Tegel als Spielfeld für Zukunft: Visionen bereit zum Abheben
Der ehemalige Flughafen Tegel ist offiziell in den Händen der neuen Betreiber. Es kann losgehen mit dem größten Stadtentwicklungsprojekt Berlins.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) spricht von der „Stadt von morgen“, die hier entstehen soll, und übergibt die Schlüssel für das Flughafengelände an die neuen Verantwortlichen: die Geschäftsführer*innen der Tegel Projekt GmbH, Philipp Bouteiller und Gudrun Sack, sowie Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke), der Aufsichtsratsvorsitzender der Tegel Projekt ist.
Am Mittwoch war das Flughafengelände offiziell vom Land Berlin an die Tegel Projekt GmbH übertragen worden, am Donnerstag folgte die feierliche Übergabe. Einen riesigen silberfarbenen Schlüssel mit drei Sechsecken am Ende übergibt Müller den drei Neuen. Zu viert recken sie das wuchtige Ding auf Anregung eines Fotografen in die Höhe. Die Erleichterung, dass hiermit auch ein weiteres Kapitel BER-Stress zu Ende geht, ist den Beteiligten anzumerken.
Tegel als Flughafen ist bereits seit einigen Monaten Geschichte: Am 8. November war von dort das letzte Flugzeug gestartet. Danach hatte der Flughafen aber noch sechs Monate wegen einer sogenannten „Betriebspflicht“ auf Sparflamme offen zu sein. Seit Mai erst war der Flughafenbetrieb vollständig eingestellt.
Die Planer*innen hatten Zeit
Die Zukunftspläne für das alte Flughafengelände, nun TXL genannt, sind umfassend wie detailliert. Die Planer*innen von der Tegel Projekt GmbH hatten schließlich Zeit: Eigentlich hätte die Schlüsselübergabe am 3. September 2012 stattfinden sollen, merkt Bouteiller scherzhaft an. Es bleibt nicht der einzige kleine Seitenhieb auf das Debakel mit dem Hauptstadtflughafen, der lange Jahre nicht richtig fertig werden wollte.
Ab 2027 soll in das Terminal A, das sechseckige Herzstück des alten Flughafens, ein Teil der Beuth-Hochschule für Technik einziehen. 2.500 Studierende aus 13 Studiengängen werden hier studieren. Wo im Hof des ehemaligen Terminals früher Parkplätze waren, sollen Flächen für Gartenbau und Elektromobilität entstehen. Auch das sollte eigentlich schon 2017 einzugsbereit sein. „Das war hart für die Schule“, sagt der Präsident der Hochschule, Werner Ullmann. „Die 20.000 Quadratmeter Nutzfläche fehlen.“
Siemensstadt Unter der Marke Siemensstadt² plant Siemens, seinen Standort zu einem neuen Stadtquartier für Wohnen, Forschung und Gewerbe auszubauen. Siemens will 2023 mit den ersten Neubauten beginnen und insgesamt 600 Millionen Euro investieren. Am Donnerstag unterzeichneten Vertreter des Senats, des Bezirks Spandau und des Unternehmens den städtebaulichen Rahmenvertrag. Er umfasst eine Million Quadratmeter Bruttogeschossfläche, davon mehr als die Hälfte für Produktion und Gewerbe und gut ein Viertel für Wohnungen.
Verbindung Die neuen Wohn- und Gewerbestandorte in Tegel und Siemensstadt im Berliner Nordwesten sollen in einigen Jahren direkt miteinander verbunden werden. Erwogen wird dafür ein autonom fahrender Pendelbus, wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Donnerstag sagte. (dpa)
Neben der Hochschule ist die Feuerwehr einer der ersten Akteure, die hier einziehen. Wo die Lufthansa früher Flugzeuge gewartet hat, sollen Auszubildende der Feuerwehr nun lernen, wie man Brände löscht. Hoch genug ist der Hangar bereits. Fehlt nur noch die Sanierung. Gerade leckt das Dach, auf dem Boden der riesigen Halle hat sich eine Pfütze gebildet.
Wie die Feuerwehrleute, Studierenden und bis zu 20.000 Mitarbeiter*innen der Unternehmen, die sich in der „Urban Tech Republic“ ansiedeln sollen, zum Gelände kommen, ist noch nicht ganz klar. Ein Fahrradweg soll gebaut werden. Was den ÖPNV angeht, ist das Gelände bislang nur durch Busse erschlossen. Eine Straßenbahn vom U- und S-Bahnhof Jungfernheide ist im Gespräch.
5.000 Wohnungen in Holzbauweise
Neben Hochschule, Feuerwehr, einem Landschaftspark und Flächen für Unternehmen entsteht im Osten des Areals Wohnraum. 5.000 Wohnungen sollen im Schumacher-Quartier (so genannt, weil es an den Kurt-Schumacher-Platz grenzt) gebaut werden, alle in Holzbauweise. Den Rohstoff soll vor Ort eine sogenannte „Holzhütte 4.0“ bearbeiten, das Holz aus Brandenburg kommen, damit der Holzbau günstiger wird.
In der Mitte des Geländes hat sich seit Mai schon sichtbar was getan. Berge aus Sand ragen zwischen alten Landebahnen in die Höhe. „Kampfmittelräumung“ passiert hier: Den Boden abtragen, durchsieben und alte Munition rausfischen. Eine Tonne Munition hat man in rund drei Monaten hier gefunden.
In einem Container liegen die Funde der aktuellen Woche: ein paar Kanonenkugeln, zwei Phosphorbomben, eine Panzergranate – „ein Querschnitt durch die Geschichte“, erklärt Kampfmittelräumer Ulrich Eberhardt. Munition aus zwei Weltkriegen plus der Zeit davor, als die Fläche ein kaiserlicher Exerzierplatz war. Zwei von den insgesamt 500 Hektar des Areals sind bis jetzt geschafft.
Wie viel Berlin zahlt? Noch unklar
Wer diese Kampfmittelräumung bezahlt, wird noch verhandelt – zusammen mit der Frage, wie viel Geld das Land Berlin dem Bund zahlt für die 304 Hektar, die ihm noch nicht gehören.
Ein Gutachtenentwurf schätzt den Wert auf 274,5 Millionen Euro, die Verhandlungsgespräche liefen jedoch noch, betont ein Sprecher der Finanzverwaltung: „Ein abschließendes Ergebnis liegt somit noch nicht vor. Das betrifft auch die Wertermittlung.“ Um der Tegel Projekt GmbH die Schlüssel übergeben zu können, sei eine vorgezogene Besitzüberlassung unterzeichnet worden.
Wer seiner Tegel-Nostalgie frönen möchte, bevor Anfang nächsten Jahres die Bauarbeiten richtig losgehen, hat dazu noch Gelegenheit: Am Samstag lädt die Stadt 3.000 Menschen zum „Freedom Dinner“ auf der Startbahn, ab 14. August gibt es regelmäßige Führungen über das Areal.
Mit dem Bus kommt man dann nur bis zu den alten Anzeigetafeln, die einst von Abflug und Ankunft kündeten.
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