„Tatort“ aus Köln: Lasst mich bloß in Ruhe
Alle sind allein in diesem „Tatort“. Sie sind keine Lonesome-Cowboys, sie leiden unter ihrem Dasein. Das wird leider etwas dick aufgetragen.
Alleine läuft Freddy Schenk (Dietmar Bär) über Kölns Gehwege. Er war viel zu gut gekleidet und viel zu aufgeregt und viel zu lange bei einer Zeugin. Attraktiv, alleinerziehend, mysteriös. Jetzt kehrt der reuige Sünder heim. Er sieht seinen Kollegen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) in einer Kneipe am Tresen sitzen. Schenk geht weiter. Das Handy klingelt. Seine Frau. Er hat sie allein gelassen.
Alle sind allein in diesem „Tatort“: Daniel Gerber (Matthias Reichwald), der Pianist, der in einer Bar mit drei Bankern Streit hatte und später tot am Rheinufer – dort, wo man in Köln halt Leichen findet – liegt. Seine Mutter Marita (Lina Wendel), die ihren Sohn tagelang gesucht hatte und von der Ballauf gar nicht wusste, dass sie seine Nachbarin ist.
Und dann die Bewohner in dem Mietshaus, wo das Opfer stundenlang blutend gelegen haben muss. Die Esoteriker im Erdgeschoss, die sich mit massiven Gittern vor Tür und Fenster vor Eindringlingen schützen. Der Eishockeytrainer im ersten Stock, der nur zur Arbeit seine Wohnung verlässt. Kostet ja auch 2.400 Euro pro Monat. Kalt. Das will genutzt sein.
Die Übersetzerin im obersten Stock, die das Haus überhaupt nicht mehr verlässt. „Möchten Sie immer da raus, in diese Welt?“, fragt sie die Kommissare. Und natürlich Freddy Schenks alleinerziehende Schöne, die gerne mal rausgeht – und dann ihre kleine Tochter allein lässt.
Köln-„Tatort“: „Freddy tanzt“; So., 20.15 Uhr, ARD
Es gibt ja Menschen, die in ihrem Lonesome-Cowboy-Dasein aufgehen, die Johnny Cash, Leonard Cohen und John Cale hören, sich einen Whiskey einschenken und im Beruf den Clint Eastwood mimen. Die Figuren in diesem „Tatort“ gehören nicht dazu. Sie leiden.
Und dieses Leid wird hier leider derart ausgiebig behandelt, dass man nach einer Stunde ganz erschrocken ist, als die Kommissare plötzlich wieder im Büro sitzen und weiterermitteln wollen. „Wir sind wieder im Spiel“, sagt Ballauf. „Wurde auch Zeit“, sagt sich der Zuschauer.
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