immer wieder aber komme es zu Änderungen. „Das ist extrem schwierig für die Behörden und auch für die Bürger vor Ort.“ Man rede mit europäischen Tesla-Repräsentanten, und es sei unklar, wie gut sie mit den Verhältnissen in Grünheide vertraut sind. „Wir haben den Eindruck, dass Tesla sehr blauäugig rangeht. Da wird man misstrauisch, ob auch verantwortungsvoll mit der Natur umgegangen wird.“

Wenn die umweltrechtliche Genehmigung erteilt wird, werde man sie prüfen. „Ein Dogma, das sagt, wir klagen oder wir klagen nicht, gibt es nicht“, macht sie klar. Eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Gigafactory bleibt. Sie zählt die Investruinen auf, von denen frühere Ministerpräsidenten einmal schwärmten: die Luftschiffwerft in Spreewaldnähe oder die Chip-Fabrik in Frankfurt (Oder). Gesellt sich die Tesla-Story einmal dazu? „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in zwanzig Jahren dasitzen und sagen, dass das eine tolle Idee war.“

So viel ist sicher – die finale Genehmigung dürfte weiter auf sich warten lassen. Frauke Zelt, Sprecherin des Umweltministeriums, stellt klar, dass es entgegen anderslautenden Berichten keinen Termin gebe, auch keinen vagen. Der grüne Umweltminister Axel Vogel, Herr des Verfahrens, hat sein Prinzip mehrfach bekräftigt: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“ Mit Tesla ist das nicht wirklich kompatibel. Es könnte sein, dass Autos vom Band rollen, obwohl die finale Genehmigung noch fehlt – mit einer letzten vorzeitigen Zulassung für den Probebetrieb.

Doch wie Komponenten das Werk erreichen sollen, bleibt offen. Zwar gibt es noch ein altes Gleis, auf dem derzeit in einzelnen Waggons Baustoffe transportiert werden, der Bau eines richtigen Güterverkehrsanschlusses an das DB-Netz aber habe noch gar nicht begonnen, ist bei der Bahn AG zu hören. Zumindest liefen schon Gespräche. Wirtschaftsminister Steinbach hält eine Verzögerung beim Produktions­start, geplant für Juli 2021, inzwischen für möglich. Schuldige hat er schon ausgemacht: Anwohner und Naturschützer.

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6 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Bei diesem großen Projekt sollte man erwarten, dass so ein Gutachten mit Volldampf vorangetrieben wird.



    Wieso passiert das nicht.



    Sind mehr als 1 Person damit beschäftigt?

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Hey, Mr. Nice - Sie glauben also, dass es da möglicherweise auch noch um andere Personen gehen könnte, als nur Elon Musk?

  • Was soll man schon erwarten vom “American Way of Life”?

    Elon Musk ist bekannt dafür etwas schnell aus dem Boden zu stampfen und dabei sämtliche Regeln von Nachhaltigkeit, Fairness und Verbindlichkeit zu vergessen.

    Wenn man seinen bisherigen Werdegang verfolgt ist es immer der gleiche Ablauf:

    Rein in eine Idee



    Aufbauen



    Später mit viel Gewinn verkaufen

    Was dabei an Schäden und zerstörten Existenzen zurückbleibt ist dem Mann vollkommen egal.

    Tesla ist ein Projekt welches dem Chef der Firma Milliarden einbringt. Damit es so bleibt, muss es weitergehen. Mit Hochdruck und maximaler Geschwindigkeit.

    Auch ist sich Tesla jetzt schon im klaren darüber das die etablierten Firmen nun nachziehen. Da aufgrund der gesetzliche Lage und Vorschriften eine weiterentwicklung vom Verbrenner ausgeschlossen ist, weis man sehr wohl dass fähige Autobauer nun an den start gehen.

    Daher muss die Firma eine Präsenz in Europa errichten um hier den Markt abgrasen zu können.

    Dabei kommen Politik und Firmeninteressen zu einer unheiligen Allianz. Genehmigen und Bauen, egal wie, denn am Ende sollen Produkte vom Band laufen. Selbst wenn die Firma “nur” 5 Jahre ihre Produktion raushauen sollte, hat man Ende ein “+” unter der Rechnung stehen.

    Mir ist jetzt schon klar, das man diesen Produktionsoutput solange aufrecht erhalten wird, wie die “Welt” umstellt auf Elektro und danach schnellstens wieder alles abstösst.

    Dabei wird Brandenburg und Deutschland auf den Lasten sitzen bleiben, welche heute errichtet werden. Das man mit Geschwindigkeit und vor genehmigungen Arbeitet, soll vor allem verhindern, das ein jemand die Spätfolgen abschätzen und bewerten kann.

    Ist das gut? - Nein ist es nicht!



    Ist es rechtens? - Leider ja!



    Kann man daran was ändern? - Zur Zeit nicht.

    Es findet sich einfach keine Partei und Politik, die Umwelt Wohl über Gesellschafts Wohl und Beschäftigung stellen würde. Daher drehen die Mühlen weiter und in 50 Jahre will es wieder keiner gewesen sein.

  • Kann Musk machen, was er will?? Es scheint, hier wird Bau-, Wasserrecht und Immissionschutz gebrochen, aber irgendwer wird es wohl schon richten.



    Wer stoppt diese Großmogule, die glauben, sie können sich über alles erheben? Wer hält in Brandenburg die Hand (Hände) über die Fabrik? Und Tesla sei Klimaschutz, da lachen ja die Turbohühner! Es geht nur ums Geld und um nix anderes!

  • Der eigentliche Knackpunkt ist und bleibt doch das Wasser für die Produktion. Woher soll es eigentlich kommen? Der dortige Wasserverband warnte von Anfang an, dass die Kapazitäten nicht reichen. Soll man mit dem ohnehin wenigen Wasser die Haushalte versorgen, oder eine Gigafabrik? Es steht zu befürchten, dass Tesla unterm Strich in Brandenburg letztlich nur verbrannte Erde erzeugt. Bei diesen Giga-Konzernen ist aus meiner Sicht grundsätzlich Vorsicht geboten. Nach groß kommt größer und nach noch größer dann das plötzliche Aus. Beispiele gibt's genug, trotzdem fallen ambitionierte Lokalpolitiker immer wieder gern auf diese Masche rein.

  • Auf diesem Gelände herrschte ohnehin lange Zeit kein Rechtsstaatsbewusstsein... :-( Siehe: www.bpb.de/geschic...tik-der-repression