TeleVisionale in Weimar: Ein neuer Anwärter für die Kulturhauptstadt
Weimar im Rampenlicht: Diese Woche fand die TeleVisionale statt, zudem wird die Stadt Standort für den Medienrat. Bei dem gab es nun Überraschendes.
I Ist Berlin wirklich Deutschlands Kulturhauptstadt“, fragte gerade Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar im eigenen Blatt. Und konstatierte nüchtern, dass das dicke B an der Spree längst „auf der internationalen Kulturlandkarte an Bedeutung verloren“ habe.
Was sich von Weimar aktuell nicht sagen lässt. Da sind letzte Woche gleich zwei wichtige Dinge passiert. Bei winterlichen Temperaturen ist die TeleVisionale nach 34 Jahren im mondänen Baden-Baden in der Klassikerstadt gelandet. Jetzt findet das Festival für TV-Film und Serien in Thüringen statt. „Goethe und Schiller sind ein Auslaufmodell, da sie keinen Social-Media-Account haben. Hier kann die TeleVisionale helfen, Weimar als Kulturhauptstadt zu etablieren“, meint die Mitbewohnerin. Der direkte Blick aus der Weimarhalle fällt derweil sowohl aufs Bauhaus-Museum wie aufs Gauforum.
Die TeleVisionale war voll, anspruchsvoll und versuchte, eine absurde Situation einzufangen. Die diverse Gesellschaft kommt immer noch zu wenig im Programm vor. Aber die AfD und andere wollen dieses bisschen schon wieder abschaffen. Weshalb der Hauptjury-Vorsitzende Andreas Dresen bei der Preisverleihung am Freitag appellierte, „lasst uns zusammen- und die Räume freihalten, für künstlerische wie gedankliche Freiheit!“
Das sollte sich auch der neue Medienrat auf die Fahnen schreiben, der nun auch nach Weimar kommt. Und zwar an die Bauhaus-Universität, wie die Länder letzte Woche entschieden haben. Das Über-Gremium der Öffentlich-Rechtlichen soll über die ARD, ZDF und Deutschlandradio wachen und ihnen in Sachen Auftragserfüllung auf die Finger klopfen.
Nach den ersten Berufungen, die allesamt aus der Wissenschaft kommen, ließe sich glatt behaupten, die Medienpolitik und hier vor allem die unionsregierten Länder hätten was gelernt. Die zwei den Ländern zustehenden Ratssitze gingen nicht an politiknahe Menschen oder gleich ehemalige Staatskanzleichefs, die aus Richtung Sachsen trotzdem unerfindlicherweise immer wieder ins Gespräch gebracht werden. Leute, der Zug ist abgefahren.
Deutschlandradio und die ARD stellen in dem insgesamt sechsköpfigen Gremium drei Rät*innen, die noch nicht benannt sind. Für das ZDF soll wieder die Journalistik-Professorin Annika Sehl von der Uni Eichstätt ran, die schon im Zukunftsrat saß. Ganz offiziell ist das zwar noch nicht, macht aber alle im ZDF happy.
Was sich vom Kandidaten Christian Nienhaus nicht gerade sagen lässt. Der ehemalige WAZ/Funke- und Springer-Mann soll nächste Woche in den Verwaltungsrat der Mainzer Anstalt gehievt werden. Nienhaus ist CDU-Mitglied und mancher wittert hier wieder die Zugverpasser von der Union am Werk. Doch das ZDF lässt sich nicht so einfach wie die BBC umkrempeln. Das wäre auch fatal.
Denn wie Andreas Dresen bei der TeleVisionale so richtig sagte, gibt es echt Wichtigeres zu tun. Und dass es sich in Berlin kulturell ungemütlich anfühlt, liegt hoffentlich nur am Weimarer Winter.
Anmerkung der Redaktion, Aktualisierung: Nach einer kontroversen Debatte im ZDF-Fernsehrat ist die geplante Wahl des früheren Springer-Managers Christian Nienhaus in den Verwaltungsrat des Senders an diesem Freitag, 12. Dezember, gescheitert. In zwei Wahlgängen ohne Gegenkandidat verfehlte er die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit der Stimmen deutlich. Die Gremienmitglieder verzichteten daraufhin zunächst auf einen dritten Anlauf. Anstelle der erforderlichen 36 Ja-Stimmen hatte Nienhaus nur 28 im ersten und 29 im zweiten Wahlgang erhalten. (epd)
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