Terrorwarnungen für Deutschland: Deutschland bleibt cool
Die USA, Großbritannien und Japan warnen vor Anschlägen in Deutschland. Der rechte US-Sender nennt mögliche Ziele, doch die Bundesregierung befindet: Kein Grund für Alarmismus.
BERLIN taz | Die Bundesregierung lässt sich von Warnungen vor Terroranschlägen kaum beeindrucken. Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) sagte am Montag, es gebe keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Deutschland. Es bestehe jedoch eine hohe abstrakte Gefährdung. "Für Alarmismus besteht jedenfalls zurzeit kein Anlass."
Das passt zu seiner Linie, sagte er doch zu Amtsantritt, er wolle die Bevölkerung nicht durch ständige Terrorwarnungen verunsichern. Am Sonntag hatte das US-Außenministerium einen Reisehinweis für Europa herausgegeben. Ohne mögliche Anschlagsziele zu nennen, mahnten die Behörden US-Bürger zu besonderer Vorsicht an öffentlichen Orten wie Touristenzielen. Aktuelle Informationen deuteten darauf hin, dass al-Qaida Anschläge plane, so die US-Behörden.
Auch Großbritannien erhöhte die Terrorwarnung in Deutschland und Frankreich von "allgemein" auf "hoch". Am Montag zog Japan nach. Bisher riet aber keines der Länder vor Reisen nach Europa ab.
So weit, so vage. Konkreter wurde der US-Fernsehsender Fox News. Der Berliner Hauptbahnhof, der Fernsehturm am Alexanderplatz und das Hotel Adlon seien im Visier islamischer Terroristen. Auch der Pariser Eiffelturm und Notre Dame stünden auf einer Liste mit Zielen. Der Sender beruft sich auf Informationen, die vom Deutschpakistaner Ahmad S. stammen sollen, der in Afghanistan in US-Gefangenschaft ist.
Die taz hatte Anfang September über den deutschen Terrorverdächtigen und dessen Festnahme berichtet. Ahmad S., der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wird seit Anfang Juli in der US-Luftwaffenbasis Bagram von US-Spezialisten verhört. Erst jetzt bekam auch ein deutscher Diplomat Zugang. "Ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts hat mit S. gesprochen", bestätigte Stefan Bredohl, Sprecher im Auswärtigen Amt, der taz. Einzelheiten dieses Gesprächs nannte er nicht.
S. gehörte zu den neun Männern und zwei Frauen, die sich im März vergangenen Jahres Richtung Pakistan aufmachten, um sich in Terrorcamps ausbilden zu lassen. Sie hatten sich in der ehemaligen Hamburger Al-Quds-Moschee getroffen, die einst auch die Attentäter vom 11. September besuchten.
Mit der Nennung konkreter Anschlagsziele steht der konservative Sender Fox News bislang allein da. "Vorsichtig ausgedrückt: Ich hätte gerne noch eine seriöse Quelle, bevor ich das als Faktum akzeptiere", sagte Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, der taz. Die Reisehinweise der USA und Großbritanniens dagegen nehme er ernst. Deren Aussagen basierten auf Ergebnissen der technischen Aufklärung in Pakistan. "Die Amerikaner und Briten kennen sich dort deutlich besser aus als die Deutschen, deshalb würde ich ihrer Einschätzung eher folgen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau