Tariflöhne in der Pflege in Bremen: Fast alle dafür
Bremens Wohlfahrtsverbände wollen mit einer Gesetzesänderung für flächendeckende Tariflöhne in der Pflege sorgen. Bisher scheiterte das an den Privatanbietern.
3.000 Pflegekräfte fehlen in Bremen bis zum Jahr 2030. Nach den Berechnungen von Arnold Knigge, dem Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft Pflege Bremen, ist es höchste Zeit, etwas gegen den bevorstehenden Fachkräftemangel und für die Qualität der Pflege zu tun.
„Wir brauchen allgemeinverbindliche Tarifverträge“, sagte Knigge am Dienstag im Auftrag der Wohlfahrtsverbände. Er forderte den Senat auf, eine Bundesratsinitiative für die Änderung des Tarifvertragsgesetzes und des Sozialgesetzbuchs V zu starten. Bremens Arbeitssenator Martin Günthner (SPD) zeigte sich dafür aufgeschlossen.
Bislang ist die Allgemeinverbindlichkeit des regionalen Pflege-Tarifvertrages in Bremen am Widerstand privater Pflegedienstleister gescheitert. Die nämlich hatten im Landes-Tarifausschuss Ende 2015 gegen die Allgemeingültigkeit eines Tarifvertrages für Azubis in der Altenpflege gestimmt. In dem Gremium sitzen je drei Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter*innen. Kommt es zum Patt, kann selbst ein bereits ausgehandelter Vertrag nicht branchenverpflichtend werden.
Nach Ansicht der Tarifgemeinschaft soll der Bremer Senat künftig auch bei Stimmengleichheit die allgemeine Verbindlichkeit von Tarifverträgen erklären können. Dafür bräuchte es Änderungen im Tarifvertragsgesetz. Zusätzlich müsse die Refinanzierung der Tarife durch die Kassen abgesichert werden, was durch Änderungen im Sozialgesetzbuch V gewährleistet werden könne, so Knigge. Bremens Wohlfahrtsverbände befürchten, dass die auf Bundesebene versprochenen, flächendeckenden Tarifverträge sich in Absichtserklärungen verlaufen werden und streben eine regionale Lösung an.
„Wir brauchen verbindliche Tarifverträge“
Denn immerhin gibt es in Bremen seit März einen regionalen Tarifvertrag, den die Tarifgemeinschaft Pflege Bremen mit Ver.di für Beschäftigte im Pflegebereich ausgehandelt hat. Es war bundesweit der erste trägerübergreifende Tarifvertrag in der Altenpflege. Seit Juni gilt er in der stationären Pflege, in der ambulanten Pflege tritt er ab Oktober in Kraft. Der Vertrag sieht einheitliche Vergütungen, verbindliche Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, eine Jahressonderzahlung und eine Urlaubsregelung vor. Sein Manko bleibt jedoch, dass er ohne Votum im Tarifausschuss nicht alle Pflegekräfte einbezieht. Derzeit gilt er für lediglich 3.000 von insgesamt 9.000 Beschäftigten im Pflegebereich, so Knigge.
Tatsächlich unterlaufen viele private Anbieter von Pflegedienstleistungen den Tarif systematisch. In Erinnerung bleiben vor diesem Hintergrund insbesondere Missstände in Einrichtungen wie dem „Alloheim“ in der Marcusallee, wo Familienangehörige von Pflegebetroffenen und der Pflegeschutzbund immer wieder auf Pflege- und Personalnotstand hinweisen.
Diskussion mit Koalitionsfraktionen
Arbeitssenator Martin Günthner zeigte sich aufgeschlossen für die Vorschläge. Man diskutiere sie bereits mit den Koalitionsfraktionen. Allerdings sei es juristisch schwierig, den Abstimmungsmodus im Tarifausschuss zu ändern. Tim Cordßen, Sprecher des Arbeitssenators, sagt: „Denkbar ist hingegen eher ein gewählter Vorsitz mit einem doppelten Stimmrecht in Patt-Situationen.“
Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen würde einen einheitlichen Tariflohn in der Pflege begrüßen, ebenso die Ersatzkassen, wie beide Verbände der taz bestätigten. Mit Widerstand ist jedoch weiterhin von privaten Anbietern zu rechnen. Eine Anfrage beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.