piwik no script img

Telekom und NetzneutralitätFür den Durchschnittsnutzer

Telekom-Chef Höttges verspricht, sich bei Flatrates mit festgelegtem Datenvolumen nach „Durchschnittsnutzern“ zu richten. Großkundenrabatte gebe es nicht.

Konzernchef Timotheus Höttges rudert zurück. Bild: dpa

DÜSSELDORF/BONN dpa | Im Streit um die Tempo-Bremse beim Festnetz-Internet rudert die Deutsche Telekom weiter zurück. Der künftige Konzernchef Timotheus Höttges versprach in einem Interview, die kürzlich festgelegten Daten-Obergrenzen in den Tarifen anzuheben, wenn Durchschnittsnutzer sie überschritten.

„Wenn die neuen Regeln ab 2016 in Kraft treten, schauen wir uns genau an, welche Kunden was wollen und nutzen“, sagte Höttges der Rheinischen Post. „Wenn der Durchschnittsnutzer dann wegen des Videobooms viel mehr Datenvolumen benötigt als aktuell, wird das Inklusiv-Volumen eben erhöht.“

Die Telekom hatte am 2. Mai für Neukunden im Festnetz Daten-Obergrenzen eingeführt, bei deren Überschreiten die Geschwindigkeit der Internet-Verbindung gedrosseln werden kann. Die Tempo-Bremse soll allerdings nicht vor 2016 greifen.

Die Pläne lösten heftige Kritik von Nutzern und Mahnungen aus der Politik aus. Die Telekom stellte danach klar, dass es auch weiterhin „echte“ Flatrates mit unbegrenztem Datenvolumen geben werde, voraussichtlich für 10 bis 20 Euro mehr. Vergangene Woche wurde zudem die Geschwindigkeit, auf die gedrosselt werden soll, von 384 kBit pro Sekunde auf 2 MBit pro Sekunde erhöht – das ist immerhin das doppelte Tempo der einfachsten DSL-Leitung.

An die Nutzung angepasst

Die Telekom hatte auch bisher in Aussicht gestellt, dass die Eckwerte zum Jahr 2016 an die Nutzungs-Gegebenheiten angepasst werden. Die Zusage von Höttges, das Inklusiv-Volumen werden dann „eben erhöht“, geht aber noch weiter.

Außerdem rechnet Höttges mit einer veränderten Lage durch den Trend zu Verbindungen mit höherer Geschwindigkeit: „Künftig werden deutlich mehr Kunden schnellere Anschlüsse mit 50 oder 100 Megabit/Sekunde buchen – und die erhalten ja dann sowieso höhere Datenvolumen inklusive.“

Zugleich verwies der künftige Konzernchef auf die hohen Investitionen der Telekom – die Begründung für die Drossel-Pläne „Wir nehmen allein sechs Milliarden Euro in die Hand, um 24 Millionen Haushalten ein Übertragungstempo von bis zu 100 Megabit anzubieten“, betonte er.

Auch der derzeitige Vorstandschef René Obermann rechtfertigte in dem Interview das umstrittene Vorgehen der Telekom: „Dass die Netzgemeinde sensibel ist, das wissen wir. Deren Reaktion haben wir erwartet.“ Nicht erwartet haben die Telekom die „widersprüchlich populistische Reaktion mancher Politiker“. Sie ignorierten, dass die Milliarden-Investitionen der Telekom zurückverdient werden müssen. „Sie fördern lieber Google und Co. statt die heimischen Netzbetreiber.“

Kooperationen mit kleinen Unternehmen

Zur künftigen Zusammenarbeit mit Anbietern von Internet-Inhalten sagten Höttges und Obermann, dass die Telekom vor allem „Kooperationen gerade mit kleinen und innovativen Unternehmen“ anstrebe: „Start-ups und ihre Ideen machen unser Angebot attraktiv“, sagte Obermann. Großkundenrabatte für Internetgiganten wie Google oder YouTube werde es hingegen „ganz sicher nicht“ geben.

Höttges und Obermann reagierten damit auf die Kritik, dass der hauseigene Fernsehdienst Entertain bevorzugt und nicht am Inklusiv-Volumen zehren werde - im Gegensatz zu Videodiensten anderer Anbieter. Die Telekom verweist darauf, dass Entertain ein gesondert reguliertes und bezahltes Fernsehangebot sei. Ob auch der Telekom-Dienst Videoload, der direkte Konkurrent von Angebotn wie Amazons Lovefilm oder Apples iTunes-Plattform, von der Volumenbegrenzung ausgenommen wird, sei hingegen noch nicht entschieden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • AD
    armes Deutschland

    kBit, kBit/s

    MBit

    Übertragungstempo von bis zu 100 Megabit

    100 Kmh

     

    Das verursacht Augenkrebs.

  • A
    August

    Es wäre mal äußerst innovativ, wenn die Drosselkom das Geld auch in die Hand nehmen würde um wirklich in ALLEN!!! Gewerbegebieten schnelles Internet zu verlegen ohne das sich Kleinunternehmen für 300 oder mehr€ im Monat die Leitungen extra legen lassen müssen!

  • J
    Johannes

    1. das sie bereit sind die Volumengrenze zu erhöhen, ist ein Beweis dafür das die "Knappheit" schlicht erlogen ist. Wenn also mehr Menschen mehr nutzen dann kann man auch für jeden mehr zur Verfügung stellen, obwohl alles knapp ist? Das ergibt keinen Sinn.

     

    2. Die gedrosselte Geschwindigkeit von 384 kBit/s auf 2 MBit/s ist ein sehr smarter PR Schachzug, das klingt nach viel mehr. Es beweist aber wieder das keine Knappheit besteht. Zudem ist es dennoch eine Drosslung auf 4% der Ausgangsgeschwindigkeit bei einem 50 MBit/s Anschluss. In die Metapher des Autos übersetzt bedeutet das: Ein Auto was 100 Kmh fahren kann, wird nach einigen Kilometern auf 4 Kmh heruntergedrosselt. Das ist immer noch FUNKTIONAL KAPUTT!

     

    3. Und mag man das alles hinnehmen, bleibt die Zerstörung der Netzneutralität trotzdem bestehen. Einem kleinen Kreis gewährt die Telekom die Möglichkeit durch eine intransparente Zahlung, Teil des "high speed" Internets zu bleiben. Das ist ja sehr nett das die kreativen Start Ups auch mitspielen dürfen. Tortzdem bleibt die Telekom Türsteher und bestimmt. Wenn ein Anbieter ein Konkurenzprodukt zu einem T Produkt anbieten will? Wenn eine gemeinnützige Organisation Inhalte verbreiten will?

     

    Es ist und bleibt inakzeptabel und die einzige Lösung ist eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität.