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„Tatort“ aus LudwigshafenFremdschämen beim Impro-Smalltalk

Im Schwarzwaldhof landen Menschenknochen im Abendessen. Für das vielversprechende Szenario fehlt aber das entsprechende Drehbuch.

Eingeschneite Kommissare, gekappte Telefonleitungen: Bleibt nur noch Tai-Chi Foto: SWR/Martin Furch

Sie sind stur beim Südwestdeutschen Rundfunk. Voriges Jahr gab’s den ersten „Tatort“ mit dem Ludwigshafener Ermittlerinnenteam um Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), der ohne Dialoge im Drehbuch auskommen wollte. „Mumblecore“ heißt das bei den Filmleuten, und Filme wie „Victoria“ von Sebastian Schipper haben gezeigt, dass so etwas ziemlich großartig werden kann. Das letzte Improvisationsexperiment in Ludwigshafen scheiterte aber: miese Quote und schlechte Kritiken, die sich über vorgeführte LaiendarstellerInnen und überforderte Profis echauffierten.

Und jetzt lässt man Regisseur Axel Ranisch (der auch schon so einen tollen Impro-Film wie „Dicke Mädchen“ gedreht hat) das Gleiche einfach noch einmal machen. Das ist schon mutig, denn schlechte Quoten und zweite Chancen schließen sich im Fernsehen eigentlich aus.

Nun möchte man gerne sagen: Besser ist’s geworden. Ist es aber nicht. Das größte Problem ist immer noch, dass die SchauspielerInnen ein Problem mit der Impro-Idee haben. Zum Beispiel gleich zu Beginn: Da verirren sich Odenthal und ihr Team auf dem Weg zum Coaching­seminar mit dem Kleinbus im Schwarzwald. Was sagt man da, wenn nichts im Drehbuch steht? Folkerts scheint sich beim Impro-Smalltalk genauso unwohl zu fühlen wie die ZuschauerInnen, die das mitansehen müssen. Man merkt, dass das Ensemble so viel mit dem Improvisieren an sich zu tun hat, dass es sich nicht freispielen kann. Und das anzuschauen macht halt keinen Spaß.

Passiert denn wenigstens noch ein Mord? O ja. In dem abgelegenen Schwarzwaldhof, in dem sich das Team für das Seminar eingemietet hat, findet Teamtrainer Fröhlich (Peter Trabner) beim Abendessen einen menschlichen Zehenknochen im Gemüse. Eine schon etwas ältere Leiche: Hofbewohnerin Doro Lorenz (Eva Bay) hat den Knochen unter das Essen gemischt – es sind die ihrer vor 27 Jahren ermordeten Mutter und es ist Doros eigenwilliger Versuch, die Ermittlungen noch einmal aufrollen zu lassen. Denn sie glaubt nicht daran, dass ihr Onkel und Hofbesitzer Bert Lorenz (Heiko Pinkowski), der damals verurteilt wurde, wirklich der Mörder ist.

Der Tatort

Ludwigshafen-„Tatort“: „Waldlust“, So., 20.15 Uhr, ARD

Dann soll sich eine Art Kammerspiel-Dramaturgie entwickeln: eingeschneite Kommissare, eine frische Leiche, die im Zusammenhang mit dem verjährten Mord steht, gekappte Telefonleitungen. Der Schwarzwaldhof als Overlook-Hotel (die Absteige aus dem Horrorthriller „Shining“). Coole Idee. Bloß das Drehbuch hat gefehlt.

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2 Kommentare

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  • Die Fähigkeit zur Improvisation kann nur durch stetige Versuche erworben werden. Ein Publikum und eine Kritik, die allem Neuen skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, ist da wenig hilfreich.

     

    Ich fand diesen Tatort überdurchschnittlich gut und fühlte mich insgesamt sehr gut unterhalten. Die sinfonische Musik war großartig. Weiß jemand, wo man sie als Soundtrack erwerben kann?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ich würde sagen, es fehlen die entsprechenden Schauspieler.