Tempo 30: Auch CDU bremst wieder für Kinder
Anwältin zieht Klage gegen Tempo 30 vor Schulen zurück. Langer Rechtsstreit gegen Land beendet.
Zwölf Sekunden Zeitersparnis gegen die Sicherheit von Schulkindern - diese Gleichung traute sich dann selbst die Autofahrerfraktion von der CDU nicht aufzumachen: Im Namen seiner Mandantin zog Rechtsanwalt Torsten Hippe am Mittwoch die Klage gegen Tempo 30 vor zwei Schulen zurück. Damit endete vor dem Verwaltungsgericht ein zwei Jahre dauernder Rechtsstreit zwischen dem Land Berlin und zunächst zwei CDU-Politikern aus dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Ein Kläger hatte sich in der Zwischenzeit zurückgezogen.
Die verbleibende Klägerin Isabella R. erschien nicht selbst vor Gericht - sie überließ das Schaulaufen ihrem Anwalt Hippe, seinerseits Fraktionschef der CDU im betroffenen Bezirk. Isabella R. ist Rechtsanwältin und fährt deshalb beruflich viel Auto. Außerdem kauft sie gern im Teltower Gewerbegebiet ein, ebenfalls mit dem Auto. Auf diesen Wegen kommt sie regelmäßig an der Rudolf-Steiner-Schule an der Clayallee und an der John-F.-Kennedy-Schule am Teltower Damm vorbei. Weil sie die Geschwindigkeit ihres Autos dort auf Tempo 30 drosseln muss, sieht sich Isabella R. in ihren Grundrechten beeinträchtigt.
Das Land Berlin wiederum hatte nach einem Unfall im Jahr 2008 vor Schulen an Hauptstraßen grundsätzlich Tempo 30 eingeführt. An Nebenstraßen galt dies schon zuvor. Klägeranwalt Hippe war überzeugt, dass das Land Einzelfälle hätte prüfen müssen und dies nicht pauschal beschließen dürfen. Das Verfahren hatte sich hingezogen, in der Zwischenzeit fällte das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil, das die Position des Senats stärkte. Zudem sammelte das Berliner Gericht Zahlen und Daten allgemein zur Verkehrssicherheit und zu den Autoströmen an den betreffenden Orten.
So hätten hunderte Rotlichtverstöße täglich festgestellt werden können, sagte der Vorsitzende Richter Norbert Kunath. "Eine Fußgängerampel, die Grün zeigt, ist keine Gewähr für eine sichere Überquerung." Jährlich passierten mehr als 1.000 Unfälle, in die Kinder verwickelt seien. Und zahlreiche Studien belegten, dass Autofahrer bei Tempo 30 ihre aktuelle Umgebung mehr wahrnehmen und schneller reagieren könnten als bei Tempo 50.
Die Entscheidung des Landes, vor Schulen an Hauptstraßen Tempo 30 anzuordnen, sei "in jeder Hinsicht sachgerecht und verhältnismäßig", sagte Kunath. Die Städte Nürnberg und Köln hätten inzwischen ebenfalls flächendeckend Tempo 30 vor Schulen eingeführt. Der Richter bescheinigte der Berliner Entscheidung Modellcharakter. "Es scheint sich so zu entwickeln, dass es bundesweit übernommen wird", sagte Kunath.
Anwalt Hippe sagte nach dem Vortrag des Richters, seine Mandantin habe aufgrund der damals bekannten Daten Klage eingereicht. Angesichts des inzwischen ermittelten Sachverhalts ziehe er diese zurück. Damit schien seiner Meinung nach alles gesagt: Ohne einen Kommentar zu den zahlreich erschienenen Medienvertretern rauschte der Anwalt nach der einstündigen Sitzung davon. Die Verfahrenskosten in Höhe von 10.000 Euro trägt die Klägerseite.
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