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Tarife im Öffentlichen DienstWenigstens ein Coronabonus

Nach drei Verhandlungsrunden und etlichen Warnstreiks gibt es einen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder. Für Jubel sorgt er nicht.

Kundgebung beim Warnstreik in Berlin am 25. November 2021 Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz | Weißer Rauch über Potsdam. Im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst der Länder gibt es eine Einigung. Nach zähen Verhandlungen verständigten sich die Arbeitgeber mit den Gewerkschaften auf einen Abschluss, der bei vielen Beschäftigten auf nur begrenzte Begeisterung stoßen wird. So soll es erst im Dezember 2022 eine Gehaltserhöhung von 2,8 Prozent geben. Dass es bis dahin zu keiner Lohnsteigerung kommt, soll durch einen steuerfreien Coronabonus in Höhe 1.300 Euro versüßt werden, der im Januar ausgezahlt wird.

„Trotz außergewöhnlich schwieriger Rahmenbedingungen haben die Tarifvertragsparteien Verantwortung bewiesen und ein für alle Seiten tragbares Ergebnis erzielt“, kommentierte der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers, den Tarifabschluss. „Das ist ein in weiten Teilen respektables Ergebnis“, sagte Ver.di-Chef Frank Werneke.

Dass sich Werneke trotz des eher mickrigen Gesamtergebnisses nicht unzufrieden mit dem Abschluss zeigt, liegt an den erreichten Zulagenerhöhungen im Gesundheitsbereich. So wird es hier ab Januar Erhöhungen der Pflegezulage von 125 auf 140 Euro, der Infektionszulage von 90 auf 150 Euro, der Intensivzulage von 90 auf 150 Euro, der Schichtzulage von 40 auf 60 Euro sowie der Wechselschichtzulage von 105 auf 150 Euro geben.

Das bringe für eine ganze Reihe von Beschäftigten spürbare Einkommensverbesserungen und sei „ein weiterer Zwischenschritt auf unserem Weg zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen“, sagte Werneke. So sieht das auch Volker Geyer, der Tarifexperte des Deutschen Beamtenbundes (DBB). „Einzig im Krankenhausbereich hat die TdL sich auf einige notwendige und überfällige Verbesserungen eingelassen“, sagte er.

Coronalage spielt Arbeitgebern in die Hände

Ver.di und DBB waren mit der Forderung nach einer Entgelterhöhung von 5 Prozent – rückwirkend ab dem 1. Oktober dieses Jahres – in die Verhandlungen gestartet. Mindestens jedoch sollte es 150 Euro monatlich mehr geben. Die Löhne für Beschäftigte im Gesundheitswesen sollten um 300 Euro angehoben werden.

Den eingefahrenen Ritualen der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst entsprechend legten die Arbeitgeber in den ersten beiden Verhandlungsrunden Anfang Oktober und Anfang November noch kein eigenes Angebot vor. Erst am Sonntag präsentierten sie ihre Vorstellungen, die erwartungsgemäß deutlich unter den Erwartungen der Gewerkschaften blieben.

Der nun erzielte Kompromiss trägt deutlich die Handschrift der sich zuspitzenden Coronalage, die Arbeitskampfmaßnahmen zunehmend problematisch erscheinen lässt. Da eine Ausweitung der bisherigen Warnstreiks insbesondere an den Unikliniken in der aktuellen Situation nur schwer möglich gewesen wäre, standen die Gewerkschaften mächtig unter Druck, jetzt zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Für übermäßige Zufriedenheit sorgt der Abschluss denn auch selbst bei ihnen nicht.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen hätten mehr verdient gehabt und für einen konkurrenzfähigen öffentlichen Dienst braucht es auch mehr“, sagte der DBB-Vorsitzende Ulrich Silberbach. In Sonntagsreden würde das auch von jedem Ministerpräsidenten und jeder Ministerpräsidentin bestätigt. „Am Verhandlungstisch in Potsdam ist den Arbeitgebenden diese Erkenntnis aber abhandengekommen.“

Unmittelbar betroffen von dem Abschluss sind die 1,1 Millionen Tarifbeschäftigten der Länder mit Ausnahme von Hessen, das 2004 aus der TdL ausgetreten ist und seitdem in Eigenregie verhandelt. Hinzu kommen noch 48.000 Auszubildende und knapp 1,4 Millionen Be­am­t:in­nen sowie rund eine Million Versorgungsempfänger:innen, also Pensionäre, auf die das Tarifergebnis üblicherweise übertragen wird.

Der Vollständigkeit halber: Die Entgelte von Auszubildenden, Prak­ti­kan­t:in­nen und Studierenden werden ab Dezember 2022 um 50 Euro bzw. um 70 Euro im Gesundheitswesen angehoben. Darüber hinaus erhalten auch sie im Januar eine Sonderzahlung, und zwar von 650 Euro.

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6 Kommentare

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  • Damit bekommen die Behörden aber das gleiche Bonus wie Pflegekräfte oder andere "richtig-schuftende" Arbeiter...

    So gerecht(!) ist Deutschland seit langem... Wie Immobilien-Verteilung... Wie Korruption-Beseitigung... U.v.m.

  • Das ist ein katastrophal schlechtes Ergebnis. Das erste Jahr eine Nullrunde und das zweite Jahr eine Erhöhung deutlich unter der Inflationsrate ergibt einen massiven Reallohnverlust. 1,4% Lohnsteigerung pro Jahr bei 5% Inflationsrate ist wirklich unterirdisch. Die Einmalzahlung lohnt sich nur für die Arbeitgeberseite, weil sie bei zukünftigen Tarifrunden natürlich hinfällig ist. Nur dauerhafte Lohnsteigerungen sind nachhaltig. Verdi sollte sich für dieses Ergebnis schämen. Die Verhandlungsposition könnte nicht besser sein und die Unverzichtbarkeit des öffentlichen Dienstes wurde durch die Pandemie nochmal besonders deutlich und dann sowas. Dafür braucht man dann eigentlich auch keine Gewerkschaft mehr.

  • „Nach drei Verhandlungsrunden und etlichen Warnstreiks gibt es einen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder. Für Jubel sorgt er nicht“



    Somit ist es ein „normaler“ Tarifabschluss: Alle Tarifabschlüsse, die ich kenne, sind Ergebnis eines Kompromisses. Dann sind nämlich, im optimalen Fall, beide Seiten gleichermaßen unzufrieden. Solche Kompromisse halten am längsten.



    Jubelt nur eine Seite, dann wurde die andere über den Tisch gezogen. Jubeln beide Seiten, stimmt was nicht. Dann sollten Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen hinterfragt werden.

  • In der aktuellen Situation halte ich Lohnzurückhaltung sinnvoll, vor allem im ÖD, aber nicht nur dort.

  • Kann mir mal jemand die 1300 Euro Sonderzahlung in Prozente für 2022 annähernd ausdrücken? Die 2,8 Prozent auf 2 Jahre bedeuten Reallohnsenkung und das nicht zu knapp. Dieser Abschluss ist nicht hinnehmbar!!!

    • @Kuddel_Chaos:

      Man kann das nicht in Prozenten ausdrücken, weil die Prozentzahl vom Basiswert "einkommen jetzt" abhängt. Für Geringverdiener ist die Prozentzahl also weit höher als für Hochverdiener. Wer 1.300 Euro monatlich netto hat, für den ist es ein 13. Monatsgehalt, wenn ein Richter am OVG evtl. 130.000 Euro im Jahr verdient, ist es nur 1 Prozent.