Tatmotiv Rassismus?: Zu viele offene Fragen
Ab April ist der Mord an Burak Bektaş Thema im Neuköllner Untersuchungsausschuss. Auch der damals leitende Ermittler wird dort noch mal befragt.
Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt. „Jeder Tag ohne Burak ist schwer“, hatte Melek Bektaş der taz zum zehnten Todestag ihres Sohnes gesagt. Die Tat ist nicht nur in Neukölln unvergessen: Dafür gesorgt hat auch die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş, die sich kurz nach dem Mord gegründet hat und seitdem mit Gedenkkundgebungen, Mahnwachen und öffentlichen Äußerungen vehement Aufklärung fordert. Die Initiative drängt, Rassismus als Tatmotiv ernst zu nehmen. Ihrem Beharren ist es auch zu verdanken, dass sich der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu rechten Anschlägen in Neukölln ab Mitte April mit dem Mord befassen wird.
Vier Termine sind dafür angesetzt. Schon in der kommenden Sitzung am 12. April wird der Ausschuss einen Mann befragen, der im Verdacht steht, rechtsextreme Straftaten nicht verfolgt zu haben. Erst im November war öffentlich geworden, dass beim Landeskriminalamt in den Jahren 2020 und 2021 fast 400 Fälle rechtsextremer Straftaten unbearbeitet liegengeblieben waren – unter Kommissariatsleiter Alexander Huebner. Huebner war zuvor Leiter der 6. Mordkommission, die mit der Aufklärung an dem Mord an Bektaş befasst war.
Diese – scheibchenweise an die Öffentlichkeit gelangten – Informationen hatten die Mutter von Burak Bektaş noch einmal mehr in ihrem Vertrauen in eine gewissenhafte Aufklärung erschüttert. „Mit welchem Gewissen konnte dieser Kommissar, als ein Vertreter des Staates, mir in die Augen schauen und sagen, ‚Frau Bektaş, ich verstehe Sie sehr gut. Wir suchen unter jedem Stein?‘“, fragt sie.
Rassistisches Motiv naheliegend
Im Ausschuss ist außerdem Dieter Horstmann als Zeuge geladen. Er war der leitende Staatsanwalt bei den Ermittlungen. Als dritter Zeuge soll der Rechtsanwalt Lukas Theune vor dem Ausschuss erscheinen, er ist einer der Anwälte der Familie Bektaş.
„Wir haben den Mord an Burak Bektaş in den Untersuchungsauftrag reingenommen, weil ein rassistisches, rechtsextremes Tatmotiv naheliegend ist“, sagt Niklas Schrader, Linke-Abgeordneter und Mitglied im Ausschuss. Der Mord stehe im Kontext von rechtsterroristischen Taten aus der Zeit, es gäbe einen großen öffentlichen Aufklärungsbedarf.
Im Ausschuss soll es auch um den Mord an Luke Holland gehen. Der britische Student war 2015 ebenfalls in Neukölln auf offener Straße erschossen worden. Die Richter hatten Rolf Z. 2016 als Mörder von Luke Holland zu elf Jahren Haft verurteilt. In Z.s Wohnung hatten die Ermittler Nazidevotionalien gefunden. Die Initiative fordert seitdem, zu prüfen, ob Z. auch Burak ermordet haben könnte.
„Im 12. Jahr nach dem Mord schwindet die Hoffnung, noch neue ermittlungsfördernde Erkenntnisse zu erhalten“, sagt Vasili Franco, Grünen-Abgeordneter und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Die Polizei habe den Fall bereits mehrere Male überprüft. „Es geht vor allem darum, Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit herzustellen“, sagt er.
Fehler der Behörden aufzeigen
Aufklären werde der Ausschuss den Mord wohl nicht, sagt auch Schrader. Allerdings könne er all die Erkenntnisse und die Kritik aus der Initiative systematisch zusammentragen. „Was wir leisten können, ist das Fehlverhalten der Behörden aufzuzeigen und anzuregen, dass sie aus den Fehlern lernen“, sagt er. Dazu gehört auch die Frage, ob ein Zusammenhang zur rechten Neuköllner Anschlagsserie untersucht wurde.
In den folgenden Terminen sollen noch Vertreter der Opferperspektive, von ReachOut, Polizist*innen, Staatsanwälte und eine Vertretung der Nebenklage von Luke Holland befragt und angehört werden.
Die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektas ruft für Samstag zu einer Kundgebung am Gedenkort am Möwenweg in Neukölln auf, um an seinen 12. Todestag zu erinnern. Auch bei den kommenden Ausschusssitzungen will die Initiative präsent sein und demonstrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär