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Tarifabschluss bei der LufthansaZu wenig Fachkräfte? Gut so

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Das Kabinenpersonal der Lufthansa bekommt deutlich mehr Geld. Es verfestigt sich ein Trend: Die Gewerkschaften können selbstbewusster auftreten.

Am längeren Hebel: Die Gewerkschaft UFO hat sich bei der Lufthansa mit ihrem Tarifabschluss durchgesetzt Foto: Lando Hass/dpa

D er Fachkräftemangel treibt auch die Lufthansa um. Deshalb hat sich die Airline nun mit der Gewerkschaft Ufo auf einen Tarifvertrag geeinigt, der sich für ihre 19.000 Flug­be­glei­te­r*in­nen lohnt: Ihre Gehälter steigen um 16,5 Prozent, obendrauf gibt es noch eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro. Der Abschluss zeigt, dass sich die Beschäftigten auch in Zeiten schlechter Konjunktur nicht mehr beim Lohn zurückhalten müssen.

Fürs Management hat der Abschluss den Vorteil, dass auf lange Sicht keine Streiks mehr drohen. So hat auch das Bodenpersonal in einer Urabstimmung das Schlichtungsergebnis zwischen Verdi und dem Konzern angenommen – auch mit zweistelliger Lohnsteigerung. Mit der Pilotenge­werk­schaft Cockpit hatte man sich bereits im vergangenen Jahr auf einen Tarifvertrag geeinigt, der eine Laufzeit bis Ende 2026 hat. Ähnlich lang soll auch der nun geschlossene Tarifvertrag fürs Kabinenpersonal gelten. Und zwar ganze drei Jahre.

Das ist eine Kröte, die die Beschäftigten schlucken müssen und das Ergebnis relativiert. Auch mussten die Beschäftigten erst einmal ihre Krallen ausfahren, damit der Konzern ein ordentliches Angebot auf den Tisch legte. Und trotz eines bereits recht hohen Abschlusses vor rund anderthalb Jahren sind ihre Löhne real seit 2019 unterm Strich geschrumpft, unter anderem auch, weil sie zur Rettung von Konzern und Arbeitsplätzen zeitweise auf Zahlungen wie das Weihnachtsgeld verzichten mussten.

Verschobenes Kräfteverhältnis

Trotzdem ist der Tarifabschluss bemerkenswert. Er reiht sich ein in eine Kette anderer hoher Abschlüsse mit zweistelligen Lohnzuwächsen. Zum einen ist das noch eine Nachwirkung der Energiekrise, in deren Zuge die Lebenshaltungskosten drastisch ansteigen. Die Gewerkschaften mussten deshalb hohe Abschlüsse erzielen, um die Kaufkraftverluste ihrer Mitglieder aufzufangen. Zum anderen ist dies aber auch eine Folge des viel beschworenen Fachkräftemangels.

Letztlich ist der Fachkräftemangel für die Beschäftigten etwas Positives: Er verschiebt nämlich das Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt zu ihren Gunsten. Die Zeiten sind vorbei, in denen man froh sein musste, nach zig erfolglosen Bewerbungen endlich einen miesen Job zu bekommen. Mittlerweile müssen die Unternehmen in Konkurrenz um gute Fachkräfte gute Löhne und Arbeitsbedingungen bieten. Experten sprechen deshalb auch von einem Wandel von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt.

So wundert es nicht, dass auch die Lufthansa willens ist, ihren Beschäftigten mehr zu zahlen. Schließlich will sie vor allem eines vermeiden: wie in den beiden Jahren zuvor wegen Personalmangels Flüge streichen zu müssen.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Schön, dass es einmal so deutlich heraus gearbeitet wird, bei all der Angst vor wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Fachkräfte-Misere, so ist es als "Personal" irgendwie auch schön wenn man sich selbst als "heiße Ware" betrachten darf ;-). Im Bereich "Bezahlung" und "Verbesserungen der Arbeitsbedingungen" tut sich jedenfalls aktuell etwas mehr...sonst war ja immer alles völlig unmöglich und nicht machbar, aber jetzt...

