Teilprivatisierung der A7: „Ziehen die das durch, wird's irre“
Das Bundesverkehrsministerium will eine Öffentlich-Private Partnerschaft bei der A7 eingehen. Die neue rot-grüne Landesregierung will das auf keine Fall.
BERLIN taz | Um die Teilprivatisierung eines Abschnitts der Autobahn A7 in Niedersachsen gibt es erneut Ärger. Der designierte Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) hatte nach dem Wahlsieg der SPD in Niedersachsen den Stopp des umstrittenen Projekts angekündigt. Doch das Bundesverkehrsministerium will weiter daran festhalten. Nächste Woche muss Jörg Bode (FDP) das Ministerium für seinen Nachfolger räumen – am 19. Februar konstituiert sich die neue, rot-grüne Landesregierung.
Nach der Landtagswahl am 20. Januar hieß es noch, Bode wolle die Entscheidung über die A7 der künftigen Landesregierung überlassen. Mittlerweile ist von einem Missverständnis die Rede, so eine Sprecherin Bodes. „Derzeit läuft die Vorbereitung für die Ausschreibung.“ Sie bestätigt damit Informationen des privatisierungskritischen Netzwerks Gemeingut.
Streitpunkt ist der Autobahnabschnitt zwischen Seesen und Nörten-Hardenberg, der einem privaten Konsortium überlassen werden soll. Allerdings hatte die taz Anfang Januar nachgezeichnet, wie private Berater des Bundesverkehrsministeriums die Wirtschaftlichkeitsberechnungen dazu manipuliert hatten. Erst danach erschien eine sogenannte Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) günstiger als eine konventionelle Umsetzung durch den Staat.
Sollte das Projekt ausgeschrieben werden, würden Entschädigungsansprüche in Höhe von etwa 600.000 Euro rechtskräftig, für die dann Bodes Nachfolger verantwortlich würde. Olaf Lies reagierte entsprechend empört. Er sagte der taz: „Wenn es nun doch anders kommt, wenige Tage vor dem Amtsantritt der neuen Regierung, ist das mehr als ärgerlich.“ Er werde dem Bundesverkehrsministerium schreiben, um die Haltung der neuen Landesregierung „unmissverständlich klarzumachen“. Er gehe davon aus, „dass unsere Auffassung in Berlin auch berücksichtigt wird.“
Politisch gewolltes Projekt
Das Bundesverkehrsministerium schreibt auf Anfrage der taz, man habe sich „in den vergangenen Tagen“ sowohl an Bode „sowie an den designierten Wirtschafts- und Verkehrsminister Lies gewendet“. Doch der kann eine Kontaktaufnahme nicht bestätigen. Die Position des Bundes zur A7, heißt es aus dem Ministerium weiter, habe sich nicht geändert – das Projekt ist weiter politisch gewollt. Dennoch: „Die Regierungsbildung und die konkreten politischen Festlegungen der neuen Landesregierung bleiben abzuwarten.“ Auf die angeschobene Ausschreibung wird nicht eingegangen.
Mitarbeiter der niedersächsischen Landesstraßenbaubehörde waren in ihren Berechnungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die ÖPP-Variante wesentlich teurer würde. Nachdem sie sich in der Landesstraßenbaubehörde über veränderte Berechnungen durch Berater des Bundesverkehrsministeriums beschwert hatten, war gegen einen der Mitarbeiter ein Disziplinarverfahren eröffnet worden. Dabei hatte selbst der Bundesrechnungshof die Unwirtschaftlichkeit des A7-Projekts kritisiert.
Zuständig für die Autobahnen ist der Bund. Selbst wenn sich die neue Landesregierung angesichts der Manipulationen gegen eine Ausschreibung ausspricht, kann der Bund weiter darauf beharren. Pikant am jetzigen Fall: Der Bundesrechnungshof prüft nach Informationen der taz derzeit erneut die Wirtschaftlichkeit des ÖPP-Projekts.
Dem Bund dürfte das bekannt sein. Wenn gegen den Willen des Landes eine Ausschreibung vollzogen würde, wäre das wohl einmalig. Enno Hagenah, Verkehrsexperte der Grünen aus Niedersachsen, sagt: „Wenn die das durchziehen, dann wird es irre.“
Leser*innenkommentare
mensing
Gast
Man könnte meinen, da sei Korruption im Spiel.
Ist denn schon bekannt, wer hinter dem Konsortium steckt?
