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Taser bei der Berliner PolizeiElektroschocker im Dauereinsatz

Berlins Polizei besitzt mittlerweile mehr als 250 Taser und setzt diese häufig ein. Die Betroffenen werden dabei oft verletzt, zeigen nun aktuelle Zahlen.

„Milderes Einsatzmittel“: Berlins Polizei verfügt mittlerweile über 255 solcher Taser (Symbolbild) Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin taz | Seit der stadtweiten Einführung von Tasern bei der Berliner Polizei ist die Zahl der Einsätze der Elektroschockgeräte deutlich gestiegen. Das geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Vasili Franco hervor. Demnach sind die Geräte seit Mai 2024 flächendeckend in Benutzung und wurden seitdem 152 Mal verwendet, also abgefeuert oder angedroht. Im gesamten Vorjahr gab es nur drei solcher Einsätze.

Die Anschaffung von Tasern war ein zen­trales Projekt der schwarz-roten Koalition. Dafür wurde vor rund einem Jahr das Polizeigesetz angepasst; seitdem gelten „Distanzelek­troimpulsgeräte“, wie Taser offiziell heißen, als milderes Einsatzmittel im Vergleich zu Schlagstöcken und Schusswaffen. „Taser können Leben retten“, argumentierte Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel kürzlich erneut im Innenausschuss.

Laut Senatsantwort verfügt die Berliner Polizei nun über 255 Elektroschocker. Das sind 230 mehr als noch vor einem Jahr, als lediglich 25 Geräte aus einem vorangegangenen Probelauf vorhanden waren. Während sich die Zahl der Taser also in etwa verzehnfacht hat, ist die Zahl der Auslösungen sogar um ein 25-faches gestiegen: von zwei Fällen im Jahr 2023 auf 49 allein seit Mai 2024.

Dabei erlitten die Betroffenen in 32 Fällen sogenannte Primärverletzungen, „zum Beispiel Muskelschmerzen oder leichte Verbrennungen“ schreibt die Innenverwaltung. In sechs Fällen (rund 12 Prozent der Auslösungen) waren die Elektroschocks wirkungslos, unter anderem wegen der Kleidung der Betroffenen.

Mehr Einsätze, mehr Verletzte

„Den Anstieg an Tasereinsätzen gilt es genauer in den Blick zu nehmen, auch weil jeder zehnte Einsatz nicht das gewünschte Ziel erreicht“, sagt Grünen-Innenexperte Franco dazu. Zugleich führten mehr Tasereinsätze „automatisch zu mehr Verletzten“, betont er. Vor diesem Effekt habe er schon bei der Beratung des neuen Polizeigesetzes gewarnt.

Neben den 49 Fällen, in denen Po­li­zis­t*in­nen die Taser abfeuerten, gab es 71 Androhungen sowie 32 „Präventiveinsätze“ – wobei die Polizei auch auf Nachfrage nicht näher erläutert, worum es sich dabei handelt. Laut Gesetz dürfen Taser nur eingesetzt werden, wenn so der Gebrauch von Schuss- oder Hiebwaffen vermieden oder wenn eine schwere Selbstverletzung bis hin zum Suizid verhindert werden kann.

Doch die Zahlen des Senats legen nahe, dass es die Polizei damit nicht so genau nimmt. Nur fünf der Androhungen hatten das Ziel, einen Suizid zu verhindern. Am häufigsten, in 18 Fällen, wurden Stromstöße wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angedroht – ein unscharfer Tatbestand. Abgefeuert oder angedroht wurden Taser außerdem etwa gegen Personen, die mit einem Messer bewaffnet waren, oder bei Festnahmen.

Unterdessen ist unklar, wie die Polizei sicherstellen will, dass Taser nicht gegen Kinder, schwangere und herzkranke Personen eingesetzt werden, wie das Gesetz vorschreibt. Laut Innenverwaltung führt die Polizei keine Statistik zu den Betroffenen von Taserschüssen.

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1 Kommentar

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  • Wieviele der Versuchsobjekte hatten unzufällig Migrationshintergrund ?