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Techno-ClubkulturDas Berghain macht weiter

Pop kann eine klassenlose Gesellschaft sein, wie die Freitagnacht zeigte. Zu Gast waren unter anderem der US-Produzent Flying Lotus und DJ Ralf Köster aus dem Hamburger Pudelclub.

Eingang zur Hölle - oder zum Himmel. Je nach Standpunkt und Vorlieben. Bild: bartvanpoll – Lizenz: CC-BY-SA

Als Highlight in einem geschmackvollen Line-up waren der US-Produzent Flying Lotus und DJ Ralf Köster aus dem Hamburger Pudelclub angekündigt. Aber es kamen nicht nur die 800 Hipster, die sich für elektronische Spezialistenmusik interessieren.

Das Berghain hat so viel Strahlkraft, dass es Sekretärinnen in deckungsgleichen Tops, exaltierte polnische Raverinnen, Billigflugtouristen und Mitglieder von The Notwist als Gäste aufnehmen kann, ohne seinen Nimbus als bester Club der Welt einzubüßen. Der Ruf des Berghain kommt ja nicht von ungefähr: Künstler treten auch zum angekündigten Zeitpunkt auf und führen ihre Musik in einer einzigartigen Klangkulisse vor.

Die Kunde vom Berghain-Sound ist auch im südkalifornischen Suburb Winnetka angekommen, Heimat des 26-jährigen Afroamerikaners Steven Ellison. "In Berlin schneidet man schon beim Produzieren auf den Berghainsound zu", erzählt er Stunden vor seiner Performance als Flying Lotus enthusiasmiert in seinem Hotelzimmer. In den USA würde diese Kunst nicht mehr gepflegt. Ellison berichtet von der frühen Sperrstunde in Los Angeles, eine mit dem Berghain vergleichbare Clubkultur gibt es an der amerikanischen Westküste nicht.

Als Ralf Köster mit seinem DJ-Set beginnt, holt der Jetlag-geplagte Ellison noch Schlaf nach. Quasi als Wink an Flying Lotus führt Köster eine neue Geschwindigkeit ein, die auf der Tanzfläche dankend angenommen wird. Sein schläfriger Halftime-Beat fühlt sich an wie das schwankende Ächzen eines schon gefällten Baums.

Die Mundharmonika aus Morricones Soundtrack für "Spiel mir das Lied vom Tod" bricht er mit den holistischen Keyboard-Riffs der Band Boards of Canada. Höhepunkt in Kösters Set ist aber ein Housetrack, der das Gedicht "Alles macht weiter" von Rolf Dieter Brinkmann abwandelt.

Das Berghain macht weiter. Gegen vier Uhr früh beginnt der ausgeschlafene Flying Lotus ein Live-Set mit Tracks seines zweiten Albums "Los Angeles". Es ist ein Musterbeispiel dafür, wie Ellison mit seinen programmierten Beats die körperliche Präsenz der Drums nachahmt, gleichzeitig um komplizierte Strukturen erweitert und durch Breaks und Sampleeinsatz geschmeidig macht. Die Menge liegt Flying Lotus sofort zu Füßen.

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9 Kommentare

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  • G
    glamorama

    Dass man im Berghain keine Fotos macht, weiss eigentlich jedes Kind. Warum nicht die taz?

  • O
    ole

    Manchmal liegt ich so im Bett, Sound läuft und plötzlich werde ich von einem Flashback erfasst. Ob es wohl substanzbedingte Nachwirkungen sind... kein Schimmer... aber jedenfalls befinde ich mich dann wieder im guten alten Tresor, mittendrin in der Hölle, Strobo, Nebel und dazwischen zuckende Wesen. Leider halten diese Zustände nicht mehr allzulange an.

    Dann steh ich auf lese merkwürdige Artikel über exaltierte polnische Raverinnen und Billigflugtouristen und Mitgliedern von The Notwist... müssen wohl doch irgendwelche Nachwirkungen sein.

  • J
    jonze

    "...exaltierte polnische Raverinnen, Billigflugtouristen und Mitglieder von The Notwist als Gäste aufnehmen kann, ohne seinen Nimbus als bester Club der Welt einzubüßen"

    hoppala und mal nebenbei ein diss nach oberbayern?

  • N
    NRSK

    Drusus, weiss jetzt nicht genau ob du meinen Kommentar gemeint hat, da du dich sehr unklar ausdrückst...Aber: Nein, ich sagte nicht dass das Berghain für Avantgarde zu gross ist (wüsste auch nicht wo und ob Du das irgendwo herauslesen konntest).

    Die Türsteher spielen insofern eine Rolle, das mit ihnen und ihrer Selektion ein Image aufbaut, das sich herumspricht. Ich bin selber nicht auf Konzerten im Berghain, vielleicht gibt es an diesen Veranstaltungen ja gar keine Selektion; aber jeder der das Begrhain kennt oder nur vom "Hören-Sagen", der weiss, dass dort ein gewisses Publikum erwünscht wird und auch als Berghain-Fremder geht man also dorthin mit dem Bild in dem Kopf sich der gewünschten Politik entsprechend zu präsentieren. Nichts schlimmer als in der Szene auffallen, oder nicht.

    Ja das Berghain, es ist nicht der einzige Club in Berlin, Deutschland un der Welt; und es ist auch nicht der einzige Club der eine Türpolitik besitzt und damit ein Mysterium, oder nenen wir es wie zu Anfangs einfach Image, um sich aufbaut...

  • D
    drusus

    berghain bla bla bla

    für avantgarde zu gross und ausserdem mit türsteher, oder?

    pfft.....

  • N
    NRSK

    kurze Rückfrage: Was hat das jetzt mit Pop zu tun? Ist es nicht eher so, dass die Ästhtik der elektronischen Tanzmusik (um jetzt mal von der Begrifflichkeit Pop wegzukommen)ein klassenloses Zusammenkommen ermöglicht und die Tür des Berghains die Aufdringlichkeit des Pop filtert und auf ein angemessenes Maß reduziert, so dass die Musik im Vordergrund steht und dem Publikum, auch mit seinen aufdrängesten Ambitionen zur Individualität, die Möglichkeit zur Auflösung in einer Umgebung bietet, die sich durch eine der Milieuspezifität geschuldeten unhinterfragbaren Kontignez auszeichnet?

    Das Gerede über Pop und die damit einhergehende Vereinnahmung von jedem und allem was die Ebene der medialen Aufmerksamkeit erreicht ärgert mich schon seit längerem. Pop verändert sich und ja Pop ist nicht mehr der Pop wie er es in den 70er, 80er und auch in den 90 oder 00er Jahren war. Aber auch wenn Pop heute eher kleinteilige Vielfalt bezeichnet, so würde ich jetzt mal behaupten, das Pop sich durch hohe quantitative Rezeption auszeichnet. Dies ist jedoch bei Flying Lotus mit Vorsicht zu behaupten und bei Rüftata100 ebenso. Welcher Charts Hörer kennt denn die beiden, geschweige denn das Berghain oder noch expliziter Ralf Kösters (den ich vorher bei seinem DJ Namen gennat habe) Heimatclub Golden Pudel in Hamburg? Betrachtet man nun die Kulturpolitische und auch ästehtische Orientierung des Pudel Clubs (in dem Ralf Köster die meisten Veranstaltungen bucht) so weist nur wenig in Richtung Pop bzw. Massengeschmack!

    Es bleibt zu klären was zur Zeit geschieht, dass sich immer mehr musikalische Ästhetiken ohne Gegenwehr unter das Licht des Pops stellen lassen. Oder sind es nur die Kritiker und Journalisten, die nicht mehr genügend Kompetenzen besitzen die Geschehnisse und Ästhetiken richtig einzuordnen und zu benennen?

  • R
    ray

    stimmt. absolut nichtssagend.

  • S
    spike

    hmm,

     

    keine ahnung was mir dieser artikel sagen soll.

  • MC
    Moped City

    Was soll denn der Text? Wollt ihr jetzt so eine Art Partysan sein? Na dann viel Spass bei der investigativen Recherche in den etwa 1800 weiteren Clubs Deutschland!