Vielleicht handelt es sich ja um enge Parteifreunde Ramsauers ...
Der Wahlausgang in Niedersachsen lässt sich auch als Votum gegen die ÖPP verstehen – wie hier der Wählerwille übergangen werden soll, ist einfach nur unerträglich.
In anderen Ländern gibt es Antikorruptionsbehörden, hier in Deutschland scheinbar nicht – oder meine alternative Suchmaschine hat sie einfach nur nicht gefunden. Diese „Bananenrepublik Deutschland“ ist nur noch als rückständig zu bezeichnen.
Trip 6
Gast
Wer schon immer wissen wollte wie geisteskrank eigentlich Autos sind, braucht sich nur die Farben des Bildes reinzutun: Die sind alle auf LSD.
Alex
Gast
Was soll immer dies Privatisierungswut? Es gibt Bereiche des öffentlichen Lebens, die in der öffentlichen Hand sind und das guten Gründen.
Was die Autobahnen angeht, so sollen sie doch meinetwegen ein anständiges Mautsystem für einzelen Streckenabschnitte einführen, anstatt den Kram zu privatisieren.
Damit hätte man auch regelmäßige Einnahmen, die in den Straßenausbau bzw. in Reparaturarbeiten investiert werden können.
Juergen K.
Gast
Der Umbau geht weiter.
Weg von der Steuerfinanzierung, hin zum "Beitragszahler".
Es freut sich:
"Der Steuerzahler;
Die 10% die 50% aller Steuern zahlen."
Wie bei strom, Wasser, Kitas, schulen, Gesundheit etc. etc. etc.
Bleibt über: Diese 10% werden die Nutzung -von Allem- aus der Westen- / Portokasse zahlen.
Wie im Bereich des Sozialen Wohnungsbaus wird man erst Jahrzehnte später erkennen,
dass man den Käufern die Kosten des Kaufes
"per Hartz" erstatten muss.
Marco Hoffmann
Gast
"
an den designierten Wirtschafts- und Verkehrsminister Lies gewendet
"
gewandt.
Du nix könne spreche deutsche?
Sowas entdeckt die rechtschreibprüfung nicht. Kam das so aus dem amt? Ist das thüringisch? Kann ja sein, in gewissen südlichen bundesländern sagt man ja tatsächlich "bin da gesessen" statt "habe da gesessen", wie normale menschen es sagen.
vonAnachB
Gast
Liebe Taz,
Enno Hagenah ist kein "Verkehrsexperte", mit sogenannten "Verkehrsexperten" von den Grünen haben wir in Hannover so unsere Erfahrungen.
Geisterfahrer
Gast
Bei der Empörung zu ÖPP sollte der neue SPD-Verkehrsminister Niedersachsens den Ball doch etwas flacher halten. Seine Parteigenossen, hier stellvertretend Peer Steinbrück, waren oder sind doch immer starke Befürworter solcher Geschäftsmodelle. Das damit die Daseinsvorsorge und das Staatseigentum den Finanzspekulaten anvertraut wird ist eine bodenlose Frechheit! Bis zur Bundestagswahl wird es bei diesem Thema vielleicht etwas ruhiger aber danach geht es weiter in diese Richtung. Ein Grund ist die Zustimmung, auch der SPD, zur "Schuldenbremse". Damit beraubt sich der Staat selbst (gewollt) der alleinigen Steuerungsmöglichkeit. Wieso darf eine Bundesregierung die ihr anvertrautes Volkseigentum überhaupt teilweise oder ganz veräußern? Hat sie nicht geschworen, dem Wohl des deutschen Volkes zu dienen? Da sollte doch mindestens das ganze Volk befragt werden. Schließlich stand das nicht zur Auswahl auf dem jeweiligen Wahlzettel, oder?
Stephan Mirwalt
Gast
Besser wäre es, dem deutschen Spießer das Autofahren komplett zu untersagen.
Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung.
"Partnerschaft"
Gast
heißt wie immer in solchen Fällen Kosten und Risiken vergesellschaften, Gewinne privatisieren.
Wie verlogen die Angabe der Finanzierung als Grund ist, ist daran zu erkennen, daß sich der deutsche Staat per Anleieihen für unter 1% Geld beschaffen kann.
Der einzige wirkliche Grund ist also das in korrupter Weise umzusetzende des Eingangssatzes.
Mehr ist zu dem Thema nicht lohnend zu besprechen.