  • Jupp, die "Fachkräfte" sind gut organisiert und können systematisch blockieren. Die anderen arme Schlucker sind nicht organisiert und haben keine Lobby. Wer verliert wohl?

  • Der Fachkräftemangel mag hier isoliert betrachtet gut sein. Er ist aber eine Katastrophe. Nehmen wir mal an, wir haben einen Mitbürger, der 68 Jahre alt ist. Er hat ein wenig Geld ins Trockene gebracht und braucht im Alter ein Pflegeheim. Aufgrund des Fachkräftemangels möchten diese natürlich mehr Geld haben. Und das Unternehmen zahlt dieses Geld auch. Plötzlich reicht das Ersparte nicht, um das Pflegeheim zu zahlen. Und nun? Unser Mitbürger bekommt halt keine Pflegekraft. Und wer jetzt einwendet: Na dann soll halt der Staat ran, zwei Einwände: Wenn es nicht genug Fachkräfte gibt, kann auch der Staat nichts ändern. Wenn es der Staat zusätzlich bezahlen soll, muss er die Steuern erhöhen, so dass der Gehaltsgewinn auch nichts bringt.

    Weder ein Fachkräftemangel noch ein Fachkräfteüberschuss ist gut.

    • @Strolch:

      Alles richtig. Nur stellt sich natürlich folgende Frage: Warum werden seit Jahrzehnten nicht genügend Fachkräfte ausgebildet? Die Massen - Jugendarbeitslosigkeit begann ca Mitte der 1970er Jahre. Nachfolgende Jugendliche sind auch deshalb lieber Studenten geworden, wenn das irgendwie möglich war. Der Fachkräftemangel immPflegebereich fing ungefähr zur gleichen Zeit an. Derselbe Mangel bei Lehrern fing schon in den 1960er Jahren an und wurde durch die Regelungen des NRW - Kultusministers Mikat mit seinen Mikatern und - Kätzchen bei weitem nicht behoben. Stattdessen gab es später überzählige Sozialarbeiter, die keine Arbeit bekamen und Taxifahrer wurden. Danach gab es zu viele Wirtschaftsstudenten, dann zu viele EDV - Studenten und dann zu viele Irgendwas mit Medien - Studenten. Aber Fachkräfte für alles andere wurden von der Wirtschaft(!) nicht ausgebildet und den Staat hat das kaum bis gar nicht interessiert. Bis heute. Und alle wundern sich.

      • @Karl Heinz:

        Das Hauptproblem ist der demographische Wandel, den wir haben. Die, die in den 70ern eine Lehrstelle angenommen (oder nicht bekommen) haben, gehen jetzt in Rente. Eine Steuerung der Ausbildung ist derzeit nicht das Problem. Es ist nahezu jeder Ausbildungs- und Studiumsberuf Mangel vorhanden. Bei manchen Bereichen mehr, bei anderen weniger. Mangel ist aber eigentlich überall. Selbst im "ungelernten" Bereich ist kein wirklicher Überschuss mehr da.

    • @Strolch:

      Richtig. Das ist ein Problem. Aber nur ein theoretisches, da es sowieso nicht genug Pflegeheime gibt und somit auch nicht genügend Pflegeplätze. Und wenn die in erforderlichem Umfang gebaut würden, würde es sicher auch ganz schnell noch teurer.

      • @Karl Heinz:

        Pflegeheimen gibt es genug, in jedem bleiben aber Betten leer, da keine Pflegekräfte. Undenkbar in Dland denen mal ordentliches Gehalt zu zahlen. Pflegekräfte und Erziehungspersonal werden dringend benötigt, der Fachkräftemangel in diesen Bereichen wird den allgemeinen FKM verschärfen. Von der durchschnittlichen Lohnentwicklung sind sie abgehängt.

        • @DunningKrugerDetector:

          Pflegekräfte sind von der Lohnentwicklung nicht abgehängt. Wir haben eine immer stärker überalternde Bevölkerung. Daher mehr Bedarf und daher der Mangel.