Terroranschläge in Pakistan: Weckruf für Premierminister Sharif
Nach einem Selbstmordanschlag auf Studentinnen werden die Überlebenden erneut angegriffen – im Krankenhaus, wo sie behandelt werden.
BANGKOK taz | Nach einem Anschlag auf Studentinnen in der westpakistanischen Stadt Quetta haben die Behörden der Provinz Belutschistan einen Tag der Trauer ausgerufen. Auf Regierungsgebäuden wehen die Flaggen auf Halbmast.
Der Anschlag vom Samstag war selbst für pakistanische Verhältnisse wegen seiner ungewöhnlichen Brutalität erschreckend: Zunächst explodierte in einem Bus, der Studentinnen der Sardar-Bahadur-Khan-Universität für Frauen transportierte, eine Bombe. Dabei starben 14 Studentinnen.
Anderthalb Stunden später drangen Bewaffnete in das Krankenhaus ein, in das die Überlebenden des Anschlags gebracht worden waren, und töteten weitere Studentinnen und mehrere Krankenschwestern. Erst nach Stunden gelang es Sicherheitskräften, das Hospital zurückzuerobern und drei Dutzend Geiseln zu befreien. Dabei starben weitere elf Menschen.
Rache für Razzia
Zu der Tat bekannte sich am Sonntag die Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi (LeJ). Eine Selbstmordattentäterin habe im Bus den Sprengsatz gezündet, hieß es in einer Erklärung. Die Gruppe habe sich für eine Razzia rächen wollen, bei der Sicherheitskräfte kürzlich in Quetta mehrere mutmaßliche Mitglieder der pakistanischen Taliban töteten, zu denen LeJ enge Kontakte unterhalten soll.
Es war in der Region seit Jahresbeginn der dritte schwere Anschlag, der LeJ zugeschrieben wird. Im Januar wurden bei zwei schweren Anschlägen in Quetta 200 Mitglieder einer überwiegend schiitischen Minderheit getötet.
Angst vor iranischen Verhältnissen
LeJ ist die Splittergruppe einer antischiitischen Gruppe, die sich in den 80er Jahren als Reaktion auf die Revolution im benachbarten Iran gebildet hat. Offenbar befürchteten Pakistans sunnitische Generäle einen ähnlichen Aufstand von Pakistans schiitischer Minderheit gegen das Feudalsystem und unterstützten die Bildung dieser Gruppen.
Für Nawaz Sharif, der gerade erst zum dritten Mal Premier des Landes geworden ist, dürften die Anschläge vom Wochenende ein Weckruf sein. Sharif hatte sich im Wahlkampf für Verhandlungen mit den pakistanischen Taliban ausgesprochen und dafür viel Kritik geerntet.
Ein weiterer Anschlag erinnerte am Wochenende an die zahlreichen Probleme, denen sich Pakistan ausgesetzt sieht: Mitglieder einer militanten Separatistengruppe sprengten in der Nacht zu Samstag 100 Kilometer östlich von Quetta ein Haus in die Luft, in dem 1948 der damals schwer krebskranke Staatsgründer Mohammad Ali Jinnah seine letzten Tage verbrachte. Das seitdem zu einem nationalen Denkmal umfunktionierte Haus wurde weitgehend zerstört.
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