Tennisfamilie Zverev: Ein Lenker aus der Spielerbox

Im Familienunternehmen Zverev lenkt Mischa die Karriere seines Bruders Alexander. Dabei profitiert er vom Wissen aus seiner eigenen Tennislaufbahn.

Alexander und Mischa Zverev am Tennisnetz. Im Hintergrund Bergpanorama

Inszenierung für den Turnierveranstalter: Alexander (l.) und Mischa Zverev posieren für die Kameras Foto: Ulmer/Teamfoto/imago

Am Rande des Centre-Courts im Turiner Pala Alpitour war Mischa Zverev am Montagnachmittag fast so leidenschaftlich im Einsatz wie sein Bruder Alexander. Als der Olympiasieger im Auftaktduell mit Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz den wichtigen ersten Gruppensieg verbuchte, konnte niemand den älteren der beiden Zverevs übersehen oder überhören – der 36-jährige Ex-Profi gestikulierte immer wieder zu seinem Bruder, gab Kommandos, ließ seinen Emotionen freien Lauf.

Als der jüngere Zverev in der zugespitzten Schlussphase des dritten Satzes auf dem Hallenboden ausrutschte, fingen die Kameras auch einen vor Schreck erstarrten Bruder in der Spielerbox ein. „Ich lebe das Spiel mit. Ich bin drin, als würde ich selbst um den Sieg kämpfen“, sagt Mischa, „aber wenn nötig, ist auch der kühle Kopf und Distanz gefragt. Das hilft dem Spieler da draußen nämlich genau so viel.“

Jeder hat seine Rolle bei der einst aus Russland nach Deutschland übergesiedelten Tennistruppe, Mutter Irina ist der emotionale Halt, die psychische Stütze. Vater Alexander Senior ist der grimmige Übungsleiter, über den Sohn Alexander sagt, er werde „immer an meiner Seite sein, mit seinem Wissen und seinem Erfahrungsschatz“. Und der ältere Bruder Mischa? Er ist der strategische Denker und Lenker im Familienunternehmen. Ohne ihn, den einstigen Berufsspieler, läuft nichts im Hause Zverev.

Gelegentlich spielt der 36-Jährige, der einst auf Platz 25 der Weltrangliste stand, noch bei Tennisturnieren in der Provinz. Über die Laufbahn von Mischa lernte die Familie auch, was alles schiefgehen kann in der Welt des Profitennis. Allem voran ein zu hoher Erwartungsdruck, ein zu autoritäres Herangehen in der Menschenführung.

Kleiner König

Mischa weiß jederzeit, wo bei seinem Bruder der Schuh drückt, welche Prüfung mit welchen Schwierigkeiten verbunden ist. Eine extrem prekäre Angelegenheit ist für Alexander Zverev derzeit gewiss der Strafbefehl über 450.000 Euro, den das Amtsgericht Tiergarten jüngst erlassen hat. Anlass waren die Aussagen seiner Ex-Partnerin, die ihm häusliche Gewalt im Jahr 2020 vorwarf. Bruder Mischa blockte seither alle Fragen dazu ab.

Der ältere Bruder greift überdies auch schon mal ein, wenn es ein wenig in der nicht immer völlig reibungsfreien Beziehung zu Papa Alex­ander knistert. „Mischa um mich herum zu haben, gibt mir Sicherheit. Er ist eine unglaubliche Hilfe“, sagt Alexander, der nach zwei WM-Titeln 2018 und 2021 in Turin auf dem Centre-Court überraschen will. Am Mittwoch bekommt er es mit Reizgegner Daniil Medwedew zu tun – einem Mann, mit dem er sich über den Lauf der Jahre immer mal wieder fetzte und stritt.

Tennis ist in der Welt von Bruder Mischa längst nicht mehr das einzige Thema. Sehr zielstrebig bildete sich der 36-Jährige in letzter Zeit im Marketing und Management weiter, vertiefte sein Wissen als Start-up-Investor und grüßt mittlerweile als kleiner König von Firmenbeteiligungen – bei nicht weniger als 19 Unternehmen mischt er kräftig mit, sein bekanntestes Investment läuft bei einem aufstrebenden Unternehmen in der Kältetherapie. Aber auch im neuen Mega­trend Virtual Reality ist er engagiert. 24 Stunden am Tag seien „häufig nicht genug für mich“, sagt Zverev, der umtriebige Geschäftemacher.

Das liegt vor allem daran, dass er neben aller sportlichen Beratung eben auch eine zentrale Rolle bei Bruder Alexanders kommerziellen Aktivitäten eingenommen hat. An Mischa, dem älteren Zverev, führt kein Weg vorbei im Umfeld. Drei Smartphones trägt er mit sich herum – „Für jeden wichtigen Sprachraum eins, Deutsch, Französisch, Englisch.“ Natürlich profitiert der ehemalige Berufsspieler von den Erfahrungen, die er in seiner Karriere gesammelt hat.

So richtig entkommen kann man ihm kaum im Tennis hierzulande. Denn selbst wenn Bruder Alexander mal pausiert, bleibt der in Moskau geborene Mischa nicht untätig. Als Kommentator oder Experte bei Eurosport, Sky oder dem Tennis Channel analysiert er gefühlt pausenlos die Akteure der Branche. Boris Becker, selbst TV-Plauderer, nannte ihn einmal den „Sascha-Erklärer“ – was stimmt und auch nicht. Denn Mischa Zverev hat zu jedem relevanten Spieler im Weltklassetennis etwas Gewichtiges zu sagen.